| »Über allem liegt die Erfahrung, in fremde Welten einzutauchen«
Virtual Reality, das Sichbewegen in computergenerierten, interaktiven virtuellen Szenarien, ist auch in der Kunst angekommen: Vom 7. bis 17. Juni steigt in Hamburg VRHAM!, Deutschlands erstes künstlerisches Virtual-Reality-Festival. Für den künstlerischen Leiter Ulrich Schrauth ist »VR« dabei mehr als eine technische Spielerei. Uns hat er erklärt, warum. Elbvertiefung: Herr Schrauth, Virtual Reality in der Kunst – wie kann man sich das vorstellen? Ulrich Schrauth: Im Prinzip beschäftigen sich Künstler, sei es etwa aus der bildenden Kunst, der Musik oder dem Theater, damit, wie sie ihre Kunst in den virtuellen, dreidimensionalen Raum übertragen können. Da malt etwa eine Künstlerin mit dem Tilt-Brush, einer 3-D-Software von Google, in einem Raum, den der Betrachter auch betreten kann, indem er die VR-Brille aufsetzt. Oder es werden Filme in 360 Grad gedreht, man schaut sich Tanzperformances an, ist »live dabei«, kann selbst mittanzen. Über allem liegt die Erfahrung, in fremde Welten einzutauchen. VR ist immer eine Verschiebung der Perspektive: Ich bin selbst Teil der Geschichte und stehe nicht nur davor. EV: Ganz praktisch gesehen – wie läuft das VRHAM-Festival ab? Schrauth: Besucher können an den zehn Festivaltagen von 14.00 bis 21.00 Uhr vorbeikommen. Es gibt 16 »Experiences« zu Themenschwerpunkten wie Flucht, Migration, Identität, Zugehörigkeit. Man wählt Programmpunkte aus, bespricht sich mit einem unserer Guides und wird zu den Exponaten geführt. Die befinden sich jeweils in einem geschützten Raum, damit sich der Besucher nicht beobachtet fühlen muss, während er die Brille trägt. Viele haben noch eine große Hemmschwelle und oft erst einmal Angst, etwas falsch zu machen. Wer sich unwohl fühlt, kann die Brille natürlich sofort absetzen. EV: Wie »echt« fühlt sich so eine »Experience« denn an? Schrauth: Es heißt oft, man könne VR nicht erklären, man müsse sie selbst erleben haben – und das stimmt. Da werden verschiedenste Sinne angesprochen, zum Teil sehr intensiv. Wie »real« das Geschehen wirkt, hängt auch von der Bildqualität ab. Unsere Besucher etwa setzen 4k- und 8k-Brillen auf, ab 16k sieht man keinen Unterschied mehr zur realen Umwelt. Doch es geht uns beim Festival nicht darum, wie »echt« das Ganze ist, wir wollen auch dazu anregen, das Ausmaß dieser neuen Technik zu hinterfragen: Was ist die reale, was virtuelle Realität? Inwiefern darf die Technik in unseren Alltag einziehen? Das ist auch eine politische Frage, mit der sich viele Künstler gerade intensiv befassen. EV: Was bedeutet die Technik für die Künstler? Ist es bald wichtiger, programmieren zu können, als zu malen? Schrauth: Inzwischen kann man recht einfach in virtuelle Realitäten eintreten, die entsprechenden Tools und Programme sind günstiger geworden. Das hat Vorteile für Künstler: Sie müssen nicht mehr zwingend Ateliers oder Galerien anmieten, und sie erschließen neue Zielgruppen. Viele Jüngere haben sich inzwischen ganz auf VR spezialisiert und programmieren tatsächlich selbst am Computer, andere, oft schon etabliertere Künstler, tun sich mit Produktionsgesellschaften zusammen, die dann die technische Umsetzung übernehmen. EV: Auch in der Spieleindustrie werden virtuelle, detailreiche Welten erschaffen. Ab wann ist VR Kunst? Schrauth: Schwere Frage. VR im Gaming-Bereich geht längst über klassische Ballerspiele hinaus, viele Spielewelten sind sehr eindrucksvoll. Wenn es um die Vermittlung klassischer Kunstformen in 3-D geht, etwa um bekannte Gemälde, die mit der VR-Brille erlebbar sind, fällt das eher in den Bildungsbereich. In anderen Fällen ist die Trennung nicht so klar, aber das ist doch überall so: Ab wann ist Grafik Design, wann ist Handwerk Kunst? Man sollte das nicht so dogmatisch sehen. Für mich muss Kunst bewegen, mich in neue Welten eintauchen lassen. Ob das über ein Bild, ein Theaterstück oder eine VR-Performance passiert, ist eigentlich egal.
Michel sucht einen Namen
Stolz thront der Michel über einem riesigen Vorplatz. Der ist vergangenes Jahr – zumindest rechtlich – um 560 Quadratmeter gewachsen. Die Stadt hat der Gemeinde von St. Michaelis ein direkt an den Kirchplatz grenzendes Areal überlassen. Die Christen waren begeistert, zunächst aber auch ein wenig ratlos – was tun mit dem neu gewonnenen Raum? Und unter welchem Namen? Der Arbeitstitel steht fest: »Platz der Erinnerung«, angelehnt an die 192 Tafeln mit Gravuren von Hamburger Spendern, die bereits in den Stufen vor der Kirche eingelassen sind. Seit 23 Jahren bringt St. Michaelis sie regelmäßig gegen Spenden zum Erhalt der Kirche an; darauf stehen Liebeserklärungen, Gedichte, Widmungen an Verstorbene. Auf dem neuen Areal soll unter dem Stichwort »Was bleibt?« noch mehr, noch kreativere Erinnerungskultur entstehen. »Wir wollen das Ganze als Chance für mehr Beteiligung der Hamburger nutzen«, sagt Ines Lessing, Pressesprecherin von St. Michaelis. Bis morgen läuft noch der Namenswettbewerb: Wie soll der Platz in Zukunft heißen? Auch für die Gestaltung der großen Fläche sucht die Gemeinde nach Ideen. Einzige Vorgabe: Die Sichtachse gen Michel muss frei bleiben. Vier Planungsbüros stünden bereit, ohne Honorar Vorschläge von Einwohnern zu entwickeln, so Michael Kutz, Geschäftsführer der Stiftung St. Michaelis. Denn man tau: Brainstorming, hurtig! Namensvorschläge nimmt die Gemeinde noch bis zum 4. Mai an: stiftung@st-michaelis.de.
Und was war noch?
Tipps vom »Heidecop«: Der Vorspann erinnert eher an eine Actionserie – doch dann entsteigt der »Heidecop« bei Vogelgezwitscher und Sonnenschein seinem Dienstwagen (und das mehrmals), um dem geneigten Publikum in feinstem Platt zu erklären, was es bei einem Ausflug mit dem Auto in die schöne Lüneburger Heide unbedingt beachten sollte. Das Ganze ist eine Idee der Polizei des Landkreises Harburg, um ihre Social-Media-Aktivitäten zu verstärken. Bis gestern am frühen Abend hatte die erste Folge schon 700 Aufrufe zu verzeichnen. | |
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