"Zur Kenntnis genommen"Irgendwie scheint die Sache mit dem Kruzifix inzwischen selbst der bayerischen Staatsregierung peinlich zu sein. Also mit Ausnahme von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) versteht sich. Das Wissenschaftsministerium jedenfalls verweist bei Fragen ans Innenministerium, die Erarbeitung von „Ausführungsbestimmungen zum Anbringen von Kreuzen in Dienstgebäuden“ falle in dessen Zuständigkeitsbereich. Und der Sprecher des Innenministeriums ruft trotz mehrfachen Nachhakens erst mit einem Tag Verspätung zurück. Bayerns Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (ebenfalls CSU) hatte sich schon Ende April einen Rüffel von ihrem Chef abgeholt, als sie in einer Fernsehsendung sagte, die Kreuz-Verordnung sei „keine besonders kluge Idee“.
Am 24. April hatte das bayerische Kabinett zwangsläufig einstimmig, da auf besonderen Wunsch Söders, beschlossen, dass im Eingangsbereich jeder Landesbehörde ein Kreuz hängen soll, als „sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland“. Selbst Kirchenvertreter witterten einen Wahlkampf-Stunt sechs Monate vor dem Urnengang.
Für Gemeinden, Landkreise, Bezirke und ganz allgemein für Körperschaften des Freistaates hat die Verordnung empfehlenden Charakter. Die bayerischen Landeshochschulen sind sowohl Behörde als auch Körperschaften. Müssen sie denn nun oder müssen sie nicht?
Nein, sagt der Sprecher des Innenministeriums. Sie müssen nicht. Ausführungsbestimmungen werde es aber auch nicht geben. So herrscht an Bayerns Hochschulen gut eine Woche vorm Inkrafttreten der neuen Regelung am 1. Juni vor allem eines: Verwirrung.
Die Sprecherin der Technische Hochschule Ingolstadt etwa teilt mit, man habe bislang „noch keine Anweisung erhalten“, die Hochschule bereite sich aber auf eine solche vor – indem sie Überlegungen zu einem Kreuz anstellt, „das sowohl eine Wertesymbolik vermittelt als auch in seiner äußeren Erscheinung zu den Inhalten, die die THI als technische Hochschule transportiert, passt.“
Die Universität Bayreuth beantwortet die Frage nach dem Kreuz mit dem Satz, man habe „die Empfehlung des Ministerpräsidenten zur Kenntnis genommen“. Soll heißen: Auch künftig keine Kreuze? Da will sich die Uni dann doch nicht genauer festlegen.
Während die Ministerien sich wegducken, versuchen die Hochschulen mühselig, aus Söders Kreuz-Verordnung einen Sinn abzuleiten. Die meisten halten den Ball flach, nach dem Motto: Lasst uns einfach nicht drüber reden, dann geht dieses absurde Thema irgendwie weg.
Einer, der offenbar gar kein Problem mit der Verordnung hat, ist Wolfgang Herrmann, seit 23 Jahren Präsident der TU München. Die Uni pflege ein „inniges Verhältnis“ mit allen Religionen, lässt er über seinen Sprecher mitteilen. Und kündigt an: Von Juni an hängt ein Kreuz im Eingangsbereich des TU-Stammgeländes, „als religiöses Symbol und als Ausdruck unserer Werte“. Egal, ob Pflicht oder Empfehlung.
Für Tarek Carls kommt dagegen nur eine Entscheidung in Frage: die Empfehlung zu ignorieren. Auf keinen Fall dürfe ein Hochschulpräsident „seine religiösen Werte seinen Studierenden aufzwingen. Dass offenbar einige Kreuze aufhängen wollen, obwohl sie es laut Verordnung nicht müssen, kritisiere ich scharf.“
Carls ist Student und Vorsitzender der Jungen Liberalen in Regensburg. Er hat eine
Online-Petition gegen die Verordnung initiiert, die es bislang auf 52.000 Unterschriften gebracht hat. Die würde er jetzt gern – apropos Symbole – Markus Söder überreichen. Doch der ziert sich noch.
Jan-Martin Wiarda ist Wissenschafts- und Bildungsjournalist in Berlin