Bologna-Treffen in Paris I Streit um Islam-Institut in Berlin beigelegt I Jan-Martin Wiarda über Kreuze an bayerischen Hochschulen

 
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In Paris ziehen die Wissenschaftsminister aus 48 Staaten eine Bilanz der Bologna-Reform, in Italien wird wohl ein europakritischer Jura-Professor Ministerpräsident, und in Berlin ist der Streit um das Islam-Institut beigelegt. Außerdem vertritt Jan-Martin Wiarda einen Standpunkt zu den Folgen der bayerischen Kreuz-Verordnung für die Hochschulen.
   
 
 
 
 
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Streit um Islam-Institut beigelegt
Nach langem Streit hat der Akademische Senat der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) die Pläne für ein Zentralinstitut für katholische Theologie und eines Instituts für Islamische Theologie zur Kenntnis genommen. Wie die Kollegin Heike Schmoll in der FAZ berichtet, wird es also nicht zu einer multireligiösen Fakultät unter Einbeziehung der Evangelisch-Theologischen Fakultät kommen, die zu den Gründungsfakultäten der HU gehört. Sobald das Kuratorium der Universität und der Senat zugestimmt haben, sollen beide Institute zum Wintersemester 2019/20 ihre Arbeit aufnehmen, wenn die Berufungen zügig erteilt werden.
 
  
 
 
Bologna-Treffen in Paris
Gestern und heute sitzen die für Hochschulbildung zuständigen Ministerinnen und Minister der 48 Unterzeichnerländer der Bologna-Erklärung von 1999 in Paris zusammen. Bei dem zehnten Ministertreffen nach Bologna soll eine Zwischenbilanz des Prozesses gezogen werden und der Fahrplan bis zum Jahr 2020 festgelegt werden. Die deutsche Delegation wird von Anja Karliczek, der Bundesministerin für Bildung und Forschung und Konrad Wolf, dem Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz angeführt. Auch HRK-Präsident Horst Hippler gehört der deutschen Delegation an. „Wir brauchen ein europäisches Bildungsverständnis“, sagte er im Vorfeld der Konferenz, „das Persönlichkeitsbildung und die Befähigung zu gesellschaftlichem Engagement einbezieht.“
 
  
 
 
DHV für Elternzeitausgleichssemester
Die Professorengewerkschaft DHV plädiert für die Einführung eines sogenannten Elternzeitausgleichssemesters. Es soll die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft fördern. Antragsberechtigt sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf zeitlich befristeten Qualifikationsstellen sein. Nach mindestens sechsmonatiger Elternzeit soll es möglich sein, für die Dauer von bis zu zwei Semestern von Lehrverpflichtungen befreit zu werden, um wieder Anschluss in der Forschung zu erhalten. „Um in der Wissenschaft Karriere machen zu können, ist es insbesondere in der Qualifizierungsphase essentiell, zu forschen und regelmäßig zu publizieren“, sagte DHV-Präsident Bernhard Kempen. Doch trotz einiger Verbesserungen bestünden in der Wissenschaft weiterhin viele Schwierigkeiten, Familie und Beruf zu vereinen. Hierin liege unverändert eine „maßgebliche Ursache“ für die Unterrepräsentanz von Frauen in der Wissenschaft.
 
  
   
 
 
   
   
   
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Neues Präsidium der Evangelischen Hochschule Nürnberg
Das Kuratorium der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) hat die Mitglieder des neuen Präsidiums gewählt: Die Präsidentin Barbara Städtler-Mach, Professorin für Anthropologie und Ethik, wurde für weitere vier Jahre im Amt bestätigt, ebenso der Vizepräsident Joachim König, Professor für Allgemeine Pädagogik und Empirische Sozialforschung. Neu gewählt wurde die Professorin für Handlungslehre und Methoden der Sozialen Arbeit Helene Ignatzi zur Vizepräsidentin. Sie folgt auf Vizepräsident Michael Kuch, der nicht mehr zur Wahl angetreten ist.
 
 
Jura-Professor wird Regierungschef in Italien
Der Rechtswissenschaftler Giuseppe Conte wird wohl neuer Ministerpräsident Italiens. Staatspräsident Sergio Mattarella erteilte ihm das Mandat, eine Regierung der beiden europakritischen Parteien zu bilden. Wie unter anderem die Welt berichtet, studierte er Jura in Rom, zuletzt lehrte er als Professor unter anderem Privatrecht an der Universität Florenz. Nach wenigen Tagen im Scheinwerferlicht der Medien bekommt das Image des Universitäts-Professors Kratzer. Seinen Lebenslauf soll er geschönt haben. Darin nennt er Stationen wie New York und Wien, obwohl er in New York nur in der Bibliothek recherchierte und in der österreichischen Hauptstadt einen Sprachkurs besucht haben soll.
Seine Studenten sagen über ihren Professor, er könne wahnsinnig gut erklären, wie „La Stampa“ schreibt. Conte will in der öffentlichen Verwaltung aufräumen und gilt als Experte im Management von krisengeschüttelten Unternehmen. Hat er früher nach eigener Aussage links gewählt, kam vor vier Jahren der erste Kontakt mit der Fünf-Sterne-Protestbewegung zustande.
 
