| Guten Morgen, | | |
gestern berichteten wir über Hindernisse, die sich der Hamburger Feuerwehr bei ihrer Arbeit so in den Weg stellen: falsch geparkte Autos, die zuweilen ganze Straßen versperren. Eine Passage aus unserem Interview stach Ihnen dabei besonders ins Auge. Wenn Autos im Notfall weggeschoben, dabei womöglich beschädigt werden, beschweren sich deren Besitzer »ganz oft«, sagte Sprecher Werner Nölken, denn das sei ja »unsere neue Kultur, sich über alles und jeden zu beschweren«. Woraufhin uns ein Leser schrieb: »Das deckt sich mit meinem Eindruck, dass jeder jederzeit nur am Rummeckern und Sich-Echauffieren ist, es teilweise gar nicht merkt, und überhaupt keinen Anflug mehr von Empathie zeigt, um sich in andere Personen und Situationen hineinzudenken oder -fühlen.« Das »Meckern und Anprangern« gehöre wohl zur »DNA des Deutschen«. Stimmt das? Abgesehen davon, dass ich es sehr schwierig finde, von »dem Deutschen« zu sprechen, kann ich verstehen, woher dieser Eindruck rührt. Wer nur mal in den letzten Wochen die Nachrichten verfolgt hat, muss glauben, dass man mit Egozentrik und einem Hang zu lautem Lospoltern weiter kommt als mit Empathie und Mitgefühl. Haben wir verlernt, einander zuzuhören, konnten wir das überhaupt je so richtig gut? Die Sache ist doch: Wir versetzen uns nur selten in jemanden hinein, der wirklich ganz anders denkt als wir selbst. Weil er (oder sie) vielleicht in einem anderen Umfeld aufgewachsen ist, anders geprägt wurde, sich anders informiert. Wir leben in unserer hübschen kleinen Blase und reagieren jedes Mal verstört, wenn die mit einer anderen Blase zusammenprallt. Die Folge ist dann ein verhärtetes, aggressives Klima, in der Politik wie im Alltag. Die Aktion »Deutschland spricht«, zu der ZEIT ONLINE und zehn weitere Medienhäuser gerade aufrufen, will dieser Dynamik etwas entgegensetzen. Die Idee ist simpel: Menschen, die möglichst unterschiedlich denken, aber nahe beieinander wohnen, werden durch einen Algorithmus miteinander vernetzt. Am 23. September sollen sich die Paare treffen und miteinander reden. Nicht mehr, nicht weniger. 2017 machten bundesweit 600 Paare mit, diesmal sollen es deutlich mehr werden. Nein, ein Wundermittel gegen die gesellschaftliche Polarisierung ist so eine Verabredung nicht. Das behauptet auch niemand. Doch was schadet es denn, mal die eigene Blase zu verlassen? Wie die Aktion genau funktioniert, erfahren Sie hier.
Schutzlos in der Sommerhitze
Den ganzen Tag draußen sein und unter freiem Himmel schlafen? Mag nach Sommermärchen klingen, ist für viele Obdachlose aber knallharte Realität. »Obdachlosigkeit ist kein Campingurlaub«, sagt Sozialarbeiter Johan Graßhoff. In der Hitze steige die Gefahr zu dehydrieren – auch, weil es in der Innenstadt kaum möglich sei, kostenlos an Trinkwasser zu kommen. »Wenn dann noch Alkohol oder Drogensucht ins Spiel kommt, kann das schwere gesundheitliche Folgen haben.« Eine Dusche zum Abkühlen sei nur selten verfügbar, berichtet Ulrich Hermannes, Geschäftsführer der Stadtmission »hoffnungsorte«. Etwa 25 Duschen gibt es in der Innenstadt – bei insgesamt rund 2000 Obdachlosen. »Da beginnt schon der Kampf«, sagt Hermannes. Saisonbedingt kommen noch Bedürftige aus anderen Ländern hinzu, so steigt auch der Konkurrenzdruck in den Unterkünften. Auch kostenlose Waschmaschinen sind rar in der Stadt, gemessen am Bedarf. »In Kauf nehmen zu müssen, dass die eigene Unversehrtheit nicht respektiert wird, ist für Obdachlose ein Dauerzustand«, sagt Ulrich Hermannes. Auch eskalieren Konflikte im Sommer bisweilen – oder betrunkene Passanten werden übergriffig. Dass die Kombination aus Alkohol und Sommerhitze Gefahren birgt, weiß auch Christian, der in der Innenstadt das Straßenmagazin »Hinz&Kunzt« verkauft. »Man ist abends schneller platt. Dann kommen auch Aggressionen hoch.« Im Winter sei das Leben »auf Platte« aber noch anstrengender: »Bevor ich ins Winternotprogramm konnte, bin ich manchmal pitschnass herumgelaufen.« Heute kann Christian abends nach Hause, in seine Wohngemeinschaft. »Ich hatte großes Glück«, sagt er. Viele Obdachlose in Hamburg können darauf nur hoffen. |
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