Fünf vor 8:00: Schluss mit der Schlammschlacht! - Die Morgenkolumne heute von Martin Klingst

 
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FÜNF VOR 8:00
01.04.2019
 
 
 
   
 
Schluss mit der Schlammschlacht!
 
Viele Demokraten suchen auch nach Ende der Mueller-Ermittlungen weiter Dreck an Donald Trumps Stecken. Um die Wahl 2020 zu gewinnen, sollten sie auf andere Mittel setzen.
VON MARTIN KLINGST
 
   
 
 
   
 
   

Donald Trumps politische Gegner drohen sich zu verrennen: Zu verbissen haben sie darauf gesetzt, dass die fast zweijährige Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller eine Verschwörung zwischen Trump und Russland aufdecken und belegen wird; zu lange haben Amerikas Demokraten darauf vertraut, dass der Abschlussbericht das Ende von Trumps Präsidentschaft einläuten wird.
 
Umso größer ist jetzt der Frust. Darüber dass es anders gekommen ist und dass Mueller für eine kollusive Zusammenarbeit oder gar den Verdacht des Hochverrats offenbar keinen Beweis gefunden hat. Die Enttäuschung und die Verbitterung über dieses Ergebnis sind im Augenblick so groß, dass sie bei manchen Demokraten in blinde und selbstzerstörerische Wut umzuschlagen drohen. Darin steckt ein großes Risiko, denn wenn die Eiferer in den nächsten Monaten die politische Bühne beherrschen und die Agenda bestimmen, könnte Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl 2020 aus purem Trotz, aus Ernüchterung und politischer Entfremdung vieler Amerikaner ein zweites Mal gewählt werden.
 
Statt innezuhalten, kurz durchzuatmen und sich dann mit aller Kraft dafür zu rüsten, Trump bei der nächsten Wahl mit politischen Inhalten zu schlagen, verharren viele Demokraten lieber in den alten Mustern. Kaum war das Ergebnis des Sonderberichts publik, kündigten sechs demokratische Ausschussvorsitzende im Repräsentantenhaus an, Trump unnachgiebig mit weiteren Ermittlungen zu Leibe zu rücken. Zornig forderten sie den Justizminister auf, unverzüglich den vollständigen Untersuchungsbericht samt aller Dokumente und Zeugenaussagen herauszugeben. Nach wie vor glauben und hoffen sie, in den fast 400 Seiten doch noch irgendetwas Belastendes zu finden, woraus sich Trump juristisch zu Fall bringen ließe.
 
Meister der schmutzigen Kriegsführung
 
Um kein Missverständnis zu erzeugen: Der Sonderermittler hat in seinem Bericht offengelassen, ob sich Trump der Justizbehinderung schuldig gemacht hat, indem er den ihm lästigen FBI-Direktor James Comey feuerte. Außerdem lässt sich Trump auch sonst genügend vorwerfen, undurchsichtige Immobiliengeschäfte etwa, Nepotismus, das Vorenthalten von Steuererklärungen oder die vorzugsweise Vermietung von Zimmern in seinem Washingtoner Hotel an ausländische Staatsgäste.
 
Es gibt also viele Anlässe auch für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – und diese sollten sich unverdrossen an die Arbeit machen. Doch zugleich wäre es ratsam, die Demokraten würden dabei den Eindruck vermeiden, als gehe es ihnen allein darum, irgendwelchen Schmutz über Trumps zu finden; als verwendeten sie ihre gesamten Energien nur darauf, Donald Trump mit juristischen Mitteln möglichst vorzeitig aus dem Präsidentenamt zu drängen. Aus dieser Schlacht würde aller Voraussicht nach nur einer als Sieger hervorgehen: Donald Trump.

Der Republikaner ist ein Meister der schmutzigen Kriegsführung. Wie seine triumphierenden Auftritte seit dem Mueller-Bericht demonstrieren, wartet er nur darauf, das Gefecht mit den Demokraten fortzusetzen. Während die Demokraten eine Verschwörung zwischen Trump und dem Kreml vermuten, sehen Trump und seine Anhänger in den Ermittlungen ein Komplott der Demokraten gegen den Präsidenten – weshalb die Republikaner nun ihrerseits mit Untersuchungsausschüssen drohen.
 
Amerikas 45. Präsident sehnt sich geradezu danach, die gegen ihn Wütenden mit noch größerer Wut zu überziehen. Schlammschlachten sind Donald Trumps politisches Lebenselixier, das waren sie schon zu seinen Zeiten als Geschäftsmann. Aus ihnen zieht er seine Kraft und seine Energie, mit ihnen mobilisiert und begeistert er seine Anhänger.
 
