| | | | | »Ein Knast ist auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft«
Brauchen Hamburgs Gefängnisse eigene Seniorenabteilungen? Das glaubt zumindest die FDP, die angesichts des demografischen Wandels altersgerechte Einrichtungen hinter Gittern fordert. Wir haben uns bei René Müller, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbands Hamburgischer Strafvollzugsbediensteter, erkundigt, ob ein Altenheim hinter Gittern wirklich nötig wäre. Elbvertiefung: Herr Müller, brauchen Sie Seniorenabteilungen? René Müller: Das wurde immer mal wieder angedacht. Als wir noch nicht so überbelegt waren, wurde diskutiert, eine geriatrieähnliche Station einzurichten, so etwas gibt es bundesweit ja bereits. Aber jetzt haben wir die Haftplatzkapazitäten überhaupt nicht, und schon gar nicht das nötige Personal, weder Krankenpflegepersonal noch im Vollzugsdienst. Und da sehe ich in den nächsten Jahren auch keine Erholungsphase. EV: Aber die Gesellschaft wird älter, spiegelt sich das nicht auch in der Belegschaft eines Gefängnisses wider? Müller: Das ist wie draußen. Ein Knast ist auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Straffällige sind zwar eher zwischen 20 und 50 Jahre alt. Aber wir haben auch welche, die zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden und die dann bei uns in ein Alter kommen, in dem sie eventuell betreut werden müssen. Irgendwann wird das ein Problem werden. Aber momentan ist die Lage in Hamburg noch relativ entspannt. EV: Laut Senat sind von 1967 Inhaftierten nur 79 über 60. Die Justizbehörde meint, wenn Gefangene Pflege benötigten, könnten dies die JVA-Ambulanzen übernehmen, gemeinsam mit einem externen Pflegedienst. Müller: Stellen Sie sich die Ambulanzen wie eine Arztpraxis vor, da kann man niemanden längerfristig hinlegen. Und von einem externen Pflegedienst halte ich gar nichts. Wir haben bestimmte Sicherheitsvorkehrungen, und die arbeiten oft mit wechselndem Personal. Das müsste jedes Mal überprüft und speziell ausgebildet werden, das funktioniert nicht. EV: Wo kommen längerfristig Pflegebedürftige derzeit hin? Müller: Ins Vollzugskrankenhaus, aber auch das ist komplett unterbesetzt! Wenn da jetzt noch Betreuungsbedürftige reinkommen, schaffen wir das nicht mehr. Dafür reicht unser Personal einfach nicht aus. Wir haben derzeit im Vollzugsdienst schon Vakanzen zwischen 100 und 130 Vollzeitstellen, das Pflegepersonal gehört da dazu und liegt sicher auch im zweistelligen Bereich. EV: Das heißt, Sie brauchen gerade keine Seniorenabteilung, sondern Mitarbeiter? Müller: Seit zwei, drei Jahren bekommen wir keine Krankenpfleger mehr. Die gehen entweder zu privaten Anbietern oder wenigstens in öffentliche Krankenhäuser. Wir haben hier ja alles, vom Kleinkriminellen bis zum Schwerverbrecher, da überlegt jeder, ob er sich das auch noch antun will. Wir müssen uns nicht wundern, wenn wir unsere Vakanzen nicht gedeckt bekommen. Deshalb müssen wir einfach mehr anbieten können. EV: Was könnte das sein? Müller: Wenn man die Kolleginnen und Kollegen verbeamtet, damit sie im Falle eines Angriffs abgesichert sind, würden wir wahrscheinlich auch ein paar Pfleger mehr bekommen. Das haben wir unserem Senator auch bereits gesagt. EV: Und was sagt der Senator? Müller: Man überlegt.
Operation Gomorrha: »Vieles nicht aufgearbeitet«
Im Zweiten Weltkrieg gehörte Hamburg zu den deutschen Städten, die am stärksten zerstört wurden. Allein bei der Bombardierung durch die Alliierten zwischen dem 25. Juli und 3. August 1943, der »Operation Gomorrha«, wurden große Teile der Stadt zerbombt. Mindestens 34.000 Menschen starben. Gomorrha jährt sich dieses Jahr zum 75. Mal, und allenthalben liest man Erinnerungen von Überlebenden. Doch um einen Aspekt, der noch viel zu wenig bekannt ist, geht es in der Ausstellung »Vor uns lagen nur Trümmer«, die morgen im Mahnmal St. Nicolai eröffnet wird. Sie rückt die Geschichten jener fast 10.000 Häftlinge des KZ Neuengamme in den Mittelpunkt, die eingesetzt wurden, um unter Lebensgefahr Trümmer zu räumen, Leichen zu bergen und Blindgänger zu suchen. Hunderte Häftlinge kamen dabei ums Leben, viele andere blieben ihr Leben lang traumatisiert. »Es gibt ganz viele fotografische Erinnerungen von den Hamburgern, von der Trümmerfrauenkultur«, sagt Katharina Hertz-Eichenrode, Kuratorin der Ausstellung. »Aber was die KZ-Häftlinge angeht, da ist vieles noch nicht aufgearbeitet.« Sie wurden in Häuser geschickt, um »mit ganz geringer Ausbildung«, so Hertz-Eichenrode, Blindgänger zu entschärfen, und mussten aus den Trümmern Leichenteile heraussuchen, die in der Sommerhitze bereits am Verwesen waren. »Diese Arbeit war vor allem psychisch anstrengend«, sagt die Kuratorin. »Und trotzdem haben sich viele Häftlinge menschliches Mitgefühl bewahrt und waren erschüttert, wenn sie Frauen, Kinder und alte Menschen geborgen haben, die in den Flammen umgekommen waren. Das finde ich bemerkenswert.« Die Ausstellung ist vom 20. Juli bis 29. September täglich von 10 bis 18 Uhr im Weinkeller des Mahnmals St. Nicolai zu sehen und ergänzt die dortige Dauerausstellung zum Bombenkrieg in Hamburg. |
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