Title IX | Glückwunsch an die BBAW | Dr. acad. Sommer: Uni mit 40+? | Fußnote: (Kein) Tor

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
interessantes Paradox: An deutschen Hochschulen kann man mit Anfang 40 „Nachwuchs“ heißen und zugleich schon „zu alt“ für eine wissenschaftliche Karriere sein. Unsere heutige Dr. acad. Sommer, Monika Klinkhammer, hilft in dieser Problemlage weiter. Ab morgen tagt die GWK mit BMBF-Chefin Anja Karliczek – Stichwort Dynamisierung des Hochschulpakts (SZ). Hoffentlich sind alle dortigen Beteiligten in diesen Tagen mehr auf Zack als wir wir: Im Chancen-Ressort herrscht gerade ein kleiner Prä-Urlaubs-Durchhänger (Fußnote)…
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Ausländische Studierende empfehlen Deutschland weiter
Gute Nachrichten für alle, die in akademischen International Offices daran arbeiten, dass die Internationalisierungsvisionen von BMBF, AA und DAAD auch wirklich umgesetzt werden. Dem vorgestern vorgelegten Bericht „Ausländische Studierende in Deutschland 2016“ zufolge kommt derzeit jeder zehnte Studierender aus dem Ausland; das gilt vor allem für die MINT-Fächer, wo sich rund die Hälfte der 252.000 ausländischen Studierenden tummeln. 84 Prozent der Befragten fühlt sich hierzulande so wohl, dass sie Deutschland als Studienort ihren Freunden empfehlen würden (2006: 60 Prozent). Jede Vierte gibt an, Probleme bei der Orientierung im Studiensystem zu haben (2012: 41 Prozent). Die ausländischen Studierenden sind im Schnitt 26,3 Jahre alt, 48 Prozent sind weiblich, der Großteil strebt einen Studienabschluss an. Der Bericht wurde vom DZHW und DSW im Rahmen der 21. Sozialerhebung erstellt, finanziert hat ihn das BMBF. Hier der Bericht als pdf. (Tagesspiegel; Forschung und Lehre
  
 
 
Boom in der amerikanischen Politikberatung
Die Wissenschaft (nicht nur in den USA) politisiert sich unter Donald Trump. Und hier kommt, via Scientific American, eine Zahl zu dieser gefühlten Wahrheit: 45 Prozent der „Science Policy Groups“ (also jener Gruppen, die aus wissenschaftlicher Sicht Politikberatung machen) sind in den letzten eineinhalb Jahren entstanden. 22 Campusse wurden dafür vom National Science Policy Network (NSPN) untersucht, das sich neu gegründet hat und auf die (Nicht-)Wissenschaftspolitik im Weißen Haus reagieren will. Dafür vergibt es Gelder an Forscherinnen und Forscher aus den Feldern Biomedizin, Physik, Ingenieurs- und Rechtswissenschaften.
  
 
 
Title IX-Verfahren gegen Avital Ronell
Vergangene Woche wurde bekannt, dass gegen die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Avital Ronell ein Title IX-Verfahren läuft. Solche Title IX-Beschwerden umfassen eine große Bandbreite an Vorwürfen aus dem Bereich der Diskriminierung und sexuellen Belästigung. Ronell, 66, lehrt seit mehr als zwei Jahrzehnten Germanistik und Komparatistik an der New York University; sie gilt als eine der einflussreichsten Vertreterinnen der Humanities. Öffentlich wurde die Tatsache, dass ein solches Verfahren läuft, weil der Philosophie-Blog Leiter Reports einen Unterstützerbrief geleaked hatte, in dem sich mehr als 50 Professorinnen und Professoren für Ronell aussprechen und an die NYU appellieren, ein faires Verfahren durchzuführen; darunter Judith Butler, Gayatri Spivak, Slavoj Zizek, Barbara Vinken, Rüdiger Campe. Der Brief fand ein weites Echo: im Chronicle, bei Quartz, in Ha‘aretz, im Freitag, der Welt, bei Breitbart. Diskutiert wurde vor allem der Vorwurf, ob der Brief Ausdruck eines elitistischen Victim Blaming sei, weil ein angebliches Fehlverhalten Ronells mit ihrem akademischen Meriten aufgewogen werde. Das Title IX-Verfahren selbst ist universitätsintern, d.h. keiner der Betroffenen darf sich äußern – die veröffentlichten Deutungen des Falles und des Unterstützerbriefes bewegen sich daher im Bereich der Spekulation. Slavoj Zizek veröffentlichte gestern ein Statement, in dem er erklärt, warum er den Brief unterschrieben hat: "So why did I sign the letter? For a very simple reason: I DO know the details of the accusations against her, and I find them utterly ridiculous. (...) The only good outcome of the scandalous procedure against Avital could be that it would trigger a reflection on the pathologies of our academic lives." Eine Einordnung der Debatte und Kontroversen um Title IX schreibt Anna-Lena Scholz in der neuen ZEIT
  
   
 
 
   
   
   
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Hecht bleibt Kanzler
Kontinuität an der Universität Hamburg: Martin Hecht wurde vom Hochschulrat für eine weitere Amtszeit als Kanzler einstimmig wiedergewählt. Der Wirtschaftsingenieur leitet die Geschäfte der Uni Hamburg seit 2012.

