| | Die deutsche Fußballnationalmannschaft von 1978 © Onze/Icon Sport/Getty Images |
Angefangen hat alles auf dem Dach eines kleinen mexikanischen Hotels in der Retortenstadt Playa del Carmen an der Karibik. Ein halbstündiges Gespräch mit einer amerikanischen Fußballbegeisterten, die eigentlich in Mexiko geboren war. Sie hieß Jolanda und sah so aus wie Hope Solo, die amerikanische Torhüterin und hatte einen Freund mit Schnäuzer und Intellektuellensonnenbrille, der aber nie etwas sagte. Der Anfang vom Ende, die große Fußballdepression. Und dass es so jetzt nicht mehr weitergehen konnte. „Und du bist für Deutschland?“, fragte ich Jolanda erstaunt. Eigentlich wollte ich mit ihr über Octavio Paz sprechen, über Literatur und Mexiko, aber dann waren wir irgendwie bei der Fußball-WM gelandet. „Und was ist mit dem Land, in dem du geboren ist? Interessiert dich das überhaupt nicht?“ Tatsächlich kannte sie noch nicht einmal einen einzigen mexikanischen Spieler. Dort, auf dem Dach eines kleinen Hotels am Stadtrand von Playa del Carmen, wo der Mega-Supermarkt war und es die besten Street Tacos zu kaufen gab, zeichnete sich das Ende (und der Untergang des 1. FC Köln) schon ab. Aber ich war noch nicht so weit, aufzugeben und der Schönheit des Spiels für immer zu entsagen. „Aber hat Mexiko nicht auch ein religiöses Verhältnis zum Fußball?“, fragte ich. (Bei Octavio Paz stand nichts über Fußball, aber Das Labyrinth der Einsamkeit, in der es um die Verlorenheit der mexikanischen Seele ging, war zumindest ein guter Ausgangspunkt, um über Chicharito zu sprechen, der eine Weile mit immer größerer werdender Apathie beim Werksclub von Bayer Leverkusen gespielt hatte, als hätte ihn die bevorstehende Fusion von Monsanto und Bayer tieftraurig gestimmt.) Die Schönheit ist müde geworden „Die Deutschen“, sagte Jolanda, die in meinen Augen eigentlich Mexikanerin war, „spielen am schönsten. Ja, das kann man sagen.“ Sie schnalzte mit der Zunge und hob eine aufgeschnittene Melone hoch. Zu diesem Zeitpunkt stand ich noch im lauwarmen Wasser des Pools, der das einzig Spektakuläre am Hotel und so klein war, dass kaum mehr als zwei Leute in ihm schwimmen konnten. Jolanda saß am Beckenrand, ihr mexikanischer Freund döste auf der anderen Seite unter einem wüstenfarbenen Sonnschirm herum und hatte die Sonnenbrille auf die Stirn geschoben. Ich stand in Hockstellung, damit mich das Wasser vollständig bedeckte und meine Nacktheit nicht zu obszön wirkte. „Der Fußball könnte dich mit Mexiko versöhnen“, erklärte ich. (Sie wusste noch nicht mal, dass Mexiko und Deutschland bei der WM gegeneinander spielen würden, kannte aber einen nicht unerheblichen Teil der deutschen Spieler mit Namen.) „Ja, ok“, sagte ich. „Die Deutschen spielen mittlerweile ganz schön. Aber diese Schönheit … sie ist etwas müde geworden. Fast lustlos, könnte man sagen. Außerdem finde ich die meisten deutschen Spieler viel zu glatt und selbstgefällig.“ (Mit Ausnahme des mönchshaften und engelsgleichen Jonas Hector, der auch in fußballerischer Hinsicht bescheiden auftrat, bis auf ein wunderbar herausgedribbeltes Bundesliga-Tor damals in der Saison nach dem Aufstieg.)
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