Der Milliardär
Warren Buffett hat wahrscheinlich recht mit seiner Prognose: Am Ende werden die Vereinigten Staaten und China einen Handelskrieg vermeiden. Beide Länder agierten zwar manchmal etwas dämlich, sagte der Großinvestor. Aber die Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt seien einfach zu wichtig. Zu viel stehe auf dem Spiel, als dass "zwei intelligente Länder etwas so extrem Dummes" zulassen könnten.
Zunächst aber stehen die Zeichen auf Konfrontation. Eine hochrangige US-Delegation unter Führung von Finanzminister Steven Mnuchin und Wirtschaftsminister Wilbur Ross ist Ende voriger Woche unverrichteter Dinge aus Peking abgereist. Im Auftrag von Präsident Donald Trump hatte sie radikale Forderungen auf den Tisch gelegt: China solle seinen Handelsüberschuss mit den USA bis zum Jahresende 2020 um 200 Milliarden US-Dollar verringern. 2017 betrug der Handelsüberschuss 375 Milliarden US-Dollar. Ein illusorisches Verlangen, wie allen Beteiligten klar ist.
Damit nicht genug: China soll auch den Kern seiner Industriepolitik aufgeben, die 2015 vom Staatsrat beschlossene Strategie
Made in China 2025. Die hat zum Ziel, bis zum Jahr 2049, wenn sich die Gründung der Volksrepublik zum hundertsten Mal jährt, in zehn Schlüsselindustrien zur Weltspitze aufzusteigen. Zu diesen strategisch entscheidenden Bereichen gehören für die chinesische Regierung unter anderem die Robotik, die Luft- und Raumfahrt und die Elektromobilität. Der Staat fördert innovative Unternehmen mit Milliardensummen – ein Staatskapitalismus, der nicht nur aus amerikanischer Sicht den globalen Wettbewerb verzerrt.
Darüber kann und muss man sprechen. Aber nicht mit ultimativen Drohungen wie von der Trump-Regierung, die Strafzölle auf chinesische Exporte in Höhe von 150 Milliarden US-Dollar angekündigt hat. Natürlich kann die Regierung in Peking eine solche Erpressungspolitik nicht hinnehmen. Warum versucht es Trump dennoch?
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat dafür eine Erklärung. Macron war mit großem Pomp in Washington empfangen worden, Trump und er kommen miteinander aus. Der Franzose wollte den Amerikaner davon überzeugen, dass es vernünftig wäre, am Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten. Trump ließ ihn abblitzen. Und tatsächlich: Am Dienstag hat er das Abkommen aufgekündigt; die Vereinigten Staaten wollen nun "schärfste Sanktionen" gegen Teheran verhängen. Trump will Druck auf den Iran ausüben. Druck und noch mehr Druck.
Macron nennt das eine "Strategie, um die Spannung anzuheizen". Trump habe aus dem Konflikt mit Nordkorea die Lehre gezogen: "Wenn du sehr hart bist, bringst du die andere Seite dazu, sich zu bewegen. So kannst du versuchen, einen guten Deal oder einen noch besseren Deal zu erreichen."
Trump braucht China Tatsächlich könnte die
Politik des "maximalen Drucks" in der Auseinandersetzung mit Nordkorea funktioniert haben. Trump scheint sie nun auf alle anderen Konflikte übertragen zu wollen, mit denen er es zu tun hat. Er schont dabei auch engste Verbündete nicht, wie seine Handelspolitik gegenüber der EU, Japan oder Südkorea deutlich macht. Und wie er es nun erneut beim Ausstieg aus dem Iran-Abkommen zeigt, bei dem er sich über europäischen Warnungen hinwegsetzt.
Besonders rabiat aber geht er gegen den machtpolitischen Rivalen China vor. Dabei braucht er China gerade im Streit mit Nordkorea, von dessen Beilegung Trump sich Ruhm und Ehre, wenn nicht sogar den Friedensnobelpreis erhofft. Eben noch hat er Chinas Staatschef Xi Jinping gedankt, seinem "guten Freund". Ohne ihn wäre es ein "viel längerer, schwierigerer Prozess gewesen." Das hielt Trump aber nicht davon ab, Xi im gleichen Moment mit überzogenen Strafzöllen zu drohen. So wie er mitten in den sensiblen Verhandlungen zwischen Nord- und Südkorea laut überlegte, die US-Truppen im Süden zu verringern. Die Regierung in Seoul beteiligt sich seiner Meinung nach nämlich nicht in genügendem Umfang an den Kosten ihrer Stationierung.
Bloß keine Zugeständnisse Eskalation aus Prinzip, bloß keine Zugeständnisse machen, Freund und Feind immer und überall im Ungewissen lassen, Unruhe schüren – so scheint Donald Trump seine Maxime
"America first" in die außenpolitische Praxis umsetzen zu wollen.
Noch staunt die Welt, fürchtet sich wohl auch angesichts solcher Aggressivität. Um vielleicht eines Tages festzustellen, dass Trump blufft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zwischen dem amerikanischen Präsidenten und Wladimir Putin, Xi Jinping oder dem "kleinen Raketenmann" Kim Jong Un zum Schwur kommt. Das Ