| Wird es auf Helgoland zu eng?
Helgoland ist im Aufwind: Nahe des Leuchtturms werden neue Wohnungen gebaut – nicht für Touristen, sondern für Insulaner und solche, die es werden wollen: Die Gemeinde will vor allem junge Familien auf die Insel locken. Die Nachfrage ist groß. Ein Zeichen dafür, dass sich die einst vom Krieg zerstörte Felseninsel gewandelt hat? Wir haben mit Bürgermeister Jörg Singer gesprochen. Elbvertiefung: Herr Singer, wird es auf Helgoland zu eng? Jörg Singer: Gewissermaßen schon, Helgoland ist eben ein sehr kleines Fleckchen Erde. Als die Häuser nach dem Krieg quasi in einem Guss wieder aufgebaut wurden, waren nur ca. 25 Quadratmeter Wohnfläche für jeden Insulaner eingeplant. Seit den Achtzigern wurden dann immer mehr Wohnungen in Urlaubsapartments umgewandelt, etwa tausend Gästebetten entstanden und verdrängten Wohnraum. Bei uns gibt es viel Natur, aber Bauflächen sind Mangelware. Die Flächen am Leuchtturm haben wir vom Bund angekauft, der bis vor wenigen Jahren der größte Landeigentümer hier war.
EV: Nun sind 70 Modulbauten geplant, Wohnraum für 160 Menschen – im Juli beginnt der Bau, im Oktober ziehen die ersten Leute ein. Wer wird das sein? Singer: Zum einen Helgoländer, von denen viele heute schon sehr beengt leben müssen, etwa in Kellern oder auf Dachböden. Doch es wird noch spannend, denn das Interesse ist riesig: Uns liegen insgesamt 200 Bewerbungen vor, 75 von Privatpersonen, der Rest sind Institutionen wie die Forschung oder das Land, auch der Zoll hat Bedarf angemeldet. Ein Vergabeteam aus Politik und Verwaltung wird in den nächsten Wochen entscheiden, wer den Zuschlag kriegt. Familien und Leute, die sich in der freiwilligen Feuerwehr engagieren wollen, werden bevorzugt. Außerdem muss der Erstwohnsitz der Bewerber auf Helgoland liegen oder auf die Insel verlegt werden – wir wollen keine Zweitwohnungen, die am Ende doch nur leer stehen... EV: Wohnen ist das eine. Aber wo sollen die neuen Insulaner denn arbeiten, Kinder zur Schule gehen…? Singer: 50 Arbeitsplätze sind gerade unbesetzt, wir suchen Leute in allen Bereichen: Krankenschwestern, Köche, Kapitäne, Meeresforscher, Lehrer, auch durch die Windpark-Anlagen vor Helgoland sind Arbeitsplätze in der Offshore-Branche entstanden. Wir haben eine Kita und eine Ganztagsschule mit 145 Kindern, in der Schule ist noch Platz. EV: Inzwischen leben wieder rund 1500 Menschen auf Helgoland, der Bevölkerungsrückgang ist gestoppt. Was ist der Reiz am Inselleben? Singer: Man kann hier leben und arbeiten, wo andere Urlaub machen. Okay, das kann man woanders auch, doch wir haben die sauberste Luft Deutschlands und sind einer der sichersten Orte überhaupt. Wir setzen auf Nachhaltigkeit, Natur und bieten auch im digitalen Zeitalter eine gute Versorgung: Unsere Schule setzt auf E-Learning, alle Haushalte sind mit bis zu 100 Mbit/s versorgt. Ich beobachte, dass es immer mehr junge Leute, die heute oft digital und ortsunabhängig arbeiten können, auf die Insel zieht. Denen ist es in der Stadt zu rummelig, die suchen ganz bewusst die Ruhe. EV: Wer neu auf die Insel zieht, muss aber auch gut zu Fuß sein: Autofahrer brauchen auf Helgoland eine Sondergenehmigung, sogar Radfahren ist verboten… Singer: Ja, das dient der Sicherheit! So können wir uns auf der Insel fast mit geschlossenen Augen fortbewegen, und weil alles so klein ist, kommt man auch zu Fuß überallhin. Schüler dürfen in der Wintersaison, von Oktober bis April, aber Rad fahren. Ansonsten lässt sich sagen: Weniger Verkehr steigert die Lebensqualität ungemein! Klar, ein paar Fahrzeuge fahren schon auf der Insel herum, Krankenwagen etwa, die noch mit Diesel betrieben werden. Doch es ist schon verrückt: Hier kann man es noch riechen, wenn hier mal ein Dieselauto an einem vorbeifährt, ansonsten sind wir eine fast hundertprozentige Mobilitätsinsel.
STAMP-Festival: Aufruf zum Tanz
Altonaer Passanten bleiben vor den knalligen Farbtupfern in Plakatform stehen. Lesen die Aufschriften, lachen, wundern sich. »Hör mal, hör hin, es ist still zwischen dem Krach« steht da geschrieben oder »Ich will nichts aufs Dorf, da sind die Leute viel zu sehr genau wie ich«. Vierzehn verschiedene Plakat-Sprüche prägen derzeit das Straßenbild, und nur wer genau hinsieht, liest das Kleingedruckte »Wie lebst du hier? Stimmen aus Altona, gesampelt«. Initiator der Aktion ist Tom Lanzki, Art Director von The Street Arts Melting Pot kurz STAMP-Festival, das vom 1. bis 3. Juni mit mehr als tausend internationalen Künstlern verschiedener Genre in die achte Runde geht. Im Festival-Vorfeld wurden auf der Straße Stimmen gesammelt, Menschen danach befragt, was das Leben im Stadtteil ausmacht, und die Essenz des Stimmungsbilds aufs Papier gebracht. Warum? Weil in diesem Jahr gemeinsam getanzt, die große STAMP-Parade zur partizipativen Kunst im öffentlichen Raum werden soll. »Früher stand das Publikum bei unseren großen Paraden am Rand, hat konsumiert und geklatscht, das hat mir gestunken«, sagt Lanzki. Diesmal soll das Publikum einbezogen werden. Dafür wurde ein Tanz entwickelt, der sich an der syrischen Dabke orientiert, die Musik wurde verpoppt, ein Video zum Erlernen der Schritte digital gestreut, Workshops werden angeboten. Was die Plakate damit zu tun haben? Sie sollen bereits vor dem gemeinsamen Tanz den Anstoß geben, eine eigene Haltung zum Stadtviertel und seinen Menschen zu entwickeln. Die STAMP-Parade beginnt am Sonntag, 3. Juni, am Bruno-Tesch-Platz, der Abschluss ist gegen 16.30 Uhr bei der Bühne am Festivalzentrum geplant. Die fixen Festival-Eintrittspreise wurden abgeschafft, die Besucher entscheiden selbst, was sie berappen möchten. | |
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