| Nachbarschaftspreis: Ja. Seehofer: Nein Sieben Hamburger Projekte sind beim diesjährigen Nachbarschaftspreis der Stiftung nebenan.de nominiert (wir berichteten), sie alle setzen sich für ein positives, gesellschaftliches Miteinander ein. Schirmherr des Preises ist Innenminister Horst Seehofer – zum Ärger vieler Nominierter. Das Berliner Projekt »Moabit hilft« hat bereits die Nominierung abgelehnt. Auch Beteiligte der Hamburger Projekte stimmt die Schirmherrschaft nachdenklich. Die Flüchtlingshilfe Harvestehude distanziert sich in einem Schreiben von Seehofer, »der Europa als Festung abschotten möchte, Menschen als zweitklassig deklariert und Seenotretter kriminalisiert«. Solle es zu einem Treffen kommen, wolle man ihm gegenüber persönlich dessen Politik angemessen kritisieren. Die Nominierung selbst schätzt das Projekt aber als Zeichen der Wertschätzung der eigenen Arbeit. So sehen das auch die Beteiligten von Welcome Dinner, Werkstatt ohne Grenzen und Wohnbrücke – Preis: ja, Seehofer: nein. »Wir wollen zur Integration beitragen und bedauern, dass es eine Polarisierung in der Gesellschaft gibt, die von Einzelnen vorangetrieben wird. Wir streben ein gutes Miteinander aller sozialen Gruppen an«, erklärt Sven Sieg von der Wohnbrücke Hamburg. Aber diese Arbeit benötige Aufmerksamkeit, eine Finanzierung. »Solche Preisgelder sind wichtig für den Fortbestand unserer Projekte. Es hilft nicht, zurückzuziehen, wenn am Ende das Geld fehlt und unsere Arbeit eingestellt werden muss«, meint auch Gabi Schultz vom Projekt Werkstatt ohne Grenzen. Der Bundesinnenminister sei zuletzt durch diverse Aussagen negativ aufgefallen, so David Burckhardt, wenn er sich jetzt als Schirmherr aber hinter Projekte wie das Welcome Dinner stellen wolle, dann befürworte man das. »Wir würden ihn direkt einmal einladen, selbst Gastgeber eines Welcome Dinners zu sein. Das wäre eine gute Chance für ihn, sich einmal mit den Menschen persönlich auszutauschen und sich nicht nur mit Statistiken, sondern mit Einzelschicksalen zu befassen.«
»Bei zunehmenden Temperaturen steigt das Aggressionspotenzial« Erhitzte Gemüter, kochendes Blut, Hitzkopf – steigen die Temperaturen, wächst auch das Aggressionspotenzial. Studien belegen das. Darf man sich bei dieser Hamburger Hitzeperiode überhaupt noch auf die Straße trauen, ohne Gefahr zu laufen, in Pöbeleien zu geraten oder gar in eine Prügelei verwickelt zu werden? Wir haben bei Ulrich Wagner nachgefragt, Professor im Fachbereich Psychologie am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg. Elbvertiefung: Herr Wagner, was machen Temperaturen über 30 Grad mit dem Gemüt? Ulrich Wagner: Hitze belastet uns sehr. Die wenigsten Menschen fühlen sich bei hohen Temperaturen wohl. Und dieses Unwohlsein kann zu Reaktionen führen, die wir nicht unmittelbar erwarten. Wir laufen zum Beispiel Gefahr, schneller aggressiv zu reagieren als bei kühleren Temperaturen. EV: Bei Hitze kocht sozusagen das Blut? Wagner: Bei hohen Temperaturen kommen wir Menschen in einen sogenannten aversiven Zustand. Es ist unangenehm, man selbst ist reizbarer. Ich sitze zum Beispiel gerade in meinem Büro bei geschätzten 45 Grad. Würde jetzt jemand reinkommen und eine eher ambivalente Bemerkung machen, könnte es, wäre ich mir nicht bewusst, woher dieser Zustand kommt, passieren, dass ich mein unangenehmes Gefühl dieser Bemerkung zurechne und aggressiv reagiere. Lässt sich der andere darauf ein, schaukelt es sich hoch. Die Gefahr besteht also in der Fehlzuschreibung eines körperlichen Unwohlzustands auf den Interaktionspartner. EV: Dabei sollte man denken, dass die Hitze eher schlapp macht ... Wagner: Bei extremer Hitze, wenn man gar nicht mehr zurechtkommt, ist das so. Dann nimmt zumindest die physische Aggressivität, nehmen also Prügeleien wieder ab. Man muss sich das so vorstellen: Es gibt einen mittleren Bereich, in dem es für den Menschen angenehm ist. Wird es kühler, nimmt die Aggressionsbereitschaft auch ein wenig zu, aber nicht so wie bei steigenden Temperaturen. Ist es extrem heiß, nimmt die Aggression wieder ab. EV: Puh. Ab welchen Temperaturen wird’s denn brenzlig? Wagner: Das hat auch etwas mit Gewohnheiten zu tun. Konkrete Angaben im Sinne von: ab 29 Grad wird es gefährlich, kann man daher nicht machen. Menschen in wärmeren Ländern reagieren auf hohe Temperaturen gelassener. Aber: Immer dann, wenn der Körper besonders reagieren und sich anstrengen muss, wir das auch so erleben, ins Schwitzen kommen, ist die Gefahr von Aggression höher. EV: Hitze allein ist also nicht der Übeltäter? Wagner: Diese Fehleinschätzungen passieren auch in anderen Kontexten. Zum Beispiel wenn man die Treppe hochhetzt, weil man zu spät dran ist für eine wichtige Sitzung und aufgeregt ist, dann aber jemand querkommt und einen anquatscht, dann ist die Gefahr da, dass man denjenigen anpöbelt. EV: In warmen Ländern gibt es die Siesta. Wäre es auch für uns Hamburger während dieser Hitzeperiode eine Option, die Aggression wegzuschlafen? Wagner. Ja. Sicherlich wäre es eine gute Idee, nicht in der Mittagszeit auf der Straße zu sein, sondern sich zurückziehen, auszuruhen. Alles, was das Wohlbefinden steigert, hilft, mit der Situation zurechtzukommen. |
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