Fünf vor 8:00: Ja zum Freihandel - aber bitte nicht so - Die Morgenkolumne heute von Petra Pinzler

 
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FÜNF VOR 8:00
12.06.2018
 
 
 
   
 
Ja zum Freihandel – aber bitte nicht so
 
Die Europäer halten gegen Trump zusammen. Gut so. Jetzt müssen sie beweisen, dass sie fairere Regeln für den globalen Handel schreiben können als die USA.
VON PETRA PINZLER
 
   
 
 
   
 
   

Stehen wir Europäer einen Handelskrieg gegen den unberechenbaren amerikanischen Präsidenten gemeinsam durch? Seit Donald Trump am Wochenende mal eben mit einem kleinen Tweet die Weltpolitik durcheinander gewirbelt hat und nun eine wechselseitige Anhebung der amerikanischen und europäischen Zölle immer wahrscheinlicher wird, treibt diese Frage viele Kommentatoren um und dass aus gutem Grund. Schließlich gibt es auch in der EU so mancherorten klammheimliche Freude darüber, dass Trumps Angriffe die deutsche Stahlindustrie treffen. Und vor allem in Südeuropa, wo man seit langem schon mit Argwohn beobachtet, wie sehr die EU-Währungspolitik in der Vergangenheit gerade der deutschen Wirtschaft genutzt hat, beobachtet man mit Schmunzeln, dass die nächsten Zölle wohl  BMW und Daimler treffen werden.

Man kann das ärgerlich finden. Oder verständlich: Gäbe es noch die D-Mark, wäre die schließlich längst aufgewertet und damit deutsche Produkte im Ausland automatisch viel teurer – auch im innereuropäischen Ausland. Das würde die deutschen Autobauer genau so treffen. Trotzdem sollte man das bißchen Schadenfreude niemandem verübeln, zumal es bisher dabei geblieben ist.

Die EU ist ein Segen!

Faktisch nämlich zeigen sich Italiener, Griechen, Franzosen solidarisch mit Deutschland. Und das liegt wiederum auch an der EU. Oder anders formuliert: Für die Bundesrepublik ist die EU mit all ihren Institutionen und Verfahren gerade ein echter Segen. Denn sie zwingt die europäischen Regierungen nicht nur dazu, sich immer wieder abzustimmen. Sie hilft auch dadurch, dass (offiziell) Brüssel für alle EU-Mitglieder mit Washington verhandelt. Es ist die EU, die als Reaktion auf Trump Importzölle auf amerikanische Produkten erhebt. Trump hat diesen Grad der europäischen Verflechtung nie verstanden und grob unterschätzt – und deswegen bisher vor allem eines erreicht hat: Er hat die Europäer ehrgeiziger gemacht, jedenfalls in der Handelspolitik. Und das sogar in Bereichen, die derzeit weit unter der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle liegen.

Am kommenden Donnerstag wird man das im Bundestag erleben können. Dann diskutieren die Fraktionen dort über JEFTA. Dieses neue Abkommen hat die EU-Kommission mit Japan verhandelt. Ende des Monats will der Ministerrat, also die EU-Regierungen, in Brüssel dafür ihr Okay geben. Und damit nicht genug: Weitere Abkommen mit den Staaten Südamerikas und Mexiko, mit Vietnam und Singapur werden mit Hochdruck verhandelt oder sind fast fertig. Still und leise legt die EU also ein Netz von Regeln um eine Welt, aus der die Amerikaner sich gerade verabschieden.

Die EU muss für eine faire Globalisierung kämpfen

Das ist, grundsätzlich, gut und richtig – und genau die Antwort, die Europa Trumps Amerika geben sollte: Ihr könnt gerne glauben, globalen Regeln sind von gestern. Wir sehen das anders. Wir handeln anders. Und andere, wichtige Teile der Welt offensichtlich auch.

Nur eines läuft leider auch in der EU falsch, und das hat mit dem Selbstbild zu tun, das da in etwa lautet: "Wir sind die Guten". Nur weil Trump irre Dinge tut, werden wir, wird die EU, nicht automatisch zum Kämpfer für eine gerechte und umweltfreundliche Globalisierung. JEFTA zeigt auch das exemplarisch: Als die EU-Kommission den Inhalt dieses Vertrages vorbereitete, sprach sie mit keinem einzigen Gewerkschafter, keinem Verband kleinerer und mittlerer Unternehmen, aber 190 Vertretern von Konzernen und großen Wirtschaftsverbänden. Das ergab eine Studie der NGO LobbyControl, die bei der EU-Kommission nachgefragt hat. Die Folgen sind traurig: JEFTA ist frei von verbindlichen Regeln für den Schutz der Umwelt. Und nur weil die Grünen und die Linke darauf bestanden haben, wird darüber im Bundestag darüber überhaupt debattiert.

Wer Freihandelsabkommen kritisiert gilt als Trump-Fan

Dabei ist das dringend nötig. Denn auch in anderen Verträgen wehrt sich Brüssel, unterstützt von der großen Koalition in Berlin, gegen mehr Ambitionen. Als die französische Regierung beispielsweise in Brüssel unlängst dafür warb, Klimaschutz als wesentlichen Bestandteil in künftige Handelsverträge aufzunehmen, blockierte das deutsche Wirtschaftsministerium – so als Handel und die Zerstörung der Umwelt einfach zwei völlig voneinander unabhängige Themen wären. Was natürlich Quatsch ist.

Politische Konsequenzen hat das europäischen Versagen derzeit leider nicht – auch das ist eine Folge von Trump. Denn der hat in Europa fast jeden Protest gegen Handelspolitik neutralisiert. Jeden, der etwas an der Liberalisierungsstrategie der EU kritisiert, wird heute von deren Fans leicht ins Trump'sche Antiglobalisierungslager gesteckt. Frei nach dem Motto: Wer gegen unsere Strategie demonstriert, ist automatisch für Trump. Das ist zwar Blödsinn. Trotzdem funktioniert die Pauschalisierung erstaunlich gut, kritische Debatten über die richtigen Abkommen, hört man kaum noch. Die aber wären so wichtig. Schließlich sollte sich die EU mit dem Rest der Welt nicht nur auf irgendetwas einigen, es sollten schon gute Regeln sein. Die die Globalisierung zähmen, Menschen und Natur schützen.

Wenn das gelingt, wird es auch denen leichter fallen, die bislang noch ein bisschen hämisch sind, weiterhin solidarisch zu sein. Mit Deutschland. In der EU und im Rest der Welt.

   
 
   
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Fünf vor 8:00 ist die Morgenkolumne von ZEIT ONLINE. An jedem Werktag kommentieren abwechselnd unter anderem Michael Thumann, Theo Sommer, Alice Bota, Matthias Naß, Martin Klingst und Jochen Bittner.