Dabei gibt es durchaus ein wirksames Rezept gegen Trump. Es ist keine Anleitung zur Kriegsführung, sondern ein politisches Handbuch des Erfolgs – und es stammt aus dem November 2018. Damals konnten die Demokraten nach zehn Jahren die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobern, weil die meisten ihrer Kandidaten drei Regeln beherzigten: Sie blieben cool, verkämpften sich nicht an Trump, setzten die richtigen Themen – und gewannen am Ende große Teile von Amerikas Mitte zurück.
 
Nur ein gemäßigter Demokrat kann Trump schlagen
 
Für den Präsidentschaftswahlkampf 2020 heißt das: Die Demokraten dürfen nicht auf Kandidaten setzen, die zwar bei der Parteibasis äußerst beliebt sind, aber nach Adam Riese keine oder zumindest kaum eine Chance haben, eine Mehrheit der amerikanischen Wähler zu gewinnen. Dazu zählen der griesgrämige 77-jährige Senator Bernie Sanders aus Vermont und die 69-jährige Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts.
 
Selbst der gegenwärtige Medienliebling, die 29-jährige Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez aus Brooklyn, hätte, würde sie kandidieren wollen, kaum Aussichten auf das Präsidentenamt. Denn im politischen Koordinatensystem der Vereinigten Staaten steht sie genau wie ihre beiden Parteifreundinnen für das höchste Amt im Land zu weit links. Sanders und Ocasio-Cortez nennen sich sogar Sozialisten, auch wenn sie im Vergleich mit Deutschland eher Mitglieder der SPD als der Linkspartei wären.
 
Trumps Vorgänger Barack Obama hat die Gefahr erkannt, dass sich die Demokraten in den Vorwahlen für Kandidaten begeistern könnten, die für den amerikanischen Otto Normalverbraucher zu "liberal" oder zu "progressiv" wären. Der 44. Präsident hat sich neulich mit einigen Parteilinken getroffen, ihnen ins Gewissen geredet und von seinen eigenen Erfahrungen erzählt. Denn etliche US-Bürger sind im Grunde immer noch wert- und strukturkonservativ, vor allem in Landstrichen, wo, wer Präsident werden will, nach wie vor gewinnen muss: im Mittleren Westen, in alten Industriestaaten wie Ohio, Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. Sowohl Obama als auch Trump haben in diesen Staaten triumphiert.
 
Wie die Kongresswahlen im vergangenen November gezeigt haben, spielt es dabei keine Rolle, ob das Herz eines Kandidaten oder einer Kandidatin der Demokraten (nicht der Republikaner!) persönlich eher links, rechts oder in der Mitte schlägt – jedenfalls nicht, solange sie Dreierlei beherzigen: dass sie bei den Wählern Hoffnung auf Veränderung wecken, dass sie keine politischen Eiferer sind (also das Gegenprogramm zu Trump!) – und dass sie auf die richtigen, mehrheitsfähigen Themen setzen.
 
Obama tat das, obwohl er seinerzeit in seiner Partei eher auf der linken Seite verortet wurde. Das schafften bei den Kongresswahlen im vergangenen Herbst auch viele Abgeordnete der Demokraten, egal welchem Parteiflügel sie angehörten.
 
Statt sich pausenlos am irrlichternden Donald Trump abzuarbeiten und eine Präsidentenanklage, ein sogenanntes Impeachment zu fordern und statt persönlichen Vorlieben und Minderheitenprogrammen zu frönen, machten sie sich stark für Themen, die für die Mehrheit der Amerikaner existenziell sind: eine bezahlbare Gesundheitsversorgung, gute und ausreichend finanzierte öffentliche Schulen, eine bezahlbare Universitätsausbildung. So lassen sich Wahlen gewinnen – und so könnte 2020 auch Donald Trump aus dem Weißen Haus vertrieben werden.

 


 
WEITERFÜHRENDE LINKS

BBC Trump-Russia: Five big things Mueller is looking at
The New Yorker It's Mueller Time

The Guardian What we learned from Barr's summary of the Mueller report
   
 
   
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Volker Meyer-Guckel fordert neue Forschungspolitik I Humboldt-Universität stärkt die Religionslehre I Interessanter MOOC zu digitalem Wandel I Sabine Schulz, Kunsthochschule für Medien Köln, beantwortet Dreieinhalb Fragen

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft entwirft eine neue Forschungspolitik, mit der Deutschland aus seiner Sicht China und den USA trotzen könnte. Die Berliner Humboldt-Universität stärkt die Religionslehre. Acatech und ESMT bieten einen interessanten MOOC zur Unternehmens- und Mitarbeiterführung im digitalen Wandel an (Das ist wichtig). Und Sabine Schulz von der Kunsthochschule für Medien Köln beantwortet unsere Dreieinhalb Fragen.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Meyer-Guckel fordert neue Forschungspolitik für Deutschland
In einem sehr lesenswerten Beitrag für das DSW-Journal (Scroll-Hilfe: ab Seite 13) entwirft Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär beim Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, die Strategie für eine neue Forschungspolitik für Deutschland. Schon bald, so zeigt er es anschaulich am Beispiel der Künstlichen Intelligenz, werde die Unternehmensforschung der Internetgiganten Google, Amazon, Facebook und Co. die Forschung an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen hinter sich lassen. Dem setzt Meyer-Guckel einen eigenen Weg für Deutschland entgegen, mit dem wir aus seiner Sicht gegen die USA und China bestehen könnten. Dazu müssten sich Unternehmen, die Hochschulen, die Politik und die Gesellschaft einander öffnen. 
  
