"Ich hatte nie das Gefühl, etwas Unmoralisches zu tun." Das sagt ein akademischer Ghostwriter, den
Dennis Schmees für ZEIT CAMPUS ONLINE interviewt hat. Akademische Ghostwriter sind Leute, die für Studentinnen und Studenten gegen Bezahlung Hausarbeiten und Abschlussarbeiten schreiben. 2000 Euro aufwärts kostet eine Abschlussarbeit, eine Hausarbeit kriegt man schon für 500 Euro.
Wer an der Hochschule eine Arbeit abgibt, die er nicht selbst geschrieben hat, verstößt eindeutig gegen die Prüfungsordnung. Die Kunden der Ghostwriter riskieren also, von der Uni zu fliegen. Die Ghostwriter hingegen gehen kein großes Risiko ein. Sie begehen keine Straftat, denn es gibt kein Gesetz, das ihre Tätigkeit verbietet. Gerichte, die über akademische Ghostwriter zu entscheiden hatten, urteilten manchmal, ihre Arbeit sei "sittenwidrig". Also nicht verboten, aber falsch.
Falsch? Unmoralisch? Wir? Viele akademische Ghostwriter sehen das nicht so. Das habe ich erlebt,
als ich selbst in dieser Branche recherchierte. Lieber sehen sich die akademischen Ghostwriter als "disruptive" Unternehmer, Silicon-Valley-Style: Wenn Hochschulen ihren Studenten das wissenschaftliche Schreiben nicht ordentlich beibringen und wenn Dozenten Texte aus fremder Feder nicht erkennen, läuft dann nicht etwas falsch an der Uni? Und geht es im Studium nicht immer um Effizienz? Unliebsame Aufgaben an externe Dienstleister zu übergeben: Das ist effizient. (So argumentieren auch einige studentische Kunden,
siehe hier.)
Das ist nicht ganz falsch, aber es ist auch nicht richtig. Moral, Effizienz, das sind große, abstrakte Begriffe. Am Ende geht es um eine relativ kleine, ganz konkrete Frage: Was will ich mich meiner Arbeit erreichen? Wem soll sie nützen? Akademische Ghostwriter helfen Studenten, die mehr Geld haben als andere und die skrupellos Regeln brechen, damit diese mit weniger Mühe und weniger Leistung zu einem Abschluss zu kommen, der ihnen nicht zusteht.
Kann man machen. Muss man aber wollen.
Herzliche Grüße
Oskar Piegsa
Chefredakteur ZEIT CAMPUS PS: Die Redaktion von
reportagen.fm wählt aus den vielen, frei zugänglichen Texten im deutschsprachigen Internet jede Woche drei aus, die besonders lesenswert sind. Diese Woche dabei: „Berat fährt nach Auschwitz“, der Text von meinem Kollegen Hannes Schrader, der eine Gruppe junger muslimischer Männer begleitete, die sich die KZ-Gedenkstätte anschauten. Und die sich fragten: Was hat das, was damals passierte, mit uns zu tun?
Hier kannst du die Reportage lesen.