| Guten Morgen, | | | | Sigrid Neudecker / Foto: Gretje Treiber | |
mehr als zweieinhalb Stunden debattierten die Bürgerschaftsabgeordneten gestern, ob denn nun der 31. Oktober unser neuer Feiertag werden solle – oder doch der Tag der Kapitulation Hitlerdeutschlands am 8. Mai oder der bislang bereits als internationaler Frauentag begangene 8. März oder gar der 23. Mai als Tag des Grundgesetzes. Zweieinhalb Stunden Debatte, was die FDP-Abgeordnete Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein als »parlamentarische Kuriosität« bezeichnete, da die Mehrheit schon längst feststand. »Diese Feiertagsdebatte ist eine Fiktion. Es wird nur scheinbar ergebnisoffen diskutiert«, kritisierte sie. Die viel zitierte »Sternstunde des Parlaments« – unterschiedliche Fraktionen und Abgeordnete hatten sich zu Gruppenanträgen zusammengefunden – sei jedenfalls nicht zu erkennen. Auch die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider war etwas verstimmt. »Zum ersten Mal gibt es in dieser Bürgerschaft Gruppenanträge«, sagte sie. »Das hatte einen langen Vorlauf.« Doch auch für sie war die Diskussion eher Makulatur, schließlich hatten sich die Regierungschefs von Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits Anfang Februar auf den 31. Oktober geeinigt. »Damit haben sie unsere heutige Debatte entwertet«, kritisierte Schneider. Gleichwohl warb jede Gruppe unbeirrt um ihren Vorschlag. Andreas Dressler (SPD) führte den praktischen Aspekt eines gemeinsamen Feiertages für alle Nordlichter an. »Wir müssen auch an das praktische Leben der Hamburger denken, die in einem Bundesland wohnen und im anderen arbeiten.« Schlussendlich wurde es – Überraschung! – der Reformationstag, der aber nun völlig säkular »Tag der Reformation« heißen wird. Wohl auch, weil Martin Luther gestern in der Bürgerschaft mehr oder weniger durchgehend sein Fett abbekam. (Mark Spörrle erwähnte es gestern bereits.) Dietrich Wersich (CDU) betonte, dass dieser Tag »kein Gedächtnis für Luther« als Inspirationsgeber für Nazideutschland sein solle, sondern »Anlass, sich mit diesem grausamen Irrtum der Geschichte auseinanderzusetzen«.
Dazu haben nun vor allem die Abgeordneten rund um AfD-Chef Jörn Kruse Gelegenheit. In ihrem Antrag für den 23. Mai schrieben sie, der neue Feiertag solle ein Tag sein, der »positiv besetzt ist«. Und weiter: »Dies gilt z. B. nicht für den 8. Mai als Markierung des Kriegsendes.«
Wir sind sie endlich los!
Es ist vollbracht! Die HSH Nordbank wird – sofern die Parlamente in Hamburg und Schleswig-Holstein zustimmen – für eine Milliarde Euro an ein Finanzkonsortium verkauft. Dies beendet hoffentlich eine jahrelange Skandalgeschichte von milliardenteuren Fehlentscheidungen. Wir haben unseren Kollegen Oliver Hollenstein, einen der wenigen, die bei der ganzen Misere überhaupt noch durchblicken, gefragt, wie blau das Auge ist, mit dem Hamburg davongekommen sein könnte. Elbvertiefung: Eine Milliarde Euro! Das ist doch ein super Deal, oder? Oliver Hollenstein: Der Kaufpreis ist höher, als die meisten Beobachter vor einigen Monaten erwartet hätten – auch weil es offenbar mehrere ernsthafte Interessenten gab. Mit Jubel bin ich bei der HSH Nordbank aber vorsichtig. Der Deal lautet: Die Investoren geben den Ländern eine Milliarde Euro für die Bank, die Länder zahlen ihr im Gegenzug noch mehrere Milliarden Euro für Altlasten. Das ist akzeptabel, weil die Länder diese Milliarden sehr wahrscheinlich sowieso früher oder später hätten zahlen müssen. Aber es zeigt, wie groß das ganze Debakel ist. EV: Wie