Freitext: Adriana Altaras: Es lebe die Unsicherheit

 
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28.12.2017
 
 
 
 
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Es lebe die Unsicherheit
 
 
Jede Menge Glück? Mehr Geld? Oder wird es anstrengend? Es ist ungewiss, was das neue Jahr bringt. Vielleicht kann man schnell selbst etwas tun, um 2018 zu beeinflussen.
VON ADRIANA ALTARAS

 
© Allef Vinicius/Unsplash
 
„Zwischen den Jahren treffen wir uns.“ Genau genommen wäre das dann die Minute zwischen dem 31. Dezember um 24 Uhr und dem 1. Januar um 0.01 Uhr. Gemeint sind natürlich die Tage zwischen Weihnachten und Silvester. Genauer bis zum 6. Januar. Aber zwischen den Jahren heißt natürlich viel, viel mehr. Es ist die schwebende Zeit zwischen Ende und Neuanfang, zwischen Resignation und Hoffnung, alt und neu usw., usw.
 
Dieser Zustand beginnt im Grunde schon Anfang Dezember. Die Zeit der Rückblicke hält Einzug. War es ein gutes Jahr? Besser oder schlechter als gedacht? Sportereignisse werden aufgezählt, es wird der blutigen Attentate gedacht, der Toten und der Gewinner des fast vergangenen Jahres. Die Betriebe laden zu den Weihnachtsfeiern ein, Glühwein und kleine Affären. Da werden keine Kosten und Mühen gescheut, um das Personal, das sonst übers Jahr nach allen Regeln der kapitalistischen Kunst ausgebeutet wird, zu entlohnen, bei Sternanis und Zimt.
 
Auch ich bin schrecklich nervös. Was wird mir das neue Jahr bringen, und kann ich mich schon von dem vergangenen trennen? Wird es Glück und Geld bringen oder einfach nu­r noch anstrengender werden? Die Bundesregierung scheint in einem ähnlichen Dilemma zu stecken. Es wird verhandelt und geredet, was das Zeug hält, aber es kommt zu keiner Entscheidung. Das Alte will man auf keinen Fall mehr, aber das Neue auch nicht …
 
Es wird zu Spenden aufgerufen, und Bilder von gestrandeten Geflüchteten schmücken die Titelseiten der Magazine. Wie viele Tote liegen im Mittelmeer? Mehr als im Vorjahr? Wie viele Hungerstote haben die reichen Länder auf dem Gewissen? Und schmeckt dann noch die Weihnachtsgans? Wird schon in diesem Jahr die Luft dünn, das Wasser knapp und werden die Eisberge geschmolzen sein? Oder doch erst im nächsten?
 
Die Statistiken machen mich fertig, der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt zwischen Betonpollern gegen erwartete Anschläge schmeckt schal. Das rote Samtkleid im KaDeWe lasse ich deprimiert hängen.
 
Macron ist sehr jung und hat eine sehr viel ältere Frau.
 
Frau Le Pen ärgert sich.
 
Herr Weinstein, Herr Levine und Herr Spacey und viele weitere haben ausgezockt.
 
In Manchester passiert ein Attentat, in Afghanistan auch.
 
Dieser geschmacklose Amerikaner überrascht weiterhin mit schrecklichen, profilneurotischen Entscheidungen.
 
Der kleine mächtige Russe hält dagegen.
 
Es gibt überraschenderweise noch keinen Krieg.
 
Da hilft nur erfrischender Aberglaube, also Bleigießen.

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