| | © Christof Stache/AFP/Getty Images | Es ist bereits ein paar wenige Wochen her, dass der CSU-Politiker Alexander Dobrindt „eine konservative Revolution der Bürger“ eingefordert und angekündigt hat, die endlich mit einer vermeintlichen „linken Revolution der Eliten“ (gemeint ist die Achtundsechziger-Bewegung, deren letzte Vertreter heute längst im Rentenalter sind) aufräumt. Aber schon ist sie wieder vergessen. Das ist seltsam, hält man sich vor Augen, dass eine Revolution ein radikaler, abrupter, oft auch gewaltsam herbeigeführter struktureller Systemwandel ist. Aber so sind Revolutionen heute offenbar: Sie verpuffen, kaum dass sie ausgerufen sind. In unserer von Kommerz und Populismus geprägten Gegenwart gehört das Wort ohne Zweifel zu den beliebtesten Hohlwörtern. Hohlwörter funktionieren wie Gussformen. Sie lassen sich mit allen möglichen Bedeutungen für alle erdenklichen Zwecke füllen. Der Gerätepark zum Beispiel, der uns umgibt und ohne den wir längst nicht mehr überleben können, wird ständig revolutioniert. Von der Computerentwicklung über die Autoindustrie bis zum neuesten Rasierer – eine Revolution jagt die andere. Und wie bei Revolutionen üblich, soll, was gerade noch seinen Nutzen erfüllte, mit einem Schlag nutzlos geworden sein und möglichst sofort ersetzt werden. Dasselbe gilt fürs Kochen, fürs Abnehmen, fürs Fitnessprogramm. Im Körper- und im Technologiebereich ist anscheinend jene permanente Revolution Wirklichkeit geworden, die einst Leo Trotzki, dem bolschewistischen Revolutionär und Gegenspieler Josef Stalins, als Ziel vor Augen stand. Die Rede von der Revolution meint in diesem Zusammenhang selbstverständlich nicht die radikale Umwälzung eines Gesellschaftssystems. Sie hat in erster Linie Atmo-Qualitäten. Atmo ist ein Begriff aus der Tongestaltung bei Film, Funk und Fernsehen. Dabei handelt es sich um diffuse Hintergrundgeräusche, die einen Raum- und Umwelteindruck vermitteln sollen. Atmos sind wichtig in einer Öffentlichkeit, die am Tropf der massenmedialen Verbreitung hängt. Wer heute Revolution sagt oder auf Reklameflächen schreibt, will vor allem ein Gefühl vermitteln. Dabei geht die Botschaft, also das, worin die radikale Umwälzung angeblich bestehen soll, über das Niveau eines vagen emotionalen Appells nicht hinaus. Der Begriff suggeriert eine Art Passion, Euphorie, Aufbruch zu etwas irgendwie Fortschrittlichem, verwegen Neuem und Unverzichtbarem, an dem man unbedingt und um jeden (Kauf-)Preis teilhaben muss. Seine ursprüngliche Bedeutung aber ist verwässert und entwertet zu einer Angelegenheit, die angeblich durch den Konsum bestimmter Produkte zu haben und zu befriedigen sein soll. Schein- und Pseudodebatten Vergleichbares geschieht auch in der Politik. Wenn Dobrindt von einer konservativen Revolution redet, erzeugt und bedient er vor allem ein nebulöses Gefühl des kulturellen Unbehagens. Der Raum- und Umwelteindruck, den er als Atmo beschwört, ist der einer durch Überfremdung bedrohten, sogenannten Heimat. Worum es dabei in Wahrheit geht, hat mit Umwälzung nicht das Geringste zu tun, aber mit Wählerstimmen: Gemäß dem alten Franz-Josef-Strauß-Diktum, rechts von der CSU dürfe es keine Partei geben, möchte Dobrindt nichts weiter als eine Stimmung schaffen, die das Aufbruchs-, Protest- und Rebellionspathos aus dem AfD- und Pegida-Kontext ins eigene Parteiprofil einzubinden versucht. Der Begriff Revolution aber verliert auf diesem Weg jegliche politische Substanz, dient nur noch als eine Art Geschmacksverstärker für alte CSU-Forderungen wie die Flüchtlingsobergrenze, die Aussetzung des Familiennachzugs und die Verschärfung der Abschiebepraxis.
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