Während Europa im Streit um Flüchtlinge zu zerbrechen droht, versinkt ein Land im Nahen Osten in einem tödlichen Krieg. Ja, auch Syrien. Hier aber ist die Rede vom Krieg im Jemen, wo unzählige Menschen auf der Flucht sind und wo der Kampf um die Hafenstadt Hudaida gerade die Versorgung von Millionen bedroht.
Schon jetzt herrscht nach drei Jahren Krieg Hunger im Land, bis zu 30 Millionen Menschen hängen von humanitärer Hilfe ab. In Deutschland ist es üblich geworden, den Jemen-Krieg mit dem kurzen Hinweis, die Saudis seien an allem schuld, aus der Aufmerksamkeitsspanne wegzuklicken. Doch die Wahrheit ist komplizierter. Die Saudis tragen Mitschuld, aber es war von Beginn an ein internationaler Stellvertreterkrieg, ein Stammeskrieg, ein Interventionskrieg – und ein Krieg gegen Terrorismus.
Wie immer haben viele Staaten ihre Finger im Spiel, doch die Hauptspieler kommen aus dem Nahen Osten. Es sind Saudi-Arabien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).
Die VAE haben den Krieg verschärft Reden wir über letztere zuerst, nicht nur, weil sie der überraschende dritte Interventionsstaat sind. Die VAE führen derzeit die Offensive gegen die wichtige Hafenstadt Hudaida an. Sie wollen die strategisch gelegene Stadt, über die Millionen Jemeniten versorgt werden, den Huthis abnehmen. Diese schiitischen Stämme kämpfen mit ihren sunnitischen Verbündeten gegen die jemenitische Regierung und haben erhebliche Teile des Landes besetzt.
Die VAE sehen in den Huthis eine Bedrohung – weil sie Schiiten sind und weil der Iran hinter ihnen steht. Doch hat das Eingreifen der VAE den Krieg im Jemen verschärft. Militärisch haben die Emiratis bisher nicht nur die international anerkannte Regierung unter Präsident Hadi unterstützt, sondern auch lokale Clans und Milizen, darunter Al-Hirak, eine sezessionistische Bewegung im Süden. Fragt man offizielle Emiratis danach, betonen sie vor allem die 3,7 Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe, die sie bisher im Land geleistet haben.
Ob der Iran auch humanitäre Hilfe leistet, darüber macht Teheran keine Angaben. Fest steht aber, dass der Iran die aufständischen schiitischen Huthi-Milizen mit Waffen und Raketenbauteilen unterstützt und diese durch Agenten der proiranischen Hisbollah ausbilden lässt. Vor allem aber liefert der Iran Minen, mit denen die Huthis ganze Landstriche komplett unbewohnbar machen. Die wilde Verminung des Jemen ist langfristig wohl das schlimmste völkerrechtliche Verbrechen.
In der saudischen Hauptstadt Riad schlagen regelmäßig Raketen iranischer Bauart ein, Absender sind die Huthis. Die Saudis sind von diesem Krieg unmittelbar betroffen, haben aber auch sehr viel dafür getan. Am Anfang bestand die saudische Rolle noch in der Vermittlung zwischen Demonstranten und dem inzwischen von den Huthis ermordeten Herrscher Salih.
Der saudische Kronprinz hat sich verrechnet Doch nach dem Eroberungszug der Huthis sind die Saudis zur direkten Interventionsmacht geworden. Sie sagen, sie stützten nur den jemenitischen Präsidenten. Doch mit dem Flächenbombardement in Städten, der Seeblockade gegen die Huthi-Gebiete, der Unterstützung von zweifelhaften Milizen, die andere als Terroristen bezeichnen, hat Saudi-Arabien entscheidend zur humanitären Katastrophe im Jemen beigetragen.
Der ehrgeizige saudische Kronprinz hat sich verrechnet, als er dachte, er könnte mit massiver Luftüberlegenheit diesen Krieg gegen die Huthis schnell gewinnen. Doch die Verengung auf das saudische Problem wird dem komplexen Bild im Jemen nicht gerecht.
Längst suchen die Saudis nach dem Notausgang im Jemen, während die VAE den Rückeroberungskrieg gegen die Huthis verstärken. Auch bei der Offensive gegen die Versorgungsstadt Hudaida sind die Emiratis die treibende Kraft. Eine Politik, die den Jemen befrieden will, muss also viel stärker in Abu Dhabi, aber auch bei den Huthis und in Teheran ansetzen.
Genau das tut der UN-Vermittler Martin Griffiths gerade. Ihm ist es gelungen, in Verhandlungen mit den Kriegsparteien die Offensive in Hudaida zumindest zu unterbrechen. Lokale Waffenstillstände sind das Beste, worauf man derzeit im Jemen hoffen kann.