Trumpismus beim Abelpreis? | Doktoranden scheitern vor Gericht | Nature-Index-Reflex | Gastkommentar Martin Wortmann: Dr. rer. appl. sc.

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
eine Preisfrage zum Wochenausklang: Was haben Dehrle Ahlers, Otto Rohwedder, Herbert Panse, Kalli Mohr und Hanno Maack mit Walter Jens zu tun, und warum muss man ausgerechnet jetzt darüber nachdenken? Eine Hilfestellung und die Auflösung gibt Christine Prußky in der Fußnote. Im Gastkommentar legt Martin Wortmann den Finger auf eine Forschungslücke an Fachhochschulen. Der neueste Nature-Index provoziert alte Reflexe. Mathematiker machen sich Gedanken über den Abelpreis, und Doktoranden sind vor Gericht gescheitert wie die Lehrer.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Trumpismus beim Abel-Preis?
In Zeiten nationaler Alleingänge und Protektionismus schärfen Wissenschaftler Geist und Sinn, um Trumpismus in der akademischen Weltgemeinschaft keine Chance zu geben. „Nun sollte man natürlich vorsichtig sein mit Ferndiagnosen (…). Aber hier drängt sich doch der Eindruck auf, dass dies ein weiterer Schritt gegen die Internationalisierung der Wissenschaft ist“, schreibt  ein besorgter Mathematiker bei Scienceblogs. Es geht ihm um den mit rund 750.000 Euro dotierten Abelpreis. Den Nobelpreis für Mathematiker vergibt die Norwegische Akademie der Wissenschaften jährlich nach Gutachten eines wissenschaftlichen Komitees, das – unter norwegischer Führung – traditionell international besetzt ist. Genau das hat sich nun geändert. Die Akademie wählte jetzt einen Vorstand für den Abelpreis, der mit John Grue, Hilde Christiane Bjørnland, Aslak Bakke Buan, Sissel Rogne und Einar Ronquist bis zum Jahr 2020 ausschließlich aus Norwegern besteht. Norwegen zuerst?, fragte der Blogger denn auch pointiert in der Überschrift seines Beitrags. Gemeldet wird der Wechsel an der Komitee-Spitze auch von der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. In ihrer Notiz beschreibt sie die Pläne des neuen Vorstands: die Popularisierung des Abelpreises unter dem Motto "Abel for all".
  
 
 
Doktoranden scheitern vor Gericht
Es gibt Begriffe, die bei Debatten zur Zukunft der Promotion zuverlässig allergische Reaktion auslösen. Schule, Ausbildung oder Studium zum Beispiel gehören dazu. Die Promotion, heißt es dann, habe damit nichts zu tun. Sie diene allein der wissenschaftlichen Qualifikation. Dass dem so ist, hat das Bundessozialgericht jetzt in Kassel unterstrichen. Der 12. Senat bestätigte in einer Revisionsentscheidung vorinstanzliche Urteile (Aktenzeichen: B 12 KR 15/16 R und B 12 KR 1/17 R). Promovenden hatten auf Aufnahme in die studentische Krankenversicherung geklagt. Eine Niederlage vor Gericht erlebten fast zeitgleich auch Lehrer, die als Beamte ein Streikrecht forderten (ZEIT-Online, Tagesschau). "Ein Streikrecht für Beamte löste eine Kettenreaktion in Bezug auf die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses aus und zöge fundamentale Grundsätze des Berufsbeamtentums in Mitleidenschaft", erklärte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle.
  
 
 
Der Nature-Index-Reflex
Ja, die Wissenschaft ist schwer genervt vom Publikationsdruck. Aber nein, sie zieht daraus keine Konsequenzen. Forscher, Institute, Universitäten und Wissenschaftspolitiker starren weltweit auf den Nature-Index wie Kaninchen auf die Schlange. Die jüngste Ausgabe des naturwissenschaftlichen Publikationsrankings ist in diesen Tagen erschienen (Übersicht). Der Tenor in dem von institutionellen Pressemitteilungen befeuerten internationalen Medienecho (unter anderem THE, Gobal Times China, Times of India, Las Provincias, Mainpost, Forschung und Lehre): Wo sind die fleißigsten Forscher in der Welt? Noch Fragen?
  
