Lehr-Ranking offenbart unbequeme FaktenEs ist nicht so, dass die Ergebnisse überraschend kommen. Erst im vergangenen September warnte der OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher, dass eine Reihe europäischer Länder bei der Hochschulfinanzierung gegenüber den USA und Großbritannien zurückfalle, darunter Deutschland. „Diese Länder sind echt in Schwierigkeiten“, sagte Schleicher, auf den die deutsche Bildungspolitik derzeit mal wieder nicht besonders gut zu sprechen ist.
Das Interview stand bei Times Higher Education, und ausgerechnet dessen neuestes Ranking-Produkt scheint Schleicher jetzt Recht zu geben. Beim erstmals veröffentlichten
THE Europe Teaching Ranking landen von 31 gerankten deutschen Hochschulen 22 in der hinteren Tabellenhälfte. Nur Heidelberg (26) und Göttingen (38) schneiden vergleichsweise gut ab. Dabei war die Konkurrenz bei diesem Pilotranking auf nur 241 Hochschulen aus acht europäische Länder beschränkt. Man darf die Ergebnisse also ohne Zögern peinlich nennen.
Klar können es sich Deutschlands Hochschulrektoren und Wissenschaftsminister einfach machen. Indem sie – im Zweifel zu Recht – an der Methodik herummäkeln. Aber es bleiben zwei unbequeme Fakten. Erstens, und das geht an die Politiker: Dass andere so viel besser sind, ist die logische Folge der besagten massiven Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen und speziell der Lehre. Anders formuliert: Wie sollen die Studenten zum Beispiel einen anregenden Austausch mit ihren Dozenten berichten, wenn einfach viel zu wenige von denen da sind? Zweitens, und hier stehen die Rektoren in der Verantwortung: Sie reden
– auch politisch gewollt
– viel von Lehrstrategien und deren institutioneller Verankerung, doch bislang gelingt es den wenigsten von ihnen, den extrem ausgeprägten Individualismus deutscher Professoren in Einklang zu bringen mit den alle verbindenden Zielen guter Lehre. Und genau das ist keine Frage der Finanzierung, sondern der Kultur.
Auch das zeigt das THE-Ranking, wo bald nach Oxford und Cambridge auch weniger schillernde Namen wie Navarra, Newcastle oder Paris-Süd auftauchen.
Die eigentliche Schwäche der neuerlichen Rangliste ist eine, die zumindest den deutschen Universitäten als Ausrede wohl nicht viel helfen wird. Den Fachhochschulen schon eher. THE gewichtet die Ergebnisse nämlich nicht nach der sozialen Herkunft der Studenten. Aber mal ehrlich: Was hilft es zu wissen, dass reiche britische Unis, die zu einem guten Teil die Absolventen teurer Privatschulen aufnehmen, gute Lehrveranstaltungen hinbekommen und beruflich erfolgreiche Absolventen produzieren? Spannender wäre, welche Hochschule ihren Studenten am besten hilft, etwas aus sich zu machen. Wo lernen die Studenten, abhängig von ihrer Bildungs-Vorgeschichte, am meisten dazu, das müsste ein Ranking eigentlich messen. Und in so einem Ranking würden Navarra & Co wahrscheinlich noch stärker abschneiden. Und einige deutsche Fachhochschulen ebenfalls – die im THE-Ranking übrigens gar nicht auftauchen.
Aber wir wissen es nicht. Auch weil so eine Fragestellung für fast alle Rankings zu komplex ist. Nur das britische Bildungsministerium hat es mit dem nationalen Teaching Excellence und Student Outcomes Framework im vergangenen Jahr erstmals versucht. Und prompt eine Kontroverse ausgelöst, weil plötzlich einige Underdogs oben standen und einige Privatunis (nein, nicht Oxford und Cambridge) nach unten rauschten.
Jan-Martin Wiarda ist Wissenschafts- und Bildungsjournalist in Berlin