Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine möchten eine linke Sammlungsbewegung gründen. Eine Plattform. Ein Projekt. Je nach Interview liest man verschiedene Beschreibungen dieser Idee, deren Ziel darin besteht, so beschrieb es das Ex-SPD Mitglied und der künftigerUnterstützer, Detlev von Larcher: "So viel Druck auf die Politik machen, dass die Politik sich ändert". Rudolf Dreßler, SPD, wäre wohl auch dabei. Aha. Da wollen also Politiker, zum Teil mit Mandat, eine Plattform initiieren, um Druck auf sich selbst zu machen, um damit eine Politik zu ändern, an der sie Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte, aktiv mitwirkten. Abgesehen davon, dass man eine Bewegung nicht gründen kann, sondern allenfalls initiieren oder sich hinter sie stellen, aber keineswegs ausrufen – warum gründet man nicht eine Partei, in der man alles umsetzt, wovon man meint, dass es sinnvoll wäre. Oder, noch schriller: Warum bleibt man nicht einfach in seiner Partei und wirkt? Links und vor allem rechts am Wegesrand Es handelt sich bei Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine irgendwie schon um ein drolliges Pärchen. Die ganze Idee der linken "Sammlungsbewegung" geht von ihnen beiden aus. Er, Lafontaine, trat bereits einmal aus Protest aus seiner eigenen Partei, damals der SPD, aus. Er wechselte zur WASG, die damals noch eine politische Plattform war. Linke Sammlungsbewegung drückt es eigentlich ziemlich präzise aus. Später fusionierte sie mit der PDS zu Die Linkspartei, und Lafontaine zog mir ihr in den Bundestag ein. Das war 2005. Der Streit entstand durch Uneinigkeit über Schröders Agendapolitik und die Hartz-IV-Gesetze. In der WASG gab es Gewerkschafter, Sozialisten und eine Strömung namens "Antikapitalistische Linke" mit Sahra Wagenknecht. Das Ehepaar hat also bestens Erfahrung damit, wie man aus einer Bewegung eine Partei macht. Dieses Mal herrscht wieder ein parteiinterner Streit. Es geht um den Kurs der Linken in der Flüchtlingspolitik. Diese neue, künftige Sammlungsbewegung aber wollen Wagenknecht und Lafontaine partout nicht als Vorbereitung für eine neue Partei verstanden wissen. Es geht jetzt erstmal darum einzusammeln, was man links und vor allem rechts vom Wege als Wählerpotential vermutet. Inhaltlich ist die Programmatik rasch erzählt. Man muss es sich bloß vorstellen wie die AfD, aber zusammengesetzt ist aus Ex-Linken, Ex-Grünen, Ex-Kommunisten, die Leute aus Attac werden auch immer genannt, und wenn noch jemand von Food-Watch oder dem Adac dazu kommen mag, sind sie sicher auch willkommen. Boris Palmer weint bestimmt schon vor Glück. Es kursiert ein Elf-Punkte-Papier, das "aus Versehen" in den Zeitungsredaktionen landete. Die FAZ zitierte daraus. Unter anderem geht es um die "Wahrung kultureller Eigenständigkeit" und "Respekt vor Tradition und Identität". Aber eigentlich, und das zieht sich durch sämtliche Interviews, geht es um eine Flüchtlingspolitik, die darin besteht, dass der Flüchtling nicht kommen soll, weil er ein "Konkurrent um die knappen Ressourcen" sei, ein Fremder, dessen "unbekanntes Verhalten zu Verunsicherung führen kann". So formulierten es Sahra Wagenknecht und der Dramaturg Bernd Stegemann. Rechte Partei mit linken Inhalten? Stegemann wäre, um in dem AfD-Bild zu bleiben, eine Art Götz Kubitschek, der möglichst unverständlich und kompliziert den theoretischen Überbau für eine schlichte Idee liefern soll, die man als "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" zusammenfassen könnte. Lafontaine würde es eleganter ausdrücken. "Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen." So sprach er im Wahlkampf 2005 für die WASG in Chemnitz und forderte eine andere Ausländer- und Migrationspolitik. Damals ging es um die EU-Osterweiterung für Rumänien und Bulgarien. Im Jahr 2018 klingt es bei Sahra Wagenknecht so: "Wenn 800.000 Menschen nach Deutschland kommen und 500.000 brauchen einen Job, verstärkt das natürlich die Lohnkonkurrenz". Sie wiederholt es überall. Man habe nichts gegen die Flüchtlinge, aber es sei doch besser, dass man sie da unterstütze, wo sie leben. Vor 10 Jahren war es Oskar Lafontaine, der in der Bild-Zeitung über die Pläne des SPD-Innenministers Schily für Auffanglager in Nordafrika jubelte. Sogar Schäuble sprach damals von "Internierungslagern". Man mag das alles politisch für legitim halten oder nicht. Aber man sollte wissen, dass die heutigen, politischen Inhalte für eine linke Sammlungsbewegung die gleichen alten Ideen sind. Es ist, als ob Sahra Wagenknecht Lafontaines Meisterschülerin ist und eifrig die alte, nasse, muffige Dackeldecke von damals aufschüttelt. Es handelt sich hier keineswegs um ein maßgeschneidertes Rezept gegen die AfD, wie die beiden immer versichern, sondern um den Versuch einer linken Partei mit rechten Inhalten. Oder umgekehrt, einer rechten Partei mit linken Inhalten. Also eine internationale Solidarität ohne Solidarität und Internationalität. "Die da oben" Das allerperfideste aber, um nicht zu sagen, eine bodenlose Unverschämtheit, ist, dass die künftige Sammlungsbewegung als Notwendigkeit zum Ausüben von Druck auf die Parteien begründet wird. Das ist exakt die AfD-Linie, die Tag und Nacht auch nichts anderes behauptet. Nämlich, dass die "Alt-Parteien" nichts bewegen könnten. Das man da sei, um ihnen Beine zu machen. Man steht aber nicht außen, sondern sitzt mitten im Bundestag. Würde man in einer Diktatur leben, dann könnte man die Gründung einer Initiative zur Durchsetzung von politischen Interessen nachvollziehen. Dann würde man sagen, "die Ärmsten, sie dürfen keine Parteien gründen, sie haben weder Meinungsfreiheit noch besitzen sie Immunität, ihnen bleibt nichts als fahnenschwenkend auf die Straße zu gehen". Aber in Zeiten, in denen die Rechtsextremen ihr Märchen von "die da oben" und "auf uns hört keiner" konstruieren, es mit genau der gleichen Argumentation als Parlamentarier oder Parteimitglieder zu unterfüttern, mitten aus dem Herz einer demokratischen Partei und einem funktionierenden Parlament heraus, und das Ganze auch noch als Widerstand gegen rechts zu adeln, ist einfach nur obszön. Sollen Wagenknecht und Lafontaine doch sagen, was sie anstreben. Nämlich, endlich einmal Führer einer links-nationalistischen, antiamerikanischen, pro-russischen, flüchtlings-und migrationsfeindlichen Partei mit Mindestlohn und Vermögenssteuer zu werden. Kurz: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht für Arme – arme Deutsche, wohlgemerkt.
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