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jetzt also doch? Vor ein paar Monaten waren viele der Meinung gewesen, Olaf Scholz habe einen Wechsel nach Berlin ausgeschlossen. Dabei hatte Hamburgs Erster Bürgermeister den Teufel getan, sich eines einfachen Neins zu bedienen. Der Politikfuchs drückte es komplizierter aus. »Vor vier Jahren bin ich Hamburger Bürgermeister geblieben«, sagte Scholz im Dezember dem »Hamburger Abendblatt«. »Meine Pläne haben sich an dieser Stelle nicht verändert.« Und auf die Frage, ob er im Jahr 2020 wieder als SPD-Spitzenkandidat bei der Hamburger Bürgerschaftswahl antreten wolle, sagte Scholz: »Auch an diesen Vorstellungen hat sich nichts geändert.« »Absage an Berlin« machte das »Abendblatt« daraus. »Bürgermeister Scholz sieht politische Zukunft weiter in Hamburg«, titelte die Deutsche Presse-Agentur. Nur manche, wie Ulrich Exner in der »Welt«, gaben zu bedenken: »Was heißt es eigentlich, wenn ich meiner Frau mittags am Telefon sage, dass sich an meinen am Morgen verkündeten Plänen, an diesem Tag um 19 Uhr zu Hause zu sein, nichts geändert hat? Heißt das, dass ich auch tatsächlich pünktlich und zur Zufriedenheit meiner Familie am Abendbrottisch sitzen werde? Natürlich nicht ...« Als da eben alles Mögliche dazwischenkommen kann, ein Stau (in Hamburg immer), der Chef oder die Partei, die Pflicht und eine große reizvolle Aufgabe. Viereinhalb Monate nach der Bundestagswahl sind in Berlin endlich die Weichen für eine neue große Koalition gestellt – und wichtigster Mann im Kabinett Merkel als Vizekanzler und Finanzminister soll Rhetorikkünstler Scholz werden. Zwar müssen die 463.000 SPD-Mitglieder erst noch über den Koalitionsvertrag und somit auch über diese Personalie abstimmen. Aber in Hamburg hat dennoch das große Debattieren über die Nachfolgefrage begonnen. Mehr dazu unten.
Ein Mann aber wird heute wohl unverdrossen einen Termin wahrnehmen, der mit der Scholz-Frage so gar nichts zu tun hat. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) will ab 11 Uhr in Billbrook demonstrieren, wie schnell die neue Sauber-App der Stadtreinigung Hamburg funktioniert. Konkret: Kerstan wird mithilfe der App ein Foto »einer ordnungswidrigen Müllablagerung« machen, »sie mit einem Klick an die Stadtreinigung Hamburg melden«, und schließlich soll ein »Cleanteam« der wilden Ablagerung zu Leibe rücken.
Falls Sie nun bezweifeln, dass das im wirklichen Leben ohne Anwesenheit des Umweltsenators klappt: Keine Sorge, ich habe die App getestet. An einem Häuflein Silvesterraketenreste, das noch am 24. Januar gut sichtbar auf dem Fußweg in der Eimsbüttler Eichenstraße lag. Dieser Fußweg wird von der Stadtreinigung laut Wegereinigungsverzeichnis ein Mal pro Woche gereinigt, und wohl deshalb hatten Anwohner das Häuflein in den dreieinhalb Wochen zuvor mal nach links, mal nach rechts geschoben, in der Hoffnung, es werde sich jemand erbarmen. Fußweg und angrenzender »Grünstreifen« sind allerdings regelmäßig so verdreckt, dass den Saubermännern der Stadt die verkohlten Raketenbrocken vielleicht gar nicht auffielen. Wie auch immer: Das Melden des Mülls per App klappte tatsächlich binnen Sekunden, kurz danach ploppte eine Bestätigung in mein Mail-Fach – und am nächsten Tag war der Haufen wie von Zauberhand verschwunden. Wunderbar!
Zwei, drei Raketenhülsen, die einen halben Meter entfernt am Fußwegrand lagen und knapp nicht auf dem Foto zu sehen waren, blieben allerdings liegen (der übrige, weiter entfernte Unrat auch). Beim nächsten Mal muss ich besser auf den Bildausschnitt achten.
Wer wird Hamburger Bürgermeister?
Bevor Sie nun wahlweise jubeln oder den Mann einen wortbrecherischen Wendehals zeihen oder, auch das mag es geben, Olaf Scholz als prädestinierten Bundesfinanzminister und Vizekanzler feiern und im Groko-Kabinett willkommen heißen wollen – Gemach. Noch ist nichts entschieden, wo kämen wir da auch hin. Das letzte Wort hat, das wissen wir nach Monaten der Debatte über das Denk- und Undenkbare einer Regierungsbildung, die sozialdemokratische Basis. Bis die spricht ... ja, das kann dauern. Bis zum 2. März ist und bleibt alles wilde Spekulation. Und die hiesige SPD? Verschlossen wie eine Kiste Austern. Andreas Dressel, derzeit Fraktionschef, dereinst womöglich (womöglich!) Bürgermeister, verspricht auch nicht mehr als Stillschweigen bis zum Parteivotum, und dann, im Falle etwaiger Nachfolgefragen in Hamburg, einen Personalvorschlag »zu gegebener Zeit«. Von Andy Grote, der ebenfalls als Anwärter gehandelt wird – und wer macht dann den Job des Innensenators? Falko Droßmann etwa, der Ex-Bundi? –, gibt es nicht einmal ein schriftliches Statement. Klar, dass das der Opposition nicht reicht. »Es wird endlich Zeit für Hamburgs Bürgermeister, die unsäglichen Diskussionen um seine künftige Rolle zu beenden«, nölt CDU-Fraktionschef André Trepoll. Betont gelassen gibt sich die FDP: »Reisende soll man nicht aufhalten«, erklären ihre Fraktionsspitzen Anna von Treuenfels-Frowein und Michael Kruse – um kurz darauf ein »Machtvakuum an der Elbe« zu konstatieren. Cansu Özdemir von der Linken kann Scholz’ Abreise kaum erwarten, erhofft sie sich doch ein Ende »des eiskalten Kürzens, des Kaputtsparens und der Blockaden«. Nur der Hamburger AfD schien die Personalie Nummer eins bis Redaktionsschluss erst mal egal zu sein. Und die Grünen, ohnehin ein Herz und eine Seele mit den Genossen, versprechen: Egal mit welcher Rathausspitze, man werde weiterhin »schlagkräftig zusammenarbeiten«. Die wilden Spekulationen werden also vorerst weitergehen. |
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