Donald Trumps politische Gegner drohen sich zu verrennen: Zu verbissen haben sie darauf gesetzt, dass die fast zweijährige Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller eine Verschwörung zwischen Trump und Russland aufdecken und belegen wird; zu lange haben Amerikas Demokraten darauf vertraut, dass der Abschlussbericht das Ende von Trumps Präsidentschaft einläuten wird.
Umso größer ist jetzt der Frust. Darüber dass es anders gekommen ist und dass Mueller für eine kollusive Zusammenarbeit oder gar den Verdacht des Hochverrats offenbar keinen Beweis gefunden hat. Die Enttäuschung und die Verbitterung über dieses Ergebnis sind im Augenblick so groß, dass sie bei manchen Demokraten in blinde und selbstzerstörerische Wut umzuschlagen drohen. Darin steckt ein großes Risiko, denn wenn die Eiferer in den nächsten Monaten die politische Bühne beherrschen und die Agenda bestimmen, könnte Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl 2020 aus purem Trotz, aus Ernüchterung und politischer Entfremdung vieler Amerikaner ein zweites Mal gewählt werden.
Statt innezuhalten, kurz durchzuatmen und sich dann mit aller Kraft dafür zu rüsten, Trump bei der nächsten Wahl mit politischen Inhalten zu schlagen, verharren viele Demokraten lieber in den alten Mustern. Kaum war das Ergebnis des Sonderberichts publik, kündigten sechs demokratische Ausschussvorsitzende im Repräsentantenhaus an, Trump unnachgiebig mit weiteren Ermittlungen zu Leibe zu rücken. Zornig forderten sie den Justizminister auf, unverzüglich den vollständigen Untersuchungsbericht samt aller Dokumente und Zeugenaussagen herauszugeben. Nach wie vor glauben und hoffen sie, in den fast 400 Seiten doch noch irgendetwas Belastendes zu finden, woraus sich Trump juristisch zu Fall bringen ließe.
Meister der schmutzigen Kriegsführung
Um kein Missverständnis zu erzeugen: Der Sonderermittler hat in seinem Bericht offengelassen, ob sich Trump der Justizbehinderung schuldig gemacht hat, indem er den ihm lästigen FBI-Direktor James Comey feuerte. Außerdem lässt sich Trump auch sonst genügend vorwerfen, undurchsichtige Immobiliengeschäfte etwa, Nepotismus, das Vorenthalten von Steuererklärungen oder die vorzugsweise Vermietung von Zimmern in seinem Washingtoner Hotel an ausländische Staatsgäste.
Es gibt also viele Anlässe auch für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – und diese sollten sich unverdrossen an die Arbeit machen. Doch zugleich wäre es ratsam, die Demokraten würden dabei den Eindruck vermeiden, als gehe es ihnen allein darum, irgendwelchen Schmutz über Trumps zu finden; als verwendeten sie ihre gesamten Energien nur darauf, Donald Trump mit juristischen Mitteln möglichst vorzeitig aus dem Präsidentenamt zu drängen. Aus dieser Schlacht würde aller Voraussicht nach nur einer als Sieger hervorgehen: Donald Trump.
Der Republikaner ist ein Meister der schmutzigen Kriegsführung. Wie seine triumphierenden Auftritte seit dem Mueller-Bericht demonstrieren, wartet er nur darauf, das Gefecht mit den Demokraten fortzusetzen. Während die Demokraten eine Verschwörung zwischen Trump und dem Kreml vermuten, sehen Trump und seine Anhänger in den Ermittlungen ein Komplott der Demokraten gegen den Präsidenten – weshalb die Republikaner nun ihrerseits mit Untersuchungsausschüssen drohen.
Amerikas 45. Präsident sehnt sich geradezu danach, die gegen ihn Wütenden mit noch größerer Wut zu überziehen. Schlammschlachten sind Donald Trumps politisches Lebenselixier, das waren sie schon zu seinen Zeiten als Geschäftsmann. Aus ihnen zieht er seine Kraft und seine Energie, mit ihnen mobilisiert und begeistert er seine Anhänger.