Akademiepreis 2018
Doppelter Glückwunsch: Erstens an die Neurowissenschaftlerin Hannah Monyer vom DKFZ und der Universität Heidelberg – sie wird von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) mit dem Akademiepreis 2018 für herausragende wissenschaftliche Leistungen geehrt. Zweitens: An die BBAW höchstselbst – dafür, dass es ihr im Jahr 2018 erstmals gelungen ist, den Preis an eine Frau zu verleihen. Der Akademiepreis wird seit 1996 vergeben, er ist mit 50.000 Euro dotiert.

Kleiner Medaillenregen
...und weil eine Medaille nicht genug ist: Die BBAW verleiht in diesem Jahr außerdem die Leibniz-Medaille an die Soziologin Helga Nowotny (sowie eine weitere an den Unternehmer und Mäzen Walter Wübben). Und die Infektionsforscherin Rita R. Colwell (University of Maryland) wird mit der Helmholtz-Medaille ausgezeichnet, auch hier geht die Ehrung erstmals an eine Wissenschaftlerin. 

Dr. Dr. h.c. Anette Schavan
Akademisches Happy End für Annette Schavan: die University of Rome Tor Vergata verleiht der ehemaligen Bundesbildungsministerin (2005 bis 2013) die Ehrendoktorwürde in Biochemie und Molekularbiologie – für „ihre Vision, universitäre und außeruniversitäre biomedizinische Forschung in einer neuen nationalen Organisation zusammen zu bringen“, nämlich den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung der Helmholtz Gemeinschaft (DZG). Schavan ist seit 2014 Deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl in Rom. Es ist übrigens nicht ihre erste Ehrendoktorwürde: 2014 verlieh ihr die Universität Lübeck den Dr. med. h.c. (SpOn).

Job: ETH
Das ist mal ein Job aus der allerobersten Ersteklasseliga, der im aktuellen ZEIT Stellenmarkt ausgeschrieben ist: Präsidentin der ETH Zürich (m/w). Deswegen muss man auch ziemlich viel können: im Wissenschaftsbetrieb vernetzt sein, Führungserfahrung in der Wirtschaft haben, Sozialkompetenz, Durchsetzungsvermögen (!), kulturelle Sensibilität, deutsch/englisch/französisch. Frohes Bewerben allen Erstligisten und Erstligistinnen!
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Dr. acad. Sommer
 
 
   
 
   
Liebe Frau Dr. acad. Sommer,
ich bin fast 40 und eine Nachzüglerin in Sachen Promotion, die ich derzeit als Uni-Externe in Vollzeit abschließe. Davor war ich an privaten Forschungseinrichtungen und in der freien Wirtschaft tätig. Ich arbeite sehr interdisziplinär – bin also nur schwer einem Fachbereich zuzuordnen; auch habe ich publiziert – nicht aber in bedeutenden Journalen. Vorträge halten kann ich – wissenschaftliche Konferenzen aber sind Neuland für mich. Ich lehre unheimlich gerne und würde gerne an meinem Forschungsthema dranbleiben. Ist ein Quereinstieg in meinem Alter in die Wissenschaft noch möglich?


