Fünf vor 8:00: Erklär das mal einer den Griechen - Die Morgenkolumne heute von Petra Pinzler

 
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FÜNF VOR 8:00
22.02.2018
 
 
 
   
 
Erklär das mal einer den Griechen
 
Bizarr: Die Deutschen erinnern andere EU-Länder sehr gern an geltendes europäisches Recht. Doch wenn es um den Schutz des Diesels geht, ignorieren sie selbst die Regeln.
VON PETRA PINZLER
 
   
 
 
   
 
   
Dreckige Diesel raus aus den Städten? Heute wird in Leipzig über diese Frage geurteilt. Das dortige Bundesverwaltungsgericht entscheidet, ob Düsseldorf und Stuttgart künftig Autos aussperren müssen, aus deren Auspuff zu viel Stickoxid kommt, oder ob das geltende Recht das (noch) nicht erlaubt. Nur, ganz egal, wie die Entscheidung auch ausfällt – der eigentliche Skandal ist, dass dieser Prozess überhaupt stattfinden muss.
 
Seit vielen Jahren ist die Luft in den Großstädten zu dreckig. Das haben Untersuchungen immer wieder bewiesen, und auch, dass Menschen durch die dreckige Luft krank werden. Deswegen hat die EU unter aktiver Zustimmung der Bundesregierung einst Grenzwerte verabschiedet. Deswegen reagieren Politiker in anderen Ländern: Sie verbannen Autos aus den Innenstädten, weil die stark dafür verantwortlich sind, dass eben diese Grenzwerte überschritten werden. Besonders streng sind sie mit den Dieseln. Denn die pusten große Mengen des schädlichen Stickoxids in die Luft.
 
Eigentlich hätte also auch die Bundesregierung längst beherzt handeln müssen und können, und zwar nach einer ganz simplen Methode: dem Verursacherprinzip. Danach muss haften, wer die Gesundheit anderer Menschen, deren Eigentum oder die Natur schädigt. Wer das auch noch wissentlich tut und dabei das Recht beugt, gehört bestraft. Jeder Metzger weiß das, und jede Tischlerin: Wenn sie Murks produzieren, Wurst mit Salmonellen oder Tische mit schiefen Beinen, werden sie dafür zur Verantwortung gezogen. Nur für Autokonzerne gilt das Prinzip offensichtlich nicht. Denn die sind in Deutschland schlicht zu mächtig. Deswegen wurden sie nicht wie in den USA gezwungen, den Schaden wirklich zu reparieren. Deswegen reicht bis heute ein bisschen Kosmetik, ein Software-Update.
 
Betrug hilft beim Geschäft
 
Aus Sicht der Unternehmen ist das klasse. Denn so, wie es im Moment läuft, hilft ihnen der Betrug sogar noch beim Geschäft: Mit jedem schadhaften Diesel, der nicht repariert wird, wächst die Chance, dass dessen Eigentümer ihn verschrottet und, gelockt von attraktiven Wechselprämien, dafür ein neues Auto kauft. Und damit die hohen Gewinne von VW, Daimler und Co. noch steigert.
 
Die Politik hingegen bietet ein jämmerliches Bild. Diese Bundesregierung ist offensichtlich nicht nur zu feige, sich mit der Autoindustrie anzulegen. Sie lässt die Folgen auch noch die Bürgermeister der Großstädte ausbaden. Denn die stehen heute vor Gericht – weil sie dafür sorgen müssen, dass Schadstoffbelastung in ihrer Stadt abnimmt. Gleichzeitig aber fehlen ihnen dafür effiziente und leicht umsetzbare Mittel: Weder können sie die Autoindustrie zur Nachbesserung zwingen, noch haben sie das Recht, dreckige Autos mit einer Plakette zu kennzeichnen – die es der Polizei erleichtern würde, diese Wagen künftig zu identifizieren und aus der Innenstadt zu verbannen. Denn das darf nur der Bund.
 
Der hätte etwas tun können. Längst hätte der Verkehrsminister, wenn er schon nicht den direkten Konflikt mit den Autobossen wagt, wenigstens eine blaue Plakette einführen können. Die hätten dann, ähnlich wie die bereits existierende grüne Umweltplakette, nur halbwegs saubere Autos bekommen. Nur die hätten dann noch in die Innenstadt fahren dürfen, die dreckigen Diesel nicht, denn sie wären leicht zu erkennen gewesen. Doch das von der CSU geführte Verkehrsministerium war dagegen, und das von der CDU geführte Kanzleramt wollte die blaue Plakette auch nicht.
 
Es ist bizarr: Ausgerechnet CDU und CSU – also die Parteien, die andere EU-Länder so gern an europäisches Recht erinnern – gucken nicht nur dabei zu, wie die wichtigste deutsche Industrie immer wieder gegen Regeln und Grenzwerte verstößt. Sie ignorieren die Vorgaben auch noch selbst. Und lassen zu, dass andere vor Gericht ziehen müssen, damit die Regeln durchgesetzt werden.
 
Das erkläre mal jemand den Griechen.
   
 
   
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