Anja Karliczek | Ethik-Inspektion bei Volkswagen | 3 ½ Fragen an Sabine Kunst | Dr. acad. Sommer klärt über die Zweckbindung von Drittmitteln auf

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
Anja Karliczek soll neue Bundesbildungsministerin werden (ZEIT ONLINE). Anja wer? Mehr unter "Das ist wichtig". Außerdem im Programm: Der Volkswagen-Konzern ordnet für all seine Kooperationsprojekte eine Ethik-Inspektion an. Dr. acad Sommer klärt über die Zweckbindung von Drittmitteln auf, und Sabine Kunst verrät in den Dreieinhalb Fragen, wonach sie nach langen Sitzungstagen greift.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Anja Karliczek soll neue BMBF-Chefin werden
Gestern Nachmittag, kurze Telefonkonferenz des CHANCEN-Ressorts.
Redakteurin A: "Anja Karliczek. Huch? Ich musste erstmal googeln..."
Redakteur B: "Das ist em-pö-rend! Wider alle Versprechen, dass Bildung wichtig sei! Eine Frau aus der dritten Reihe! Keine fachliche Erfahrung! Was soll das!"
Redakteur C: "Proporzgründe. NRW wäre sonst zu schlecht in den Spitzengremien vertreten. Angeblich hat Armin Laschet sie platziert, und Karl-Josef Laumann. Der ist ihr Vorgänger in ihrem Wahlkreis."
Redakteurin A: "Ich konnte auf ihrer Website und in Interviews das Wort 'Bildung' nicht finden. Ob sie weiß, was die ExStra ist?"
Redakteur B: "Na toll, sie wird sich zwei Jahre einarbeiten müssen, bevor sie eigene Ideen entwickeln kann. In ihrem Wahlkreis gibt es nicht einmal eine Fachhochschule! So richtig weltläufig und international sieht es auch nicht aus. Ich sehne schon jetzt Johanna Wanka zurück."
Redakteurin A: "Kein Bildungsdünkel, bitte."
Redakteur D: "Gastronomin und Fernstudium in BWL. Ich wette, sie ist fleißig und neugierig."
Redakteur B: "In Berlin kennt sie kaum jemand. "
Redakteur D: "Bulmahn kannte anfangs auch niemand, und was hat sie sich am Ende nicht alles ausgedacht. Exzellenzen, Juniorprofs, sie war doch dann eine der erfolgreichsten Ministerinnen."
Redakteur C: "Ich dachte ja, es wird Spahn, dann hätte ich..."
Redakteurin A: "...immerhin das nicht!"
Redakteur B (gleichzeitig): "...ha, das wäre interessant gewesen!"
Redakteur C: "...jedenfalls wollte ich in der nächsten Ausgabe eigentlich schreiben, dass sich die CDU als Bildungspartei neu erfinden sollte. Ich ziehe den Vorschlag zurück."
Redakteur D: "Und jetzt?"
Redakteurin A: "Abwarten. Ich schreibe im CHANCEN Brief erstmal, dass wir noch ratlos sind."
  
 
 
Volkswagen überprüft Forschungsprojekte
Da rollt zusätzliche Arbeit auf Transfer- und Kooperationsbeauftragte zu: Nach dem Skandal um die Abgastests mit Affen (ZEIT, Deutsche Welle) will die Volkswagen AG jetzt sämtliche Forschungsprojekte (tagesschau) auf den Prüfstand stellen. Allein in Deutschland kommen demnach knapp 1300 Kooperationen mit mehr als 100 Hochschulen und mehr als 60 Forschungseinrichtungen in die Ethik-Inspektion. Ein externes Institut soll dabei überprüfen, ob die Projekte und Versuche den – Achtung! – moralischen Ansprüchen des Autobauers entsprechen.
  
 
 
