| | © Matan Segev / pexels.com (https://www.pexels.com/u/matan-segev-188280/) | Ein Lieblingsszenario, als wir mit 15, 16 Jahren Kurzgeschichten für die Schülerzeitung schrieben, waren robotisierte Haushaltsgeräte oder andere Alltagsgegenstände, die ihre Besitzer in den Wahnsinn trieben und ihnen die Herrschaft über ihr Leben nahmen. Die Idee war schon damals nicht neu, wir hatten uns bei Stanisław Lem bedient, wenn ich mich richtig erinnere. Dass aber von allen gängigen Modellen einer bekloppten Zukunft ausgerechnet dieses Wirklichkeit werden würde, hätten wir nicht im Traum gedacht. Es waren die späten Achtziger. Selbst wer Zynismus zur Schau stellte (wie wir es gerade lernten), glaubte heimlich an den Vormarsch der Vernunft in der Welt. Der Kalte Krieg ging spürbar zu Ende, eine gewisse Arglosigkeit griff um sich. Klaus Meine von den Scorpions feilte schon an Wind of Change. Dass der windige Wandel dann doch nicht im großen Stil Frieden, Freiheit und Entspannung über die Menschheit bringen würde, sondern den globalen Fetisch der enthemmten Märkte und den durchgeknallten Panoptismus von Big Data, sah kaum einer kommen. Ein Paradies für Helikoptereltern Nun breitet sich also das Internet der Dinge aus. Armbanduhren zählen unsere Schritte und melden sie der Krankenkasse, Kühlschränke wollen uns beim Einkauf beraten. Alexa beherrscht 15.000 Skills und macht feuchte Stasi-Träume wahr. Für all das zahlen wir auch noch gerne selbst. Wer sich ausgiebiger gruseln will, dem sei das Kapitel 2025: A Day in the Life aus Samuel Greengards Standardwerk The Internet of Things empfohlen: fortschrittsfreudig gemeint und als Horrorvision auf etlichen Ebenen lesbar. Greengard schickt eine vierköpfige Familie – Mutter Ärztin, Vater Bullshit-Jobber („marketing executive for a large consumer products company„), zwei schulpflichtige Söhne – durch ihren lückenlos überwachten Tag. Da wird die Mutter mit einem „mild sensory alert“ vom eigenen Schlafanzug geweckt, während die Dusche schon mal mit der Kaffeemaschine die Zubereitung des Frühstückslatte abstimmt, und kontrolliert später in der Klinik am Bildschirm, dass alle Patienten die ihnen vom Smartphone vorgeschriebenen Pillen geschluckt haben. Der Vater als überzeugter Stubenhocker („John only occasionally heads out for appointments„) macht derweil Homeoffice mit „biometric authentification“. Und apropos home, apropos appointments und à propos authentification: Ist der Stubenhocker dann doch mal aus dem Weg, kann der 16-jährige Sohn nicht etwa endlich seiner ersten Liebe unbehelligt seine Gadget-Sammlung zeigen. So ein smartes Zuhause weiß genau, wer kommt und geht, und lässt niemanden ohne Gesichtserkennung rein. Das Internet der Dinge ist ein Paradies für Helikoptereltern. Idee für eine repetitive Sitcom des neuen Zeitalters: Wie und wo kann sich Mutti noch mit ihrem Geliebten treffen, ohne dass gleich alles auffliegt? Man mag erstaunlich finden, was Mikroelektronik und künstliche Intelligenz heute oder morgen schon alles möglich machen. Noch erstaunlicher aber scheint mir, was für ein infantilisierender, nervtötender Quatsch das meiste davon ist. Und wie unverhohlen fast alles auf Durchleuchtung, Gängelung und Uniformität abzielt; Uniformität natürlich im Gewand von Spotify stellt dir deine Playlist individueller zusammen, als DU SELBST es könntest und Die Kekse im Supermarkt lösen einen Hinweis auf deinem Gerät aus, weil DU PERSÖNLICH sie doch letztes Mal auch gekauft hast.
...
Den gesamten Freitext lesen Sie auf ZEIT ONLINE.
Sie wollen der Diskussion unter dem Text folgen? Hier geht es zum Kommentarbereich. |
|