viel wird uns die HSH am Ende gekostet haben? Hollenstein: Wenn man den jetzigen Kaufpreis abrechnet, hat die Bank seit ihrer Rettung im Jahr 2009 die Länder etwa 12 Milliarden Euro gekostet. Berücksichtigt man auch die Verluste seit Gründung der Bank 2003, kommt man eher auf 15 Milliarden Euro. Unklar ist bisher außerdem, welche Risiken die Länder künftig noch absichern, da standen zuletzt etwas mehr als drei Milliarden Euro im Raum. Umgerechnet dürften es aber mehr als 4000 Euro für jeden Hamburger Steuerzahler werden. EV: Eine Gruppe amerikanischer Finanzinvestoren kauft die HSH. Was wollen die mit einer hoch verschuldeten Bank? Hollenstein: Die Investoren haben kein karitatives Interesse, die wollen ein Geschäft machen. Als Erstes werden sie nun die verbleibenden faulen Kredite von der Bank trennen. Sie könnten damit sogar Gewinn machen, sollte sich der Schiffsmarkt wieder erholen. Den verbleibenden Teil werden sie wohl sanieren: mehr Leistung mit weniger Mitarbeitern. Möglicherweise werden sie die sanierte Bank dann in einigen Jahren mit Gewinn verkaufen. Möglicherweise haben sie aber auch andere, strategische Pläne am deutschen Bankenmarkt: Der Investor Cerberus besitzt auch Anteile an der Deutschen Bank und der Commerzbank. EV: Was sollte Hamburg aus diesem Debakel lernen? Hollenstein: Die Lehre ist, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Bei der Gründung der Bank träumte die Politik davon, dass die HSH die Haushalte sanieren sollte. Mit innovativen Finanzprodukten und Schiffsfinanzierung solle das große Geld verdient werden, schrieben sie 2003 ins Gesetz. Das waren genau die Geschäftsfelder, die die Bank später in den Abgrund rissen. Politiker von CDU und SPD nickten in den Jahren 2003 bis 2008 im Aufsichtsrat immer waghalsigere Geschäfte auf Risiko des Steuerzahlers ab – auch weil sie überhaupt nicht verstanden, was die Bank tut. EV: Hätte man nicht früher Schluss machen sollen, anstatt Milliarden zu versenken? Hollenstein: Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil eben nicht eindeutig ist, wie teuer eine Abwicklung zu einem früheren Zeitpunkt gewesen wäre. Die Bank trug lange noch viel höhere Risiken für den Steuerzahler. Die Berater der Länder haben immer wieder behauptet, dass es günstiger sei, die Bank weiter zu betreiben. Ob das stimmt, lässt sich von außen nicht nachvollziehen. Selbst die Parlamentarier haben mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis nie genügend Einblick bekommen, um sich ein echtes eigenes Urteil bilden zu können. Diese Intransparenz macht es schwer, den Verantwortlichen zu vertrauen. Zumal die Bank bis zuletzt immer wieder ihre Situation geschönt hat und sich die Prognosen der Regierungen und ihrer Berater in erschreckender Regelmäßigkeit als falsch erwiesen haben. EV: Wieso sitzt für all diese Machenschaften und Fehlentscheidungen eigentlich noch immer niemand hinter Gittern? Hollenstein: Das Gerichtsverfahren gegen ehemalige Vorstände der Bank wird demnächst neu aufgerollt, möglicherweise ändert sich das dann. Aber es stimmt schon: Es gibt in dieser Geschichte bisher keine Schuldigen, dafür umso mehr Leute, die Schuld von sich weisen. Das ist unbefriedigend. Aber ein Teil der Wahrheit ist auch, dass hier das System versagt hat, dass jeder seinen Vorteil sah, aber nicht das Risiko für die Allgemeinheit. Die entscheidende Frage ist für mich, ob das heute in ähnlicher Form wieder passieren könnte. Ich bin mir – ehrlich gesagt – nicht sicher. |
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