Fünf vor 8:00: Den schnellen Deal wird es nicht geben - Die Morgenkolumne heute von Matthias Nass

 
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FÜNF VOR 8:00
23.05.2018
 
 
 
   
 
Den schnellen Deal wird es nicht geben
 
Die USA wollen die einseitige und totale nukleare Abrüstung. Doch Nordkorea wird nicht in Vorleistung gehen – schon gar nicht nach der Drohung mit dem libyschen Modell.
VON MATTHIAS NASS
 
   
 
 
   
 
   
Was wenn Donald Trump und Kim Jong Un sich doch nicht treffen? Wenn es nicht zum spektakulärsten Handschlag kommt, seit Richard Nixon 1972 in Peking Mao Zedong traf? Was dann?
 
Das Weiße Haus beteuert, die Planungen für den Gipfel am 12. Juni in Singapur gingen unverändert weiter. Aber die Botschaften aus Pjöngjang in den vergangenen Tagen waren eine Warnung: Seid euch nicht zu sicher! "Wenn die USA versuchen, uns in die Ecke zu treiben und unseren einseitigen nuklearen Verzicht zu erzwingen, dann sind wir an einem solchen Dialog nicht länger interessiert", sagte Vizeaußenminister Kim Kye Gwan, ein Veteran der Atomverhandlungen.
 
Drohungen gehören zum diplomatischen Geschäft. Die ungewöhnliche Schärfe der Äußerungen aus dem Norden und die gleichzeitige Absage eines Treffens mit dem Süden auf Ministerebene machen aber deutlich, dass es nicht allein um Verhandlungstaktik geht.
 
Bei aller Entspannungshoffnung, die seit Jahresbeginn in Korea aufgekommen ist, hat sich am Grundwiderspruch zwischen den Positionen Pjöngjangs und Washingtons nichts geändert. Atomwaffen waren für Nordkorea eine unverzichtbare Garantie für das Überleben des Regimes. Für die Vereinigten Staaten hingegen war die Bombe in den Händen Nordkoreas schlicht inakzeptabel. Hier einen Kompromiss zu finden, war den Regierungen Bill Clintons, George W. Bushs und Barack Obamas nicht gelungen. 
 
Donald Trump aber geht es erklärtermaßen nicht um einen Kompromiss, sondern um einen Deal: Ihr gebt eure Waffen auf, im Gegenzug garantieren wir eure Sicherheit. Dann beginnen herrliche Zeiten, eure Wirtschaft blüht auf und ihr werdet reich!

Nur machte Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton den Fehler, den Nordkoreanern zu erklären, wie er sich die "Denuklearisierung" ihres Landes konkret vorstellt. Die soll dem "libyschen Modell" folgen. Libyens Machthaber Muammer al-Gaddafi hatte im Jahr 2003 sein noch am Anfang stehendes Atomprogramm aufgegeben und die entsprechenden Anlagen in den USA verschrotten lassen. Seine Macht sicherte er sich damit nur für wenige Jahre. Nach dem Aufstand gegen den Diktator 2011 stellte sich Washington auf die Seite der Rebellen, die Gaddafi wie einen Hund jagten und ermordeten.
 
Libyen war deshalb ein verwegener historischer Vergleich. Wollte Bolton das Treffen in Singapur torpedieren? Donald Trump, in Sorge um den ersehnten Friedensnobelpreis, widersprach seinem Sicherheitsberater sofort. Libyen sei "ganz und gar nicht" das Vorbild. "Es gab keinen Deal, um Gaddafi zu behalten." Die Amerikaner hätten Libyen damals vielmehr "plattgemacht".
 
Trumps Strategie war wenig durchdacht
 
Kein Modell also – oder vielleicht doch? "Genau dieses Modell" würde für Nordkorea gelten, fügte Trump hinzu, "wenn wir keinen Deal schließen, höchstwahrscheinlich". Da war er wieder ganz bei Bolton: Falls ihr unsere Forderungen nicht akzeptiert, werdet auch ihr "plattgemacht".
 
Geht man so in Verhandlungen, deren Erfolg man will? Und glaubt man die Erfolgschancen dadurch zu steigern, dass man zeitgleich dem Iran die "stärksten Sanktionen der Geschichte" androht?
 
Bisher hat Amerikas Politik des "maximalen Drucks" bei den Nordkoreanern gewirkt. Aber jetzt, da zu den wirtschaftlichen Sanktionen und zur militärischen Drohkulisse eine diplomatische Offerte hinzukommen müsste, zeigt sich, wie wenig durchdacht sich Trump in das Gipfelabenteuer gestürzt hat.
 
Natürlich wird Kim nicht den totalen und sofortigen Verzicht auf seine Nuklearwaffen verkünden. Jahrzehntelang hat das Regime daran gearbeitet, den Vereinigten Staaten als Nuklearmacht entgegentreten zu können. Jetzt soll es das Erreichte wegen eines vagen Versprechens auf Anerkennung und Prosperität aufgeben?
 
Trump ist auf Südkoreas Vermittlerdienste angewiesen
 
Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA hat die Position Pjöngjangs klar formuliert: "Die Geschichte beweist, dass eine mächtige nukleare Abschreckung das stärkste Schwert ist, um eine Aggression von außen zunichte zu machen." Saddam Hussein und Gaddafi seien ihrem elenden Schicksal nicht entkommen, weil sie ihre Nuklearprogramme aufgegeben hätten.
 
Mit anderen Worten: Genau das wird Nordkorea nicht tun. Jedenfalls nicht sofort und nicht komplett und nicht als einseitige Vorleistung. Damit steht Donald Trump vor den gleichen mühsamen Verhandlungen, an denen seine drei Vorgänger gescheitert sind. Nur hat er ausdrücklich ausgeschlossen, dass er diesen Weg noch einmal gehen werde.
 
Gut, dass am Dienstag dieser Woche Moon Jae-In im Weißen Haus zu Besuch war. Südkoreas Staatspräsident arbeitet unbeirrt an der Entspannung auf der koreanischen Halbinsel. Den schnellen Deal, von dem der US-Präsident träumt, wird es nicht geben. Wenn es überhaupt zur atomaren Abrüstung Nordkoreas kommt, dann nur durch mühsame, zeitraubende Verhandlungen. Diplomatische Unterstützung kann da nützlich sein. Ohne Moons Vermittlerdienste könnten sich Trump und Kim schon bald wieder an die Kehle gehen, so wie im vergangenen Sommer. Und wer will garantieren, dass es diesmal wieder nur bei rhetorischer Eskalation bleibt?
   
 
   
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Fünf vor 8:00 ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Theo Sommer, Alice Bota, Matthias Naß, Martin Klingst und Jochen Bittner.