Liebe Frau X,
natürlich ist ein Quereinstieg möglich! Theoretisch. Praktisch sind Sie mit fast 40 spät dran, das durchschnittliche Berufungsalter liegt bei 42. Ihre Entscheidung für den Quereinstieg sollte deshalb gut überlegt sein. Orientieren Sie sich an folgenden Punkten:
Motivationscheck: Liebe ich mein Thema? Kann ich weiterhin über Jahre stringent meinen Forschungsfokus entwickeln, inhaltliche Unsicherheiten aushalten und verteidigen? Bin ich im Hinblick auf die Hochschulkultur, den professorablen Habitus und auf ein eher einschlägig ausgerichtetes Expertentum anschlussfähig und -willig?
Marktcheck: Ist mein transdisziplinäres Forschungsprofil auf dem Berufungsmarkt zukunftsfähig, chancenträchtig, auch einschlägig genug (Publikationen, Drittmittelpotential, Kooperationen, Lehrportfolio)? Bin ich mit meinem "Stallgeruch" universitär und fachspezifisch passfähig?
Lehrkompetenzcheck: Ist mein Lehrportfolio erweiterbar, kann ich fehlende hochschuldidaktische und praktische Lehrerfahrung zügig erwerben?
Publikationscheck: Publiziere ich gerne, schnell viel, auch mit Co-Autoren? Überwinde ich leicht Schreibblockaden? Nutze ich Feedback konstruktiv? Kann ich leicht Kontakte mit Herausgeber/innen von Peer Reviewed Journals und einschlägigen Verlagen aufbauen?
Drittmittelcheck: Konzipiere ich schnell neue Forschungsprojekte? Bestehe ich erfolgreich im hochkompetetiven Wettbewerb um Drittmittel?
Einkommenscheck: Kann ich befristete, unsichere Arbeitsverhältnisse –- ohne Gewähr auf dauerhafte Perspektiven – finanziell überbrücken und aushalten und zugleich leistungsfähig bleiben?
Emotionscheck: Kann ich überzeugen und mich vermarkten; Erfolge, Konkurrenz und Kränkungen aushalten? Kann ich mit konfliktträchtigen Arbeitssituationen und permanentem Zeit-, Leistungs- und Bewertungsdruck umgehen? Trägt mein privates Umfeld meine Karriereambitionen?
Gesundheits- und Belastungscheck: Bin ich fit, stress- und "reisetauglich"? Erhole ich mich schnell und weiß, meine "Batterien" nach stressigen Hochleistungsphasen wieder zu laden? Liebe ich stressige Arbeitsphasen weit über nine to five hinaus?
Mobilitäts- und Internationalisierungscheck: Kann ich vorübergehend an einer anderen Universität auch im Ausland arbeiten und international kooperieren?
"Vitamin-B"-Check: Bin ich gut vernetzt mit -Wissenschaftler/innen und relevanten Hochschulen, die zu meinem Profil passen? Unterstützen mich Mentor/innen, indem sie mir z. B. berufungsrelevantes Insiderwissen weitergeben, den Marktwert meines Profils checken und meine Reputation fördern?
Gender-Check: Ist der Frauenanteil in meinem Forschungsfeld gering und Frauenförderung (Kaskadenmodell) eine Karrierechance und Joker? Bin ich für hierarchisierte Geschlechterverhältnisse in Professionalisierungsprozessen gut gewappnet?
Alternativen-Check und Sicherungsnetz: Habe ich Alternativen, einen Plan B und die FH-Professur im Visier? Wie und wo kann ich notfalls in einigen Jahren Geld verdienen und glücklich werden?
Begegnen Sie den meisten Fragen positiv? Dann lohnt es sich, Ihre Chancen und Risiken gründlicher abzuwägen . Anderenfalls rate ich Ihnen, andere Wege zu suchen, um Ihre thematischen und wissenschaftlichen Interessen und Wünsche zu erfüllen und weniger den Verlockungen und Verführungen des teils verklärten Professorenstatus zu folgen. Viele Erfolge und Glück dabei!

Dr. Monika Klinkhammer ist Coach, Supervisorin, Trainerin, Ausbildungsleiterin und Lehrcoach, Schwerpunkte u.a. Führung und Konfliktmanagement. Sie schreibt für das Coachingnetz Wissenschaft als "Dr. acad. Sommer". 
   
 
   
 
   
Auch eine Frage an Dr. acad. Sommer? Schreiben Sie an chancen-brief@zeit.de, twittern Sie unter #ChancenBrief – oder hinterlassen Sie uns in diesem Kontaktformular anonym Ihre Frage!
   
 
   
 
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
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Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
„Integration durch Normalität“ Franziska Giffey will keine Extrawürste für Migranten und die besten Erzieher für schwierige Kitas. Ein Gespräch mit der Bundesfamilienministerin

Unter Verdacht Was bedeuten die Vorwürfe gegen die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Avital Ronell? Ein Mann will Lehrer werden An einer Brennpunktschule. Und darf nicht. Obwohl die Schule ihn will, obwohl Pädagogen fehlen. Ein Einzelfall? Nach der Schicht Bald schließt die letzte Zeche. Im Ruhrgebiet bereiten sich Ingenieure und Start-Ups auf die kohlefreie Zeit vor

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
 
 
Fußnote
 
 
   
   
 
   
Es ist Mittwoch Nachmittag, 15:38 Uhr, ich muss noch eine Fußnote schreiben, worüber schreibe ich bloß, erstmal einen Espresso trinken, gleich ist Anpfiff, da kommt der Kollege rein – Guckst Du mit?, Nein, ich muss ja eine Fußnote schreiben –, wieso fällt mir heute nichts ein, den Schreibtisch voller Bücher und den Kopf voller Gedanken, die Inspiration bleibt aus, ob es den Wissenschaftlerinnen da draußen auch manchmal so geht?, jetzt ist Anpfiff, Tor!, oder war das nur in meinem Kopf?
Anna-Lena Scholz
   
 
   
 
 
   
Inspirationshilfen bitte an: chancen-brief@zeit.de. Schönes Wochenende!

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
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