Arbeitskampf an britischen Unis
Von Großbritannien lernen, heißt Streiken lernen. Im Kampf um ihre Renten haben Tausende Hochschullehrer kurz vor dem Wochenende die Arbeit niedergelegt (BBC, Guardian, FAZ). Rund 60 Hochschulen, darunter die Eliteunis Oxford und Cambridge, sind von dem zweitägigen Streik erfasst worden. Kurse für etwa eine Million Studierende fielen aus. Und das ist erst der Anfang. Bis Mitte März sollen weitere zwölf Streiktage folgen. Angeführt wird der vermutlich größte Arbeitskampf in der britischen Unigeschichte von der Dozenten-Gewerkschaft UCU mit Sally Hunt an der Spitze. Ihr Gegenspieler ist der Verband der Universitäten UUK. Er steht vor einem 6,9-Milliarden-Euro-schweren Defizit in der Rentenkasse und will das Loch über eine Privatisierung der Altersvorsorge stopfen. Die Rentenbeiträge der Professoren und Dozenten würden so an der Börse angelegt. Nach UCU-Angaben droht Hochschullehrern im Ruhestand damit ein Verlust von mehr als 11.000 Euro im Jahr. Großbritanniens Wissenschaftsminister Sam Gyimah ruft die Konfliktpartner zurück an den Verhandlungstisch. Der Druck zur Einigung ist hoch. Mehr als 80.000 Studierende wollen wegen der ausgefallen Stunden Gebühren zurück. Unterstützt wird die UCU unter anderem von ihrer deutschen Schwester, der GEW. Deren Vorsitzende, Marlies Tepe und Andreas Keller, reisen am Mittwoch zur  zentralen Demonstration nach London. Wer von Deutschland aus helfen will: die UCU hat eine Streikkasse
  
 
 
Hochschulpakt: Private gehen leer aus
Frisches Futter für die Hochschulpakt-Debatte. Dass das milliardenschwere Bund-Länder-Programm zur Studienplatzfinanzierung fortgesetzt werden soll, gilt mittlerweile ja als ausgemacht. Unklar ist allerdings, worauf dabei genau zu achten wäre. Dafür liefert Christiane Konegen-Grenier jetzt Input. Die Wissenschaftlerin am IW Köln stellt in einem Kurzbericht  fest, dass die meisten Länder die Hochschulpaktmittel für Privathochschulen zwar vom Bund vereinnahmen, das Geld dann aber nicht an die Privaten weiterreichen. 650 Millionen Euro wären diesen Hochschulen zwischen 2007 und 2015 so entgangen (PDF).
  
 
 
Von Monarchen, Klatsch und Drogen
Und jetzt noch ein Lektüretipp für alle, die schon immer wissen wollten, wie es im Berliner Wissenschaftskolleg wirklich zugeht. Rektor Lucca Giuliani lässt im Interview mit dem SZ-Journalisten Lothar Müller nichts aus und spricht über Monarchen, Feste, Klatsch und die Droge Arbeit (mehr).
  
 
 
 
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
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Milliarde Euro Gewinn machte der Wissenschaftsverlag Elsevier im Jahr 2017, knapp 70 Millionen mehr als im Vorjahr
 
Quelle: THE
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Prof. Dr. Sabine Kunst

Präsidentin der Humboldt-Universität Berlin
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Die Third Mission der Hochschulen ist keine Mission Impossible. Aus den Vorarbeiten für das künftige Humboldt-Forum nehme ich die Gewissheit mit, dass es im ureigenen Interesse der Institution Hochschule liegt, Lehre und Forschung als Kernaufgaben stärker als bisher von der gesellschaftlichen Verantwortung her zu denken, die wir tragen.
 
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Spitzenforschung lebt von funktionierenden Kooperationen, ob zwischen Universitäten, mit außeruniversitären Einrichtungen oder mit Fachhochschulen. Dafür braucht es einen jeweils angepassten organisatorischen Rahmen, damit sich die beteiligten Forscherinnen und Forscher auf ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit konzentrieren können und alle Beteiligten so gut wie möglich vor rechtlichen Risiken geschützt sind. Das ist keine Frage des Geldes, setzt aber Kreativität und guten Willen auf allen Seiten voraus.
 
Lektüre muss sein. Welche?
Kazuo Ishiguro: Was vom Tage übrig blieb. Ein Buch, das ich derzeit besonders gern nach langen Sitzungstagen zur Hand nehme.
 
Und sonst so?
„Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derjenigen, die die Welt nicht angeschaut haben.“ Dieses Zitat Alexander von Humboldt ist zwar nicht sicher belegt, mindestens aber gut erfunden.
 
   
   
 
 
   
   
   
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Dr. acad. Sommer
 
 
   
   
Die Finanzierung meiner Doktorandin läuft gerade aus. In einem anderen Drittmittelprojekt habe ich eigentlich noch Gelder übrig, aber die Verwaltung verbietet mir, sie aus diesem Topf zu bezahlen und spricht von „Zweckentfremdung der Mittel“. Ich habe schon hundertmal betont, dass es hier um eine talentierte Nachwuchswissenschaftlerin geht, aber das scheint niemanden zu interessieren. Wie kann ich mich hier gegen die Bürokratie durchsetzen?

Indem Sie die Regeln des Drittmittel-Spiels besser kennen und anwenden lernen. Denn die Verwaltung oder „die Bürokratie“ ist hier keinesfalls Ihre Hürde, sondern wahrscheinlich liegt hier ein grundsätzliches Missverständnis vor, das sich leicht aufklären lässt.
Machen Sie sich zunächst bewusst, was eigentlich ein Drittmittelprojekt ist. Eine Förderorganisation hat Ihrer Hochschule Gelder zugesagt, damit daraus ein ganz bestimmtes Projekt finanziert wird: mit festem Zeitrahmen, festem Budget, und – ganz wichtig – einem festgelegtem Inhalt. Drumherum steht meist ein dickes Regelwerk zu Zahlungstranchen, Berichtspflichten, Umgang mit nicht verausgabten Geldern, usw… Sie haben hier also das genaue Gegenteil von Spielgeld vor sich.
Jetzt zur Situation: Nennen wir das Projekt, in dem Ihre Doktorandin bisher gearbeitet hat, einmal HUMPTY. Daneben läuft noch ein zweites Projekt mit anderen Inhalten – nennen wir es DUMPTY. Sie argumentieren nun: Die HUMPTY-Gelder sind zwar alle, aber die Doktorandin ist mit ihrer vorgesehenen Arbeit im Projekt noch nicht fertig. Deshalb möchten Sie für ihren Arbeitsvertrag Gelder aus dem DUMPTY-Projekt nehmen. Die Mittelgeber erwarten allerdings explizit von Ihrer Hochschule, dass die HUMPTY-Gelder nur für HUMPTY eingesetzt werden, und die DUMPTY-Gelder nur für DUMPTY – selbst wenn dort vielleicht Personalmittel „übriggeblieben“ sind. Sie verstehen das Problem?
Möglicherweise gäbe es aber eine bestimmte Konstellation, die keine Zweckentfremdung der Mittel darstellt. Angenommen (!), Ihre Doktorandin hätte im HUMPTY-Projekt einige vielversprechende Ergebnisse produziert, die eine Querverbindung zum Projekt DUMPTY nahelegen, dann könnte es durchaus sinnvoll sein, wenn sie nach dem Ende ihrer HUMPTY-Arbeiten noch ein Jahr im Projekt DUMPTY mitarbeitet. Denn solange es den Zielen von DUMPTY dient, dürfen Sie vermutlich auch interessante Nebenaspekte weiterverfolgen (aber bitte immer vorausgesetzt, dass die Argumentation wahrheitsgetreu und realistisch ist). Wichtig ist also am Ende, dass die Drittmittel tatsächlich auch für den Zweck ausgegeben werden, für den sie bewilligt wurden.

Dr. Uli Rockenbauch ist Persönlicher Referent der Geschäftsführerin der Helmholtz-Gemeinschaft und berät die Scientific Community im ZEIT CHANCEN Brief als "Dr. acad. Sommer".
   
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym Ihre Frage!
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
   
Wenn niemand eingreift Nur zögerlich entwickeln deutsche Schulen Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch. Was hindert sie daran? 

»Das flößt Angst ein« Johannes-Wilhelm Rörig über sein zähes Ringen mit Kultusministern und Rektoren um die Prävention an Schulen Macht die Festanstellung faul? Jeder zehnte Arbeitnehmer ist befristet angestellt, bei den Nachwuchswissenschaftlern sind es sogar über 90 Prozent. Die große Koalition will die Befristungen nun einschränken. Vielleicht aber bringen gerade befristete Jobs das Beste in uns hervor – Kreativität, Ehrgeiz, Ideen. Vielleicht lehnt sich zurück, wer keinen Druck mehr hat. Oder? Zu kurz gedacht Die OECD gehe falsch mit ihren Pisa-Daten um, schrieb der Bildungsforscher Eckhard Klieme. Nun antwortet Andreas Schleicher

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 
Erin Bartram schrieb einen Abschiedsbrief an ihre Kollegen – und am Ende lasen ihn mehr als 80.000 Leute. Der ergreifende Essay zur Postdoc-Krise findet sich in Bartrams Blog, seine Geschichte und seine Folgen im Chronicle.

Quelle: Erin Bartram; Chronicle
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Kopf hoch!

Ihr CHANCEN-Team

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