Donald Trump hat sein Wahlversprechen gehalten: In der vergangenen Woche hat er
Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt und angekündigt, die US-Botschaft dorthin zu verlegen. Ein Chor der Beschwichtiger tönt jetzt, diese Entscheidung ändere doch so gut wie nichts an den realen Verhältnissen. Er hat recht und unrecht zugleich.
Es stimmt, die
Friedensverhandlungen im Nahen Osten sind schon lange mehr oder weniger tot. Trotz Sondergipfeln, Sonderbotschaftern, Chefsachen-Erklärungen und rastloser Pendeldiplomatie – in den vergangenen 15 Jahren hat sich zwischen Israelis und Palästinensern so gut wie nichts mehr bewegt. Schuld daran sind beide Seiten, sie haben all die Zeit keine Gelegenheit ausgelassen, um weiteres Misstrauen zu säen.
Die Palästinenser schwören nun Rache, die
arabischen Staaten sind wütend. Doch es ist eher unwahrscheinlich, dass die Palästinenser nach Trumps selbstherrlichem Alleingang nun für längere Zeit zur Gewalt greifen und
eine dritte Intifada gegen die israelischen Besatzer entfachen. Sie werden dafür auch kaum Unterstützer unter den arabischen Staaten finden. Ägypten, Saudi-Arabien, die Golfstaaten, Syrien und Jordanien haben derzeit ganz andere Sorgen.
Außerdem: Für Israelis ist Jerusalem schon seit 1950 ihre Hauptstadt. Sie haben im Westteil die Knesset, ihr Parlament, errichtet. Dort haben auch der Präsident, der Premierminister und die gesamten Regierung ihren Amtssitz. Im Sechstagekrieg von 1967 hat Israel überdies den Ostteil Jerusalems okkupiert und mit dem sogenannten Jerusalem-Gesetz von 1980 annektiert. Darin erklärt die Knesset das "vollständige und vereinigte Jerusalem" zur ewigen Hauptstadt Israels.
Schließlich: Bereits 1995 beschloss der amerikanische Kongress, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Einmal im Amt, haben Trumps Vorgänger diesen Schritt allerdings nicht mehr ernsthaft erwogen. Alle machten sie stattdessen von jener Klausel Gebrauch, die es ihnen erlaubt, den Umzugsbeschluss von 1995 alle sechs Monate um ein weiteres halbes Jahr zu verschieben.
Damit hielten sich Amerikas Präsidenten an die UN-Sicherheitsratsresolution 478, die Israels faktische Einverleibung des östlichen Teils von Jerusalem für "null und nichtig" erklärte. Der endgültige Status der Stadt, so der internationale Konsens, sollte bis zum Abschluss eines Friedensvertrags zwischen Israelis und Palästinensern offenbleiben.
Denn Jerusalem reklamieren auch die Palästinenser für sich, als Hauptstadt eines eigenständigen palästinensischen Staates im Ostteil der Stadt. Für alle drei monotheistischen Religionen hat Jerusalem eine überragende Bedeutung.
Mit Trump werden die Friedenspläne Makulatur Nach der christlichen Bibel hat Jesus hier gewirkt, soll er hier gekreuzigt worden und wiederauferstanden sein. Daran erinnert die Grabeskirche in der Altstadt.
Für Juden ist Jerusalem unverzichtbar, weil der jüdische König David den Ort um 1000 vor Christus zur Hauptstadt seines Reiches machte. Sein Sohn ließ hier den ersten Tempel bauen, der zerstört wurde. Die Klagemauer, eine der wichtigsten religiösen Stätten des Judentums, ist ein Überbleibsel des zweiten, wiederum zerstörten Tempels.
Für Muslime ist Jerusalem heilig, weil ihr Prophet Mohammed vom Felsen auf dem Tempelberg zum Himmel aufgestiegen sein soll. Hier stehen der Felsendom und die Al-Aksa-Moschee, die drittwichtigste Moschee des Islams.
Wie kompliziert und verworren die Lage ist, demonstrieren die vielen Entwürfe für einen Frieden und eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten. Sie gingen bislang regelmäßig auch von einer Teilung Jerusalems aus. Den Westen der Stadt sollten die Israelis behalten, den Osten die Palästinenser zurückbekommen. Damit jede Religionsgemeinschaft nach der Trennung ihre Heiligtümer in Besitz nehmen und diese auch reibungslos erreichen kann, haben die Friedensarchitekten komplizierte Pläne aus Tunneln, Zuwegen und Kontrollposten gezeichnet.
Mit Trump werden nicht nur diese Pläne Makulatur, sondern auch die Idee einer geteilten Hauptstadt. Zwar hält er nach außen immer noch an einer Zweitstaatenlösung fest, solange sich beide Parteien einigen könnten. Aber seine Entscheidung wird Fakten schaffen, die beides unmöglich machen: zwei unabhängige Staaten – und ein zwischen Israelis und Palästinensern geteiltes Jerusalem. Trump manifestiert das Recht des Stärkeren – und die Stärkeren in diesem Kampf um die Zukunft Palästinas sind die Israelis.
Trump hat seine Erklärung und die Ankündigung des Umzugs an keine Bedingung geknüpft; Israels Schutzmacht Amerika hat der Regierung Netanjahu die Hauptstadt
sozusagen bedingungslos geschenkt. Weder hat Trump im Gegenzug einen Baustopp israelischer Siedlungen im von Israel okkupierten Ostteil Jerusalems und die Zustimmung zu einem Friedensplan gefordert noch hat Trump gesagt: Okay, wir ziehen mit unserer Botschaft in den Westteil Jerusalems, aber zugleich errichten wir – als symbolischen Akt – im Ostteil eine Botschaft für einen zukünftigen palästinensischen Staat.
Die bedingungslose Geste wird Israels hartbeinigen Premier Benjamin Netanjahu leider ermutigen, so weiterzumachen wie bisher. Seine Regierung wird weiter die Grundstücke von Palästinensern im Ostteil Jerusalems enteignen und den Gürtel jüdischer Siedlungen um die Stadt immer enger schließen.
Neue jüdische Siedlungen werden auch weiterhin jenseits von Jerusalem sprießen, im Westjordanland. Sie werden einen zusammenhängenden palästinensischen Staat ein für allemal unmöglich machen. Kaum hatte Trump Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärt, kündigte Netanjahu bereits an, im Osten Jerusalems Tausende neue Wohnungen für jüdische Siedler zu bauen.