Frist-ist-Frust-Kampagne startet | Macron, Europa und Horizont | Fußnote for Future | Dr. acad Sommer über Streithähne

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
zum Internationalen Frauentag finden Sie im CHANCEN-Teil der ZEIT einen Schwerpunkt zu Frauen in der Wissenschaft mit einem Beitrag von Mai Thi Nguyen-Kim, einem Interview mit Peter-André Alt und einer Recherche zur Attraktivität des Wissenschaftsmanagements für Frauen. Gewerkschaften und Nachwuchsforscher starten eine Frist-ist-Frust-Kampagne, und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron tritt der Wissenschaft auf den Schlips (Das ist wichtig). Dr. acad. Sommer berät eine Dekanin im Umgang mit Streithähnen. Und in der Fußnote geht es um Scientists for Future und den Abschied von der akademischen Konferenzfliegerei.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Frist-ist-Frust-Kampagne
Da braut sich was zusammen. Zwei Monate vor den anstehenden Entscheidungen zur Zukunft des Hochschulpakts im Mai fordert ein neues Bündnis aus Wissenschaftlern und Gewerkschaften einen Entfristungspakt. Die Länder sollen die Hochschulen an die Kandare nehmen und ihnen ab 2021 nur dann Pakt-Gelder (geplantes Volumen aktuell: 500-Millionen im Jahr) zuweisen, wenn die Hochschulen 1) davon Dauerstellen in der Lehre schaffen und 2) das Lehrdeputat der Stellen mit einer Obergrenze versehen. An Unis sollten diese bei acht Semesterwochenstunden liegen. So wollen GEW, Ver.di und das Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft eine „qualitativ hochwertige, forschungsbasierte Lehre“ erreichen. Die „Frist ist Frust“-Kampagne startet heute offiziell. Bereits am Dienstag hatten Andreas Keller (GEW), Ute Kittel (ver.di) und Tilman Reitz (NGAWiss) ihre Pläne im Wiarda-Blog präsentiert. Die Aktion kommt wenige Tage nach der Tarifeinigung im öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), von dem nach Gewerkschaftsangaben rund 400.000 Beschäftigte an Hochschulen profitieren werden. Binnen 33 Monaten erhalten sie in drei Schritten insgesamt 8 Prozent mehr Gehalt. Weitere Informationen finden sich auf den Seiten der GEW.
  
 
 
Macron, Europa und Horizont
Es war ein Tusch, der Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zu Wochenbeginn gelang. Tageszeitungen in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten  berichten in einer konzertierten Aktion über Macrons Appell zur Rettung Europas (Tagesschau, Eurotopics). Gelingen soll der Neustart nicht nur mit Hilfe der Bürger in Europa, sondern auch mit der der Wissenschaft. In seinem „Brief an die Europäer“ (PDF) nennt Macron ganz explizit den Europäischen Innovationsrat (EIC). Im Pilotbetrieb fördert der EIC schon jetzt marktgängige Forschungsprojekte von Unternehmen und Wissenschaftsinstituten, ab 2021 soll er im Vollbetrieb durchstarten und für die anwendungsorientierte Gemeinschaftsforschung das werden, was der Europäische Forschungsrat (ERC) für die Grundlagenforschung ist: eine feste Förderbank. Rund 16 Milliarden Euro soll der ERC nach bisherigen Plänen (PDF) zwischen 2021 und 2027 ausgeben können, rund 10 Milliarden Euro soll der EIC erhalten. Zu wenig, findet Macron. In seinem „Brief" schlägt er ein Budget vor, „das mit dem in den USA vergleichbar ist, um sich an die Spitze der neuen technologischen Umwälzungen wie der Künstlichen Intelligenz zu stellen“. Summen nennt Macron nicht. Der Vorstoß ist wissenschaftspolitisch brisant nicht nur, weil der von der Politik gewollt wirtschaftslastige Innovationsrat in der Wissenschaft auf Skepsis stößt. Macrons Votum fällt in eine Zeit, in der Brüssels Haushaltsverhandlungen stocken – mit Folgen für die EU-Forschungsprogrammplanung. Die Uhr tickt. Horizon 2020 läuft in weniger als zwei Jahren aus, und der Nachfolger Horizon Europe (geplantes Volumen: 100 Milliarden Euro) hängt. Die Etatverhandlungen sind mittlerweile derart festgefahren, dass der Verband Europäischer Forschungsuniversitäten Leru Alarm schlägt (THE): ”Such a delay would likely result in a funding gap between the current and the next Framework Programme“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands. Zu ihm gehören neben Europas Eliteunis in Oxford, Cambridge und Zürich auch die Münchner LMU, die Universität Heidelberg und die Universität Freiburg.
  