   
 
 
   
   
   
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Friedenspreis geht an Aleida und Jan Assmann
Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann erhalten in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Der Ehepaar Assmann bekommt die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung für ihr „zweistimmiges Werk, das für die zeitgenössischen Debatten und im Besonderen für ein friedliches Zusammenleben auf der Welt von großer Bedeutung ist“, heißt es in der Erklärung des Stiftungsrats.
 
Claus Offe schenkt der Hertie School of Governance seine Bibliothek
An die 3.500 Bücher hat der Soziologe Claus Offe im Laufe seines Forscherlebens zusammengetragen. Die Sammlung enthält sozialwissenschaftliche Klassiker und zahlreiche Fachbücher zur Demokratietheorie, vergleichender Wohlfahrtsstaatforschung und zur politischen Ökonomie. Jetzt geht Offes Bibliothek an die Hertie School of Governance. Dort lehrte und forschte der Habermas-Schüler bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2012.
 
Achille Mbembe erhält Gerda Henkel Preis
Der südafrikanische Historiker Achille Mbembe wird in diesem Jahr mit dem Gerda Henkel Preis ausgezeichnet. Mbembe gehört zu den international führenden Vertretern der postkolonialen Theorie. Seine Arbeiten lenkten „den Blick auf das "Labor Afrika" jenseits aller gängigen Stereotypen und verweisen auf Zusammenhänge zwischen Kolonialismus, Rassismus und Kapitalismus, die auch hierzulande immer noch einer fundierten Auseinandersetzung bedürfen", heißt es in der Begründung der Stiftung. Der Preis ist mit 100.00 Euro dotiert.
 
Führungswechsel an vier Fachhochschulen
Die Fachhochschulen in Karlsruhe, Mainz, Potsdam und Stralsund bekommen neue Chefs. An der Pädagogischen Hochschule ist Nils Fabian Gertler zum Kanzler gewählt worden. Oliver Kornadt wird Präsident an der Hochschule Mainz, Eva Schmitt-Rodermund wird Präsidentin der Fachhochschule Potsdam und an der Hochschule Stralsund ist Petra Maier zur Rektorin gewählt worden.

Uni Salzburg sucht Historiker
Eine unbefristete Professur und 14 Monatsgehälter in Höhe von mindestens 5000 Euro bietet die Universität Salzburg Historikern, die sich auf europäische und österreichische Zeitgeschichte spezialisiert haben und sich im Drittmittel-Geschäft auskennen. Wie die Uni im aktuellen ZEIT-Stellenmarkt weiter erklärt, soll die Professur zum 1. Oktober 2019 besetzt sein. Wer über eine Bewerbung nachdenkt, muss wissen: Entstehende Reise- und Aufenthaltskosten übernimmt die Universität nicht – „leider“, steht in der detaillierten Jobbeschreibung auf den Uniseiten.
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Gastkommentar
 
 
   
von Martin Wortmann
   
 
   
