Gibt es nach den
Olympischen Winterspielen in Pyeongchang Krieg in Korea? Die Spiele beginnen am Freitag dieser Woche. Bis zum 25. Februar werden sie die konfliktträchtige Krise in den Hintergrund drängen, die seit Monaten die Welt in Atem hält. Aber danach? Noch ist US-Präsident
Donald Trump unschlüssig. "Die Spiele werden sehr gut laufen, doch dann – wer weiß", sagte er. "Es ist eine recht verzwickte Situation. Vielleicht kommt ja etwas Gutes dabei heraus." Wenn jedoch nicht?
In seiner
langen Kongressrede zur Lage der Nation hatte Trump ein paar Tage zuvor nur wenige Sätze über die Korea-Krise verloren. Dabei prangerte er vor allem das "moralisch verkommene System" Pjöngjangs an: "Kein Regime unterdrückt seine Bürger so total und brutal wie die grausame Diktatur in
Nordkorea. Nordkoreas rücksichtsloses Streben nach Atomraketen könnte sehr bald unser Heimatland bedrohen. Wir üben derzeit maximalen Druck aus, um es dahin nie kommen zu lassen. Die Erfahrung lehrt, dass Selbstzufriedenheit und Zugeständnisse nur Aggression und Provokation auslösen. Ich werde die Fehler der früheren Regierungen nicht wiederholen."
"It won’t happen", hatte Trump zu Beginn seiner Amtszeit gesagt. Wird er nun losschlagen?
Das Wort Diplomatie kam in seinen Ausführungen nicht vor. Und kurz vor der Rede auf dem Kapitol hatte die Regierung die Nominierung von Victor Cha zum neuen Botschafter in Südkorea zurückgezogen. Der gebürtige Südkoreaner, Professor für Asienstudien an der Georgetown University, galt bislang als beinharter Hardliner. Doch die verhängnisvolle Absicht der Trump-Regierung, sich "alle Optionen" offenzuhalten, auch die einer militärischen Aktion, entsetzte ihn. "Der Einsatz militärischer Gewalt wird notwendig sein, um mit Nordkorea fertigzuwerden, wenn es zuerst angreift, nicht jedoch ein Präventivschlag, der einen Atomkrieg auslösen könnte."
Kims Lebensversicherung Cha hält es nur für logisch, dass Kim einen solchen Angriff den Amerikanern mit gleicher Münze heimzahlen würde. Das Argument, Tote "dort drüben" wären besser als Tote im US-Heimatland, weist er empört zurück. Nicht nur, weil Millionen von Südkoreanern im Schussfeld von 10.000 oder 12.000 nordkoreanischen Artilleriegeschützen liegen, sondern weil auch viele US-Amerikaner in Südkorea und in den USA gefährdet wären. Cha nahm kein Blatt vor den Mund: "Der Präsident würde das Leben einer Gruppe von Amerikanern in der Größenordnung der Einwohnerschaft von Pittsburgh oder Cincinnati aufs Spiel setzen."
Noch wartet Trump ab. Eine
neue Provokation Kim Jong Uns jedoch, weitere Raketentests oder gar ein Atomversuch, könnten ihn zu einer verhängnisvollen Tat verleiten – es sei denn, dass fortschreitende Entspannung zwischen den beiden Koreas auch einen direkten Dialog Washingtons mit Pjöngjang in Gang brächte. Dies setzt freilich die Bereitschaft der USA voraus, von der Forderung nach kompletter Entnuklearisierung Nordkoreas abzugehen und sich stattdessen auf einen
double freeze einzulassen: das Einfrieren des nordkoreanischen Atomprogramms und seines Kernwaffenarsenals unter schärfster internationaler Überwachung gegen das Einfrieren der gemeinsamen Militärmanöver Südkoreas und der Vereinigten Staaten.
Wir wissen nicht, ob sich Kim Jong Un darauf einlassen würde, den Ausbau seines Arsenals zu begrenzen, er betrachtet es als seine Lebensversicherung. Vor allem aber steht sehr dahin, dass Trump und seine Berater zum Einlenken bereit wären. Sie halten den nordkoreanischen Diktator nicht für einen rationalen Akteur. Vielmehr befürchten sie, dass er sie mit seinen Atomwaffen erpressen könnte, von ihren Verbündeten in Asien abzurücken, ja sogar, dass er Atomwaffen an andere Schurkenstaaten oder an nicht staatliche Extremisten verkaufen könnte.
Manche Beobachter sehen in der Abberufung Victor Chas einen klaren Hinweis darauf, dass der Präsident zum Krieg entschlossen ist. Indessen ist aus dem Umkreis des Weißen Hauses zu hören, dass ihm die Handlungsoptionen noch nicht ausreichen, die das Pentagon bisher ausgearbeitet hat. Am harmlosesten wäre wohl der Abschuss einer nordkoreanischen Testrakete, irgendwo über dem Pazifik; ein Fehlschlag wäre allerdings blamabel. Komplizierter noch wäre ein Abschuss in der Startphase. Und selbst der Einsatz der größten nicht nuklearen Bombe böte keine Garantie, dass Kims gesamtes Waffenarsenal und die Produktionsanlagen des Nordens verlässlich und vollkommen zerstört würden. Das Risiko eines nuklearen Vergeltungsschlages bliebe erhalten – und auf jeden Fall die Gewissheit einer verheerenden Antwort der nordkoreanischen Artillerie, solange es noch unmöglich ist, sie mit Schwärmen von Drohnen auszuschalten.
Von "lausigen Optionen" spricht Victor Cha. Die klassische Strategie der Abschreckungs- und Eindämmungspolitik hält er, wiewohl politisch und technisch verstärkungsbedürftig, nach wie vor für richtig.
Donald Trump wartet erst einmal ab.
"We ran out of road", sagt er,
"we have no road left." Er fühlt sich in der Sackgasse. Nach den Olympischen Winterspielen wird er sich entscheiden müssen: Entweder für militärische Gewalt – dann wehe uns allen. Oder das Problem doch lieber auf die lange Bank der Diplomatie schieben – was ein Sieg der Vernunft wäre. Den Militärs bliebe der Auftrag, der Diplomatie Zeit zu kaufen. Dafür gibt es keine Orden, doch es ist nicht minder verdienstvoll.