Job: Uni Bremen sucht Strategen
Eine/n Wissenschaftsmanager/in sucht die Universität Bremen für ihre Stabsstelle „Strategische Projekte und Exzellenz“. Wenn Sie gern Entwicklungskonzepte und Entscheidungsvorlagen schreiben, sowie Veränderungsprozesse steuern, dann ist die Hansestadt an der Weser vielleicht die nächste Karrierestation für Sie. Näheres dazu finde Sie im Stellenmarkt der aktuellen ZEIT.
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Standpunkt
 
 
   
von Jan-Martin Wiarda
"Zur Kenntnis genommen"
Irgendwie scheint die Sache mit dem Kruzifix inzwischen selbst der bayerischen Staatsregierung peinlich zu sein. Also mit Ausnahme von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) versteht sich. Das Wissenschaftsministerium jedenfalls verweist bei Fragen ans Innenministerium, die Erarbeitung von „Ausführungsbestimmungen zum Anbringen von Kreuzen in Dienstgebäuden“ falle in dessen Zuständigkeitsbereich. Und der Sprecher des Innenministeriums ruft trotz mehrfachen Nachhakens erst mit einem Tag Verspätung zurück. Bayerns Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (ebenfalls CSU) hatte sich schon Ende April einen Rüffel von ihrem Chef abgeholt, als sie in einer Fernsehsendung sagte, die Kreuz-Verordnung sei „keine besonders kluge Idee“.
Am 24. April hatte das bayerische Kabinett zwangsläufig einstimmig, da auf besonderen Wunsch Söders, beschlossen, dass im Eingangsbereich jeder Landesbehörde ein Kreuz hängen soll, als „sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland“. Selbst Kirchenvertreter witterten einen Wahlkampf-Stunt sechs Monate vor dem Urnengang.
Für Gemeinden, Landkreise, Bezirke und ganz allgemein für Körperschaften des Freistaates hat die Verordnung empfehlenden Charakter. Die bayerischen Landeshochschulen sind sowohl Behörde als auch Körperschaften. Müssen sie denn nun oder müssen sie nicht?
Nein, sagt der Sprecher des Innenministeriums. Sie müssen nicht. Ausführungsbestimmungen werde es aber auch nicht geben. So herrscht an Bayerns Hochschulen gut eine Woche vorm Inkrafttreten der neuen Regelung am 1. Juni vor allem eines: Verwirrung.
Die Sprecherin der Technische Hochschule Ingolstadt etwa teilt mit, man habe bislang „noch keine Anweisung erhalten“, die Hochschule bereite sich aber auf eine solche vor – indem sie Überlegungen zu einem Kreuz anstellt, „das sowohl eine Wertesymbolik vermittelt als auch in seiner äußeren Erscheinung zu den Inhalten, die die THI als technische Hochschule transportiert, passt.“
Die Universität Bayreuth beantwortet die Frage nach dem Kreuz mit dem Satz, man habe „die Empfehlung des Ministerpräsidenten zur Kenntnis genommen“. Soll heißen: Auch künftig keine Kreuze? Da will sich die Uni dann doch nicht genauer festlegen.
Während die Ministerien sich wegducken, versuchen die Hochschulen mühselig, aus Söders Kreuz-Verordnung einen Sinn abzuleiten. Die meisten halten den Ball flach, nach dem Motto: Lasst uns einfach nicht drüber reden, dann geht dieses absurde Thema irgendwie weg. 
Einer, der offenbar gar kein Problem mit der Verordnung hat, ist Wolfgang Herrmann, seit 23 Jahren Präsident der TU München. Die Uni pflege ein „inniges Verhältnis“ mit allen Religionen, lässt er über seinen Sprecher mitteilen. Und kündigt an: Von Juni an hängt ein Kreuz im Eingangsbereich des TU-Stammgeländes, „als religiöses Symbol und als Ausdruck unserer Werte“. Egal, ob Pflicht oder Empfehlung. 
Für Tarek Carls kommt dagegen nur eine Entscheidung in Frage: die Empfehlung zu ignorieren. Auf keinen Fall dürfe ein Hochschulpräsident „seine religiösen Werte seinen Studierenden aufzwingen. Dass offenbar einige Kreuze aufhängen wollen, obwohl sie es laut Verordnung nicht müssen, kritisiere ich scharf.“
Carls ist Student und Vorsitzender der Jungen Liberalen in Regensburg. Er hat eine Online-Petition gegen die Verordnung initiiert, die es bislang auf 52.000 Unterschriften gebracht hat. Die würde er jetzt gern – apropos Symbole – Markus Söder überreichen. Doch der ziert sich noch.

Jan-Martin Wiarda ist Wissenschafts- und Bildungsjournalist in Berlin
   
 
   
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Fußnote
 
 
   
 
   
Kürzlich fragte mich am Rande einer Tagung über Bildungsreformen unvermittelt ein erfolgreicher Forscher und Hochschulmanager: „Sind Innovationen eigentlich so wichtig, wie wir immer tun? Müsste man nicht viele Schulen und Universitäten einfach mal ein paar Jahre in Ruhe ihren Job machen lassen?“ Ich hatte nicht sofort eine schlaue Antwort parat und bin darüber ins Grübeln gekommen. Veränderungen im Bildungssystem finde ich weiterhin nötig, weil ich mich mit Missständen nicht abfinden will. Aber mehr Vertrauen in die Arbeit der Lehrer und Professoren könnte auch ungeahnte Kräfte freisetzen. Und das Neue ist nicht per se besser als das Alte.   Thomas Kerstan
   
 
   
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