Karliczek und Sattelberger | Schrumpfende Hochschulstandorte | Gastkommentar Dieter Meschede: Plan S anders denken | Das Ende der Krawatte

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
heute wenden wir uns mal modischen Fragen zu – in der Fußnote. Das Politische kommt aber auch nicht zu kurz – es geht um Anja Karliczek und Thomas Sattelberger, um schrumpfende Hochschulstandorte und Doktoranden, die ordentlich Urlaub machen dürfen. Und im Gastkommentar kritisiert Dieter Meschede, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, dass Plan S für kleine Fachgesellschaften und Journale zum Problem werden kann.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Karliczek, und wer ihr (vielleicht) gerne nachfolgen würde
Inzwischen wird es immer schwieriger, noch jemanden zu finden, der Anja Karliczek verteidigt – vor allem jetzt, da ihrem Haushalt womöglich 300 Millionen Euro flöten gehen (SpOn). Keine großes Medium, das anlässlich des Einjährigen der BMBF-Chefin keine kritische Bestandsaufnahme geschrieben hätte (ZEIT, SpOn, TAZ, Welt) – zuletzt ließ auch Heike Schmoll in der FAZ jede CDU-Freundlichkeit fahren und verteidigte zähneknirschend die unschädliche Regenbogenfamilie, um ihren Punkt zu machen: Karliczek sei eine „Proporzkandidatin: Frau, katholisch, aus Nordrhein-Westfalen, der es immer weniger gelingt, ihre fachlichen Defizite einfach wegzulächeln.“ – In der FDP-Fraktion bringt sich derweil der Abgeordnete und Bildungspolitiker Thomas Sattelberger in Stellung. Im Interview mit der ZEIT (Wirtschaft, S. 26) rechnet er nicht nur mit den „höfischen Ritualen“ eines unambitionierten Politikbetriebs ab, sondern antwortet auch auf die Frage, ob er denn Bildungsminister werden wolle: „Meinen Hut werfe ich immer gerne. Aber jetzt brauchen wir erst einmal einen Ring.“ Klingt wie eine Drohung Richtung GroKo – und BMBF.
  
 
 
Studie: Deutschland braucht mehr ausländische Studierende
Das Studieren ist beliebter als je zuvor – doch es gibt auch Regionen, in denen die Hochschulen unter der sinkenden Geburtenrate und Abwanderung leiden. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat (im Auftrag des BMBF) untersucht, wie schrumpfende Hochschulstandorte (vor allem in Ostdeutschland)  reagieren können – und zwar durch eine aktive Internationalisierungsstrategie. So hat jeder sechste Hochschulstandort heute elf Prozent weniger deutsche Studierende als noch 2012. Die schrumpfenden Standorte begegnen diesem demografischen Wandel, indem sie internationale Studieninteressierte in Sprachschulen, ausländischen Partnerschulen und -hochschulen oder im Internet gezielt ansprechen. Mit Erfolg: An 26 solcher Standorte ist zwar die Zahl einheimischer Studierender zurückgegangen, die Zahl der internationalen Studierenden ist jedoch um 42 Prozent gestiegen. – Sekundiert wurde die Meldung, naheliegenderweise, vom DAAD, dessen Generalsekretärin Dorothea Rüland sagte: „Der Fachkräftemangel ist schon jetzt ein Problem für den Arbeitsmarkt. Die deutschen Unternehmen brauchen von den Hochschulen hervorragend ausgebildete junge Leute. Die Anwerbung internationaler Studierender kann dabei helfen, den demografischen Wandel abzufedern.“
  
 
 
Kurz notiert: Grundfinanzierung, Urlaubstage, Hochschulpakt, Männer
Dass die Grundfinanzierung der Hochschulen zu niedrig ist, dieses Mantra singen viele Seiten. Die European University Association liefert dazu heute Zahlen – im Public Funding Observatory Report 2018+++ Wer selbst twittert, versteht einfach nicht, warum andere es nicht tun. Carsten Könneker, Spektrum-Chefredakteur und designierter Leiter der Tschira-Stiftung, schreibt jetzt im Tagesspiegel, warum das Nicht-Zwitschern den Populisten hilft. +++ Apropos Twitter, auch wissenschaftspolitisch erfährt man da häufig das Allerneueste – zum Beispiel, dass die Max-Planck-Gesellschaft ihren Doktoranden künftig 30 (statt wie bisher 20) Urlaubstage zugesteht; noch vor einer offiziellen Pressemeldung verkündete dies MPG-Vizepräsident Bill Hansson in einem Tweet. +++ Kriegt der Hochschulpakt seine Dynamisierungskomponente – und wenn ja, wer zahlt dafür? Im Wiarda-Blog +++ Die Otto-von-Bismarck-Stiftung und die Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften können sich die Goldene Ehrennadel für das Male Panel des Jahres an den Schlips heften – auf der zweitägigen Konferenz  „1918 - Das Ende des Bismarck-Reiches?“ sprechen ausschließlich Männer, insgesamt 15 (darunter Peter Altmaier). Da holen wir nochmals folgenden Text aus dem ZEIT-Archiv: „Mann, ey“.
  