 
 
In aller Kürze: EFI-Gutachten, Trump, Elsevier
Es geschieht nicht oft, dass sich renommerte Wissenschaftsinstitutionen öffentlich abwatschen. Deshalb für alle, die das Duell zwischen der Expertenkommission Forschung und Innovation und der DFG verpasst haben, eine Kurzfassung: EFI kritisiert im Jahresgutachten (PDF) einzelne Punkte der DFG-Förderpolitik. Die DFG pariert die Rüge via Pressemitteilung und mahnt die EFI-Experten zu einer "differenzierten" Betrachtungsweise +++ Die Charité hat bis 2015 Leistungen für Privatpatienten über ein Institut abgerechnet, das nicht existiert, und führt Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach bei der Aufarbeitung erst einmal in die Irre (Berliner Morgenpost) +++ Der DAAD wertet seine Informationszentren auf (ZEIT 11/2019, S. 58) und versucht damit, eine personalpolitische Scharte auszuwetzen (ZEIT 47/2018) +++ Die mächtige US-Forschungsförderin NIH hat Wissenschaftler aufgefordert, ihre geheimen internationalen Forschungskontakte offenzulegen (Science) +++ Elsevier verliert den nächsten Großkunden, die University of California (Chronicle) +++ Italiens Bildungsministerium schickt angehende Lehrer zu einem Exorzismus-Crashkurs an eine päpstliche Hochschule (Daily Mail).
  
   
   
   
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Tanja Brühl wird Präsidentin der TU Darmstadt
Die TU Darmstadt hat Tanja Brühl an ihre Spitze gewählt. Die 49-jährige Konfliktforscherin folgt auf Jürgen Prömel, der das Amt seit 2007 ausübt. Brühl übernimmt die Aufgabe im Oktober. Leitungserfahrung sammelte sie unter anderem an der Goethe-Universität Frankfurt/Main, wo sie zwischen 2012 und 2018 als Vizepräsidentin für Lehre war. 

Helmholtz-Gemeinschaft rüstet sich zur Präsidentenwahl
Die Helmholtz-Gemeinschaft leitet die Kandidaten-Suche für die Präsidentenwahlen ein. Die Findungskommission ist gebildet. Ob Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler ab dem 1. September 2020 für eine weitere Amtszeit in dem Spitzenamt zur Verfügung stellt, lässt er offen (Wiarda-Blog).
 
Kerstin Kuchta wird Vizepräsidentin an der TU Hamburg
Das Führungsteam der Technischen Universität Hamburg Harburg formiert sich neu. Kerstin Kuchta wird im kommenden Monat Vizepräsidentin für Lehre. Die Ingenieurwissenschaftlerin folgt in dem Posten auf Sönke Knutzen und ist die Wunschkandidatin von Unipräsident Ed Brinksma.
 
Job: DKFZ sucht Kaufmännischen Vorstand
2 Nobelpreise, 3000 Beschäftigte aus fast 80 Nationen und ein Jahresbudget von 280 Millionen Euro – das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg ist eine Größe im deutschen Wissenschaftssystem. Jetzt sucht das DKFZ einen neuen Kaufmännischer Vorstand. Josef Puchta geht in den Ruhestand. Wer übernimmt die Nachfolge? „Bewerbungen von qualifizierten Interessentinnen“ sind „besonders erwünscht“, heißt es in der Stellenanzeige der aktuellen ZEIT. Nur zu, die Findungskommission wartet.
  
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
 
   
Liebe Frau Dr. acad. Sommer, 
seit gut einem Jahr bin ich Dekanin. In der Fakultät gibt es zwei Kollegen, die sich wegen aller möglichen Dinge ständig in die Haare kriegen. Die schlechte Stimmung färbt auf die gesamte Fakultät ab. Bin ich eigentlich in der Verantwortung, mit den "Streithähnen" zu reden? 
 
Liebe X,
allein dafür, dass Sie diese Frage stellen, haben Sie den Dr. acad. Sommer-Führungskräftepreis des Monats verdient. Weil es nicht selbstverständlich ist, dass Dekan*innen sich fragen, ob sie für Führungsfragen zuständig seien. Ja, bitte fühlen Sie sich zuständig. Der Blick ins Hochschulgesetz in Nordrhein-Westfalen liefert dafür exemplarisch eine formale Basis. Siehe § 27: "Die Dekanin oder der Dekan leitet den Fachbereich (...). Sie oder er (...) wirkt (...) darauf hin, dass die Funktionsträgerinnen und Funktionsträger (...) ihre Aufgaben wahrnehmen und die Mitglieder und Angehörigen des Fachbereichs ihre Pflichten erfüllen." Wer durch ständige Streitereien den Arbeitsfrieden stört, beeinträchtigt die Pflichterfüllung. Was können Sie tun? Hierzu folgende Impulse
 
Beraten Sie sich mit den Prodekan*innen und/oder der/dem Fakultätsgeschäftsführer*in. Machen Sie die Angelegenheit zu einer Aufgabe, die Sie gemeinsam zu lösen haben.
 
