| Guten Morgen, | | | | Sigrid Neudecker / Foto: Gretje Treiber | |
gestern schrieben wir darüber, wie man zu Weihnachten anderen Menschen eine Freude machen kann. »Die Idee mit der Tafel-Mitarbeit geht mir schon länger im Kopf herum«, schrieb uns dazu unser treuer Leser Jens Z., »egal, ob es weihnachtet oder nicht. Irgendwann werde ich dabei sein.«
Herr Z. hat recht. Man muss nicht auf den 24. Dezember warten, um ein bisschen nett zu anderen zu sein. Genauso wie man nicht zwischen Weihnachten und Neujahr dick wird, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten, hat man in Wirklichkeit jedes Jahr 365 Tage Zeit, um seinen Mitmenschen das Leben ein bisschen angenehmer zu machen.
Und manchmal wäre das unglaublich einfach. Unlängst stand ich in meinem Stammsupermarkt hinter einer Dame, die den Pfandautomaten mit ihren Flaschen fütterte. Eine wurde von dem Gerät verweigert, worauf sie die einfach daneben auf den Boden stellte. Meinen (falsch-)freundlichen Hinweis, sie habe da eine Flasche vergessen, beantwortete sie mit: »Die kann das Personal wegräumen.«
Drei Minuten später stand neben mir an der Wursttheke eine andere Dame, der bei ihrer gesamten Interaktion mit der Verkäuferin kein einziges »Bitte« oder »Danke« über die Lippen kam. Von einem freundlichen Gruß wollen wir hier ja schon gar nicht mehr sprechen. Doch sogar auf ein nettes Angebot der Wurstfacharbeiterin antwortete die Kundin nur mit einem kurz angebundenen »Nein«.
Stellen Sie sich jetzt bitte einmal vor, jemand würde Ihnen auf sehr freundliche Weise etwas anbieten. Und jetzt versuchen Sie, darauf einfach nur mit »Nein« zu antworten. Geht nicht, oder? Es rutscht immer ein »... danke« hinterher, ob Sie wollen oder nicht.
Beide Damen waren übrigens, positiv formuliert, im besten Alter, und man kann nur hoffen, dass sie wenigstens ihren Kindern und Kindeskindern beigebracht haben, Bitte und Danke zu sagen und ihren eigenen Dreck wegzuräumen. Sie hatten auch keinen besonders schlechten Tag, ich habe genau nach Anzeichen für Trauer, Krankheit oder ein besonders hartes Leben gesucht. Da war nix.
Die Verkäuferin hinter der Theke zeigte zu alldem ein Pokerface. Sie ist es wahrscheinlich gewöhnt, den ganzen Tag so unhöflich behandelt zu werden. Erst als Madame Muffel weg war, erzählte sie, dass Kunden oft auch einfach nur auf eine Wurst deuten und dazu »Wasn das?« blöken würden. Ganz spurlos geht eine solch unfreundliche Behandlung also doch nicht an ihr vorüber. Würde sie allerdings mit einem ähnlichen Spruch reagieren, hätte sie sicher sofort ihren Filialleiter am Hals.
Deshalb habe ich für mich beschlossen, beim nächsten Mal an ihrer Stelle etwas zu sagen. 60-jährige Frauen können zwar nicht mehr erzogen werden, aber wehrlosen Wurstverkäuferinnen macht man damit vielleicht eine kleine Freude, »egal, ob es weihnachtet oder nicht«.
G20-Öffentlichkeitsfahndung: Mitgefangen, mitgehangen?
Die bundesweite Fahndung der Soko »Schwarzer Block« hat, wie angekündigt, gestern begonnen: 104 Personen stehen nun als »Unbekannte Täter« mit Fotos im Netz, weil sie im Zuge der G20-Proteste straffällig geworden sein sollen – etwa indem sie angeblich Flaschen geworfen oder Läden geplündert haben, aber auch, weil sie bei Ausschreitungen anwesend waren, was neuerdings bereits als Landfriedensbruch gilt. Nun hofft die Polizei auf Hinweise der Bevölkerung, die das bestätigen sollen. »Wir sind im Moment im Stadium des Anfangsverdachts«, erklärt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Heißt: Es werden Menschen mehr oder weniger eindeutig erkennbar als angebliche Täter präsentiert, die Ausschreitungen womöglich nur am Rande miterlebt haben. »Völlig unverantwortlich« findet das Henning von Stoltzenberg vom Bundesvorstand der Roten Hilfe. Menschen so an den Pranger zu stellen könne sie den Job kosten, selbst wenn ihnen nie eine Straftat nachgewiesen werden sollte. »Wir raten den Betroffenen, unverzüglich rechtliche Konsequenzen zu prüfen«, sagt von Stoltzenberg. Wer sich erkenne, solle anwaltlichen Beistand suchen. Die Polizei sieht die Aktion dagegen auf der juristisch sicheren Seite. Man habe jeden Einzelfall einem »akribischen Prüfungsprozess« unterzogen, erklärt Abbenseth – und die Fotos erst öffentlich gemacht, als Ermittlungsschritte wie Zeugenbefragungen oder eine interne Fahndung erfolglos geblieben waren. Zu Recht? Die Ermittlungsrichter sehen es wohl so: Laut Staatsanwaltschaft gaben sie 104-mal grünes Licht. |
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