   
   
   
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Personen
 
 
   
  
Abel-Preis
Einen Mathematik-Nobelpreis gibt es nicht, dafür aber die Fields Medaille – und den Abel-Preis, verliehen von der norwegischen Akademie der Wissenschaften. Mit letzterem wurde jetzt die amerikanische Mathematikerin Karen Uhlenbeck ausgezeichnet; sie ist die erste Frau, die den Preis erhält. (ZEIT online)
 
Job: Weiterbildungsmaßnahme
Das Durchblättern des ZEIT-Stellenmarktes ist ja so eine Art Selbst-Weiterbildungsmaßnahme. Denominationen, von denen man bislang nie gehört hatte (Professur für Computer Generated Imaging); Standorte, die man erstmal googlen muss. Hinterher ist man immer schlauer! 
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
von Dieter Meschede
   
 
   
Plan S, vom Ende her gedacht
Wissenschaftliche Information aus öffentlich geförderter Forschung sollte jedem Bürger frei zur Verfügung stehen. Das Internet ermöglicht genau das. Geht es nach dem Willen des sogenannten Plan S, müssen ab 2020 in Europa wissenschaftliche Ergebnisse, die von öffentlicher Förderung profitiert haben, strikt nach dem „Open-Access-Gold-Standard“ publiziert werden: Leser bräuchten dann keine Zeitschriften mehr zu abonnieren, sondern könnten Artikel kostenfrei lesen. Die Autoren zahlen stattdessen eine Gebühr für die Veröffentlichung ihrer Artikel. Das hört sich gut an – was sollte man dagegen einwenden?
Große Verlage haben wirtschaftlich erfolgreiche Open-Access-Journale längst platziert. Und das 1999 gegründete „New Journal of Physics“ hat bewiesen, dass Open Access mit hoher wissenschaftlicher Qualität im Wettbewerb erfolgreich sein kann. Doch wie sollen die vielen kleinen Verlage und Fachgesellschaften mit den ökonomischen Herausforderungen fertig werden?
Europa sollte die Konsequenzen von Plan S vom Ende her denken:
Die hektische Umstellung auf Open Access nach Plan S bedroht etablierte und qualitätssichernde Publikations-Strukturen ohne Not und stellt sie in Frage. Zudem dreht sich die Finanzierungsgrundlage um: Open-Access-Journale richten ihr Angebot vornehmlich an Autoren; für Leser und Bibliotheken ist der Zugang kostenlos – verlieren sie an Bedeutung? Die Naivität vieler Autoren hinsichtlich ökonomischer Hintergründe nutzen sogenannte Raub-Verlage schon heute aus.
Zahlreiche Spitzenjournale, wie die begehrten „Letter“ der amerikanischen Fachgesellschaften, sind Kombinationen aus traditionellem und Open-Access-Journal – sie erfüllen den Gold-Standard nicht. Europäische Autoren öffentlich geförderter Forschung könnten mit Plan S hier nicht mehr publizieren. Diese Journale haben jedoch großen Einfluss auf die Karrierewege. Was bedeutet das für die jungen Wissenschaftler aus Europa?
Darüber hinaus droht mit dem Plan S jetzt eine Art Zwangsbewirtschaftung: die Freiheit der Wissenschaftler, wo sie ihre Ergebnisse am besten publizieren, wird massiv eingeschränkt. Und all das aus einer isoliert europäischen Perspektive heraus.
Die Qualität wissenschaftlichen Publizierens lebt zutiefst vom Prinzip „Von Wissenschaftlern für Wissenschaftler“ – und von der freien Entscheidung, welcher Zeitschrift Wissenschaftler ihre Manuskripte mit ihren Erkenntnissen anvertrauen. Für diese Freiheit lohnt es sich zu kämpfen!
 
Prof. Dr. Dieter Meschede (Universität Bonn) ist Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG)
 
   
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Wozu brauchen Kinder noch Bücher? Während es überall blinkt, piept und flimmert, warnen Pädagogen davor, dass Kinder komplexe Texte nicht mehr verstehen. Nun versuchen Bibliothekare und Wissenschaftler, das Lesen zu retten   

Unendliche Geschichten
Acht Prominente erzählen, was sie aus ihren liebsten Kinderbüchern fürs Leben gelernt haben Schund oder Schatz Was macht ein gutes Buch aus? Und welche Rolle spielt Literatur in der Schule? Darüber diskutieren eine schreibende Lehrerin, ein Verleger und eine Literaturwissenschaftlerin Eine Vorlesegeschichte von Kirsten Boie Leo-Kinderbuch-Bestsellerliste 


Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Ist Ihnen das auch schon aufgefallen? Die Krawatte stirbt aus, und zwar auf wissenschaftspolitischen Tagungen. Einerseits, weil mittlerweile nicht mehr nur Männer zu diesen Ereignissen kommen – das ist großartig, denn Diversität macht die Wissenschaft besser. Andererseits, weil jene anwesenden Männer die „Langbinder” weglassen. Und das wiederum finde ich entsetzlich.
Erstens, weil durch das Weglassen der Binder die Männer zu einer monochromen Gruppe werden: Anzug navy, Hemd weiß; Anzug anthrazit, Hemd hellblau. In der Illusion des Nonkonformismus werden die Veranstaltungen konformistischer.
Zweitens sagt Kleidung etwas aus: Achten Sie mal auf die Schlipse von Johannes Vogel, die Schleifen von Jürgen Zöllner oder die Krawattennadeln von Peter Strohschneider. Äußeres ist nicht nur Äußerlichkeit – es ist auch ein zweiter Zugang zur Innerlichkeit.
Interessanterweise werden die aussterbenden Krawatten aber sogleich wieder zur Avantgarde: Auf dem Forschungsgipfel berichtete mir jemand (Kragen offen) von einem Abend mit Start-up-Unternehmern, bei dem die jungen Gründer alle Krawatten trugen. Ohne Binder sah man da offenbar ziemlich alt aus.
„Die Zukunft der Krawatte hängt am seidenen Faden”, schrieb einmal die FAZ, voll metaphorischer Klarsicht. Es wäre schade, wenn sie in der Wissenschaftspolitik nirgendwo mehr hängt.
Manuel J. Hartung
   
 
   
 
 
   
Nonkonformistisch grüßt

Ihr CHANCEN-Team


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