Notieren Sie für sich konkrete Situationen, in denen Sie den Streit der beiden erlebt haben. Was genau ist passiert? Bei welcher Gelegenheit? Welche negativen Auswirkungen hat die Streiterei auf den Arbeitsprozess? Und: Welches andere Verhalten der beiden wünschen Sie in den betreffenden Situationen stattdessen?
 
Führen Sie mit den zerstrittenen Kollegen vertrauliche Vier-Augen-Gespräche. Schildern Sie die Situationen, die Sie wahrgenommen haben. Machen Sie deutlich, dass Sie es als Teil Ihrer "Jobbeschreibung" sehen, im Konfliktfall aktiv zu werden und dass Sie am Ball bleiben werden. Und dass Ihnen an einer guten Arbeitsatmosphäre für alle gelegen ist. Vielleicht fragen Sie, was an Hilfestellung gebraucht würde, um die Situation im beiderseitigen Interesse zu lösen. Und wie Sie unterstützen können, die Situation zu deeskalieren. Und führen Sie diese Gespräche ggf. mit Verstärkung aus dem Dekanat.
 
Erwägen Sie, eine professionelle Konfliktbehandlung/Mediation hinzuzuziehen. Die kann Sie auf die Gespräche mit den Konfliktparteien vorbereiten, über ein mögliches Vorgehen mit Ihnen beraten oder die Gespräche mit den Konfliktparteien führen. Letzteres hat Signalwirkung in die Fakultät und unterstreicht, wie ernst Sie es meinen mit Ihrem Wunsch nach Beilegung der Streitereien.
 
Wurden Konflikte in Ihrer Fakultät bisher eher unter den Teppich gekehrt, leisten Sie damit wichtige Arbeit, um die Kooperationskultur ein großes Stück voranzubringen. Das wäre gut investierte Zeit für das gesamte Kollegium.
 
Dr. Ute Symanski, Köln, ist Hochschulberaterin und Coach und arbeitet mit Leitungspersönlichkeiten im Wissenschaftssystem. Sie schreibt für das Coachingnetz Wissenschaft als "Dr. acad. Sommer". Kontakt: www.hochschulcoaching.de  und www.coachingnetz-wissenschaft.de
   
 
   
 
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kotaktformular anonym eine Frage!
   
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Wir können keinen Schaum schlagen Die Wissenschaftsmoderatorin Mai Thi Nguyen-Kim dachte, dass das Geschlecht im Labor egal sei. Hier schildert sie, wie sie eines Besseren belehrt wurde

Es gilt das Prinzip der Bestenauslese Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, über eine Quote in der Wissenschaft Dem Zufall entrinnen Das Wissenschaftsmanagement ist weiblich. Warum wählen so viele Frauen diesen Weg? Hört uns zu! Internationale Wissenschaftlerinnen berichten, wie sie sich in einer Männerdomäne durchsetzen Geschlechterverhältnisse Wie weiblich ist die Wissenschaft? Bei Nobelpreisen und Erfindungen sind Frauen klar in der Minderheit. Aber es gibt auch Fächer und Länder mit einem hohen Anteil an Wissenschaftlerinnen 
 
Botschafter der Wissenschaft Die Informationszentren des Deutschen Akademischen Austauschdienstes werden aufgewertet

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Fußnote for Future
Morgen ist nicht nur Internationaler Frauentag, sondern auch Freitag. Höchste Zeit also, sich für den Umwelt- und Klimaschutz einzusetzen und die „Fridays-for-Future“-Bewegung zu stärken. Während Bundesministerin Anja Karliczek die engagierte Jugend an die allgemeine Schulpflicht erinnert (ZDF), lobt Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bewegung uneingeschränkt (Videobotschaft). Jetzt endlich beziehen auch Wissenschaftler Stellung – und bilden eine „Scientists for Future“-Initiative. Rund 700 Prominente und Forscher, darunter Hans-Joachim Schellnhuber, Claudia Kemfert und Ernst Ulrich von Weizsäcker, haben eine Petition unterzeichnet, in der sie „Achtung und volle Unterstützung für die Schüler“ fordern (Tagesspiegel). Die Zukunft sei ohne einen tiefgreifenden, konsequenten Wandel in Gefahr, heißt es zusammenfassend in dem Bericht, die gängigen Ernährungs-, Konsum-  Mobilitätsmuster müssten grundlegend geändert werden. Stimmt, wird der Soziologe Jürgen Gerhards jetzt vielleicht sagen und seine flammenden Plädoyers zum Abschied von der akademischen Konferenzfliegerei erneut hochhalten. Seine Initiative läuft auf mehreren Plattformen (Tagesspiegel, THE, LSE-Blog). Scientists for Future!
 
Christine Prußky
   
 
   
 
 
   
Wo ist nur die Woche geblieben?

Ihr CHANCEN-Team


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