Freitext: Dagmar Leupold: Wir brauchen Kunst als Störenfried

 
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18.05.2018
 
 
 
 
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Wir brauchen Kunst als Störenfried
 
Political Correctness schadet der Kunst, denn die ist niemals eine Meinungsäußerung. Bleiben wir fähig, Vielfalt und Widersprüchliches in unser Denken zu integrieren!
VON DAGMAR LEUPOLD

 
Joe Klamar/Getty Images
 

Unbehagen ist ein eigenartiges Gefühl: Selbst sehr deutlich, gelegentlich sogar körperlich spürbar erwächst es aus etwas, das zunächst undeutlich, ungreifbar ist. Nicht von ungefähr sagt man, es beschleicht einen. Anders als das freudsche Unbehagen in der Kultur, das entsteht, weil kulturelle Anstrengungen dem Sexual- und Destruktionstrieb, der zur menschlichen Natur gehört, hemmend und transformatorisch entgegenwirken, ist mein Unbehagen politisch verortet.
 
Ausgelöst wurde es durch die Verquickung der #MeToo-Offensive mit Forderungen nach Political Correctness, welche wiederum die essenzielle Frage nach der Freiheit von Kunst berührt. Es entstand, obwohl ich es durchaus begrüße, dass gegen die Pathologien allzu geschlossener Räume das Outing eingesetzt wird. Aber die Summe aller Widerlichkeiten und Übergriffe (strafrechtlich Relevantes steht auf einem anderen Blatt, darum geht es hier nicht) zu ziehen, die Additionsketten durch immer neue Meldungen zu verlängern, mag notwendig sein, hinreichend ist es nicht.
 
Die Entstellungen, die im Zuge dieser Debatte zum Vorschein kommen, sind im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sehen: Die Übergriffe, das präpotente Gebaren und die skrupellose Selbstermächtigung der Hierarchiespitzen gegenüber den Subalternen sind deren Symptom, nicht ihre Ursache. Es ist Aufgabe der Politik, der demokratisch gewählten Repräsentanten, die Weichen so zu stellen, dass solche Entstellungen verhindert bzw. korrigiert werden. Dies kann nur geschehen, wenn Gleichheit und Teilhabe erreicht werden.
 
Ultrahocherhitzte Debatten
 
Political Correctness dagegen interessiert sich nicht für die Herstellung von Gleichheit, sie verordnet lediglich Formen und starre Sprachregelungen des sozialen Miteinanders, das eigentlich ein dynamisches Konstrukt ist, Ergebnis von zivilisatorischen Prozessen. Die Sprachregelungen und die neuen Umgangsformen sind bloße Kosmetik: Sie treten zwar antidiskriminatorisch auf, tasten aber den eigentlichen politischen Missstand, nämlich dass die Agora zum Markt verkommen ist, auf dem sich nicht die Vernunft, der Gemeinsinn, sondern die Wettbewerbsstärksten breitmachen, keineswegs an.


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