 
 
Humboldt-Universität stärkt die Religionslehre
Im Wintersemester 2019/20 startet, wie die Welt berichtet, an der Berliner Humboldt-Universität das neue Institut für Katholische Theologie – zeitgleich mit dem Institut für Islamische Theologie. Das Land, das Erzbistum und die Universität einigten sich auf ein Konzept, wie sie am Freitag gemeinsam mitteilten. Insgesamt soll das Institut mit sechs Professoren-Stellen rund 40 Studenten und Studentinnen pro Jahr aufnehmen. Gleichzeitig wird der Lehrstuhl an der Freien Universität aufgelöst, die FU-Studenten werden vom neuen Institut übernommen. Auf die Professuren bewarben sich 140 Kandidaten, 20 Wissenschaftler wurden zu Probevorträgen eingeladen.
  
 
 
Interessanter MOOC zum digitalen Wandel
Wie sich der digitale Wandel auf die Unternehmens- und Mitarbeiterführung auswirkt, darüber kann man sich ab heute in einem Massive Open Online Course (MOOC) von acatech und ESMT schlau machen. Das Thema ist auch für jetzige und angehende Führungskräfte an Hochschulen von hoher Relevanz. Der MOOC läuft über drei Wochen und verlangt pro Woche zwei bis drei Stunden Mitarbeit. Namhafte Fachleute aus Wirtschaft und Wissenschaft führen in das Thema ein.
  
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
 
   
4,4
Prozent der nationalen Patentanmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt entfallen auf weibliche Erfinder (Stand 2016). Das zeigt ein aktueller Trendbericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Seit Jahren stagniert dieser Anteil auf niedrigem Niveau. Den Hauptgrund dafür sieht das IW in der „wenig patentaffinen“ Studien- und Berufswahl von Frauen. Bemerkenswert: Unter den in Deutschland lebenden Erfindern ausländischer Herkunft liegt der Frauenanteil bei 8,2 Prozent. 
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
3½  Fragen an…
 
 
   
 
   
Dr. Sabine Schulz
Kanzlerin der Kunsthochschule für Medien Köln

Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Ich habe mich kürzlich mit Professor Gerald Hüther darüber ausgetauscht, wie ein gemeinsam formuliertes Anliegen das Arbeiten und das Miteinander verwandeln kann. Herr Hüther hat mir den grundlegenden Unterschied zwischen einem Anliegen und einem Auftrag bewusst gemacht: Bei einem Auftrag gibt es die Rolle des "Erfüllers". Geht es um ein gemeinsames Anliegen, ist jede/r Beteiligte ein "Verwirklicher".

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Es ist immer möglich und auch in den Hochschulverwaltungen wichtig, die eigenen Denk- und Verhaltensmuster zu reflektieren und, wo sinnvoll, zu verändern. Für manche ist dieser Wandel bei dynamisch veränderten Rahmenbedingungen unausweichlich, andere erkennen darin eher ein Entwicklungspotential. Aus diesen Gedanken ist 2018 auch die Initiative "Musterwandler an Hochschulen" entstanden, die zu einem Austausch über neue Wege in der Zusammenarbeit einlädt.                    

Lektüre muss sein. Welche?
Anknüpfend an die Gedanken oben lese ich gerade "Stark in stürmischen Zeiten" von Bodo Janssen/Anselm Grün. Danach bin ich gespannt auf "Verbundenheit" von Gerald Hüther/Christa Spannbauer/Hans-Peter Dürr, das ich noch aus der Buchhandlung abholen werde. Für das Bauhaus-Jahr habe ich mich mit "Wenn Martha tanzt" vom Tom Saller eingestimmt.

Und sonst so?
Auch in bewegten Zeiten kann jede/r etwas bewegen.
   
 
   
 
 
   
   
   
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Weltmeister im Ausgrenzen Seit zehn Jahren versucht Deutschland weitgehend erfolglos, Förderschüler in den Regelunterricht zu integrieren. Dabei ist längst klar, wie es besser gehen könnte  

Was halten Sie von Inklusion? Eine aktuelle Umfrage unter Eltern Geht alles anders Henri wollte mit Down-Syndrom aufs Gymnasium. Das löste eine bundesweite Debatte aus. Was wurde aus ihm? Ich werde abgeworben Karriere oder Familie? In der Rushhour des Lebens wird es ernst. Rudi Novotny kriegt das zu spüren

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Bezaubernd: Der "Postdoc Blues" von John K. Samson
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