Forschungslücken auf dem Weg zum Dr. rer. appl. sc
Durch den Aufbau von beachtlichen Forschungskapazitäten sind die zunehmenden Forderungen nach dem eigenen Promotionsrecht von Fachhochschulen verständlich. Sie werfen aber auch Fragen wie diese auf: Was unterscheidet eine Fachhochschule von einer Universität, oder wollen Fachhochschulen zu Universitäten werden?
Der Know-how-Transfer in Gesellschaft und Wirtschaft ist eine Stärke der Fachhochschulen. Allerdings ist Transfer an sich nicht unbedingt Gegenstand wissenschaftlicher (Grundlagen-)Forschung der Fachhochschulen geworden. Viele praktische Versuche sind gescheitert unter anderem, weil die hoch komplexen soziologischen und psychologischen Faktoren von Transferprozessen bisher nicht ausreichend erfasst, geschweige denn erforscht wurden.
Genau dieses Manko kann aber zum Credo der Fachhochschulen werden. Was bedeutet das? Der praktizierte Transfer durch angewandte Forschung muss theoretisch empirisch begleitet werden. Die Fachhochschulen müssen ihre sozialwissenschaftlichen Kapazitäten verstärkt in diesem Forschungsfeld einsetzen. Erst auf dieser Grundlage können wir auch über das Promotionsrecht für Fachhochschulen sprechen, ohne zur simplen Universitätskopie zu werden. Wie an Universitäten kann vergleichbar mit dem Dr.-Ing., dem Dr. rer. nat. etwa der Dr. rer. appl. sc. verliehen werden.
Der Fahrplan soll, wie bereits durch Fachhochschulgremien gefordert, die Gründung einer Deutschen Transfergesellschaft beinhalten. Diese sollte im ersten Schritt den Aufbau der „Dritten Mission“ an den deutschen Fachhochschulen unter Forschungsaspekten unterstützen. Damit würden die Voraussetzungen zur Einführung des Promotionsrechts für Fachhochschulen unter Begleitung einer Akkreditierungseinrichtung geschaffen.
Fachhochschulen und Universitäten sollten hierzu einen Pakt schließen, der ihrer jeweiligen Rolle gerecht wird. Beide haben ihre Bedeutung in der Gesellschaft über lange Jahr erarbeitet und letztlich verdient. Beide sollen sich weiter entwickeln und zwar im gegenseitigen Respekt und einer für das Land zukunftsweisenden Zusammenarbeit.
 
Prof. Dr. Martin Wortmann ist Präsident der Rheinischen Fachhochschule Köln.
 
   
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
»Irgendwann ist Zahltag« Tony Blair über seinen Kampf gegen den Brexit, das Misstrauen der Jugend – und darüber, was er heute studieren würde

Ideen für die Schule der Zukunft Was sich Schüler und Experten wünschen In der Warteschleife Deutschland unterstützt syrische Studenten in Jordanien. Sie sollen einmal beim Wiederaufbau ihres Landes helfen. Aber an eine Rückkehr ist noch nicht zu denken. Was jetzt?

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
 
   
Preisfrage: Was haben Dehrle Ahlers, Otto Rohwedder, Herbert Panse, Kalli Mohr und Hanno Maack mit Walter Jens zu tun?

Hilfestellung: Schalten Sie heute Nachmittag den Fernseher ein und zappen Sie durch die Kanäle. Beim Anpfiff des WM-Eröffnungsspiels in Moskau sollte es klingeln. Auflösung: „Wenn ich den letzten Goethe-Vers vergessen habe, werde ich den Eimsbütteler Sturm noch aufzählen können – Dehrle Ahlers, Otto Rohwedder, Herbert Panse, Kalli Mohr und Hanno Maack.“ Diese allzeit beste Liebeserklärung an den Fußball, speziell an den legendären Eimsbüttel TV der 30er-Jahre, stammt von Walter Jens.
Vor ziemlich genau fünf Jahren, am 9. Juni 2013, ist der Literaturwissenschaftler, Rhetorikprofessor und passionierte Fußballfan in Tübingen gestorben. Wie gut, dass Jens in seinem Forscherleben so herrlich weit über den eigenen fachlichen Tellerrand hinausblickte. Wer in den kommenden vier Fußball-Wochen also vor lauter Grün nicht mehr weiß, was rund ist und was eckig – der findet Halt bei Walter Jens. „Reden zum Sport: Nachdenkliches und Kritisches 1964-1999“, heißt der Band, in dem fünf wunderbare Jens-Reden zum Sport vereint sind. Ein Lesetipp, aktuell nicht nur zu dieser Putin-WM und geeignet nicht nur für Fußball- und Jensfans.
Christine Prußky
   
 
   
 
 
   
Nach dem CHANCEN Brief ist vor dem CHANCEN Brief. Bis Montag!

Ihr CHANCEN-Team

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