Dabei gibt es durchaus ein wirksames Rezept gegen Trump. Es ist keine Anleitung zur Kriegsführung, sondern ein politisches Handbuch des Erfolgs – und es stammt aus dem November 2018. Damals konnten die Demokraten nach zehn Jahren die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobern, weil die meisten ihrer Kandidaten drei Regeln beherzigten: Sie blieben cool, verkämpften sich nicht an Trump, setzten die richtigen Themen – und gewannen am Ende große Teile von Amerikas Mitte zurück.
Nur ein gemäßigter Demokrat kann Trump schlagen
Für den Präsidentschaftswahlkampf 2020 heißt das: Die Demokraten dürfen nicht auf Kandidaten setzen, die zwar bei der Parteibasis äußerst beliebt sind, aber nach Adam Riese keine oder zumindest kaum eine Chance haben, eine Mehrheit der amerikanischen Wähler zu gewinnen. Dazu zählen der griesgrämige 77-jährige Senator Bernie Sanders aus Vermont und die 69-jährige Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts.
Selbst der gegenwärtige Medienliebling, die 29-jährige Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez aus Brooklyn, hätte, würde sie kandidieren wollen, kaum Aussichten auf das Präsidentenamt. Denn im politischen Koordinatensystem der Vereinigten Staaten steht sie genau wie ihre beiden Parteifreundinnen für das höchste Amt im Land zu weit links. Sanders und Ocasio-Cortez nennen sich sogar Sozialisten, auch wenn sie im Vergleich mit Deutschland eher Mitglieder der SPD als der Linkspartei wären.
Trumps Vorgänger Barack Obama hat die Gefahr erkannt, dass sich die Demokraten in den Vorwahlen für Kandidaten begeistern könnten, die für den amerikanischen Otto Normalverbraucher zu "liberal" oder zu "progressiv" wären. Der 44. Präsident hat sich neulich mit einigen Parteilinken getroffen, ihnen ins Gewissen geredet und von seinen eigenen Erfahrungen erzählt. Denn etliche US-Bürger sind im Grunde immer noch wert- und strukturkonservativ, vor allem in Landstrichen, wo, wer Präsident werden will, nach wie vor gewinnen muss: im Mittleren Westen, in alten Industriestaaten wie Ohio, Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. Sowohl Obama als auch Trump haben in diesen Staaten triumphiert.
Wie die Kongresswahlen im vergangenen November gezeigt haben, spielt es dabei keine Rolle, ob das Herz eines Kandidaten oder einer Kandidatin der Demokraten (nicht der Republikaner!) persönlich eher links, rechts oder in der Mitte schlägt – jedenfalls nicht, solange sie Dreierlei beherzigen: dass sie bei den Wählern Hoffnung auf Veränderung wecken, dass sie keine politischen Eiferer sind (also das Gegenprogramm zu Trump!) – und dass sie auf die richtigen, mehrheitsfähigen Themen setzen.
Obama tat das, obwohl er seinerzeit in seiner Partei eher auf der linken Seite verortet wurde. Das schafften bei den Kongresswahlen im vergangenen Herbst auch viele Abgeordnete der Demokraten, egal welchem Parteiflügel sie angehörten.
Statt sich pausenlos am irrlichternden Donald Trump abzuarbeiten und eine Präsidentenanklage, ein sogenanntes Impeachment zu fordern und statt persönlichen Vorlieben und Minderheitenprogrammen zu frönen, machten sie sich stark für Themen, die für die Mehrheit der Amerikaner existenziell sind: eine bezahlbare Gesundheitsversorgung, gute und ausreichend finanzierte öffentliche Schulen, eine bezahlbare Universitätsausbildung. So lassen sich Wahlen gewinnen – und so könnte 2020 auch Donald Trump aus dem Weißen Haus vertrieben werden.