| HSH Nordbank: Späte Transparenz
Der Verkauf der HSH Nordbank ist so gut wie geschafft: Der Landtag in Kiel hat den Verkaufsvertrag schon abgenickt, heute geben die Abgeordneten in der Hamburgischen Bürgerschaft ihr Votum ab. Bleibt zu hoffen, dass die Politiker über all die Jahre den Durchblick behalten haben, denn das Drama um die marode Landesbank ist ganz schön kompliziert. Dass die HSH die Hamburger Milliarden an Steuergeldern gekostet hat, kann die Finanzbehörde zwar nicht mehr ändern. Aber wenigstens Transparenz schaffen: Am Montag hat sie eine Webseite an den Start gebracht, die Licht ins dunkle HSH-Wirrwarr bringen soll. Dort finden sich Bürgerschaftsdokumente, Presseerklärungen und mehrere »Fragen und Antworten«-Teile zur Bankenpleite. Wir haben uns die Seite angeschaut. Und finden: Ja, tatsächlich werden die Hintergründe dort gut strukturiert zusammengefasst – von der Entstehungsgeschichte der Bank und der Rolle Hamburgs bis zur Frage, warum die Bank nicht abgewickelt statt privatisiert wird. Eine gewisse Vorliebe für lange Wortkonstruktionen ist für die Lektüre sicher hilfreich, doch man muss kein Finanzexperte sein, um zu begreifen, was eine »Gewährträgerhaftung« ist. (Hier geht es zu unserer Umfrage – nein, nur ein Scherz, Sie wissen doch alle, was das ist...) Schade nur, dass es das Transparenzportal nicht schon früher gab. Wobei: Vermutlich liegt es nicht (nur) an komplexen Zahlenspielen, dass mancher wohl gar nicht alle Details wissen möchte: Zu lesen, dass sich hinter wohlklingenden Begriffen wie »Sunrise Garantie« schlappe 10 Milliarden Euro verbergen, mit denen die Länder für Verluste der Bank haften, treibt uns noch heute Tränen in die Augen. Trotzdem: wegsehen, nur weil der Finanzmarkt kompliziert ist? Auch keine Option. ZEIT:Hamburg-Kollege Oliver Hollenstein hat alles Wichtige zum HSH-Verkauf übrigens schon davor, nämlich hier zusammengefasst. (Dieser Link ist echt!)
»Herr Spahn, ich komme wieder!«
Anfang April marschierte Arnold Schnittger zu Fuß mit dem Rollstuhl seines mehrfach schwerstbehinderten Sohnes nach Berlin, um mit Jens Spahn über den Zustand des deutschen Pflegesystems zu sprechen. Der Gesundheitsminister ließ ihn abblitzen. Doch Schnittger lässt nicht locker: Am 28. Juni reist er noch mal nach Berlin. Diesmal mit der Bahn – und besonderem Gepäck. Elbvertiefung: Herr Schnittger, Ihre Einladung zum Kaffee hat Jens Spahn damals nicht angenommen. Hat er sich inzwischen mal bei Ihnen gemeldet? Arnold Schnittger: Nein, aber damit hatte ich auch nicht mehr gerechnet. Ich bin Herrn Spahn ja schon recht unhöflich angegangen, als ich ihn »empathielos« genannt habe. Damit wollte ich auf seine überheblichen Aussagen über Hartz-IV-Empfänger anspielen, inzwischen ist immerhin seine Rhetorik etwas zurückhaltender... EV: Dann haben Sie Ihre Meinung über den Minister revidiert? Schnittger: Nein, das nicht. Von seinen politischen Vorhaben halte ich wenig: Dass 13.000 neue Stellen in der Pflege vorne und hinten nicht reichen, weiß Herr Spahn doch ganz genau. Das ist reiner Aktionismus, um den Wählern zu signalisieren: Guckt her, wir machen was! Klar, Herr Spahn ist nicht dafür verantwortlich, dass das Pflegesystem schon vor Jahren an die Wand gefahren wurde. Doch jetzt muss es eben von Grund auf reformiert werden. Und gerade deswegen wünsche ich mir einen Minister mit Visionen, keine Flickschusterei. EV: Ende Juni ziehen Sie wieder vors Gesundheitsministerium. Was haben Sie vor? Schnittger: Ich habe in einem Aufruf alle, die etwas mit Pflege zu tun haben, aufgefordert, mir zu schreiben. Aus diesen Briefen lese ich vor. Es sind erschütternde Berichte, die zeigen, wie erbärmlich und menschenunwürdig es heute in vielen Heimen zugeht. Eigentlich hatte ich die Idee, Herrn Spahn einen ganzen Korb voller Briefe zu überreichen. Das wäre ein nettes Bild gewesen. Doch was bringt das? Die Texte liest er sowieso nicht, am Ende landen sie im Reißwolf. Die Öffentlichkeit muss aber wissen, was drinsteht… EV: Zum Beispiel? Schnittger: Besonders verzweifelt war eine 87-jährige Dame, deren 45-jährige autistische Tochter in einem Altenpflegeheim lebt. Eine einzige Nachtschwester muss sich dort um 45 Bewohner kümmern, die auf zwei Häuser verteilt untergebracht sind. Die Tochter wird jede Nacht ohne richterlichen Beschluss ans Bett gefesselt und liegt dort in ihren Exkrementen. Als sich die alte Dame beschwerte, drohte die Heimleitung sofort mit dem Verlust des Heimplatzes. Immer wieder schreiben auch Alleinerziehende, die ihre Kinder pflegen und wenig staatliche Unterstützung bekommen, dafür aber vom Amt zum Arbeiten angehalten werden. EV: Eigentlich war die Aktion für den 15. Juni vorgesehen, wurde aber verschoben. Warum? Schnittger: An dem Tag wären kaum Unterstützer vor Ort gewesen, große Verbände wie ver.di konnten auf die Schnelle keine Vertreter schicken, hieß es. Für den 28. haben nun schon ein paar Organisationen zugesagt. Von Sponsoring ist mein Engagement nicht abhängig, auch wenn ich mich über mehr Unterstützung freuen würde: Die Kosten für Anreise und Infomaterial trage ich selbst, der Verein »Wir pflegen« hilft mit Material für die Kundgebung aus. EV: Glauben Sie, dass die Aktion diesmal etwas bewirkt? Schnittger: Ach, ich bin nicht naiv. Seit ich vor zehn Jahren »Nicos Farm«, ein Wohnprojekt für behinderte Kinder und ihre Eltern, gegründet habe, bin ich grandios gescheitert: Es hat sich gar nichts verbessert. Und wenn schon große Sozialverbände und Initiativen nicht weiterkommen, kann ich allein sicher nichts bewirken. Aber die Sorge um meinen Sohn treibt mich an: Irgendwann ist er nicht nur behindert, sondern auch alt. Und ich ertrage den Gedanken nicht, dass es ihm einmal so gehen könnte wie der ans Bett gefesselten Frau. So lange sich daran nichts ändert, werde ich immer wiederkommen. Wer sich über die Aktion »Herr Spahn, ich komme wieder!« informieren oder Arnold Schnittger unterstützen möchte, findet hier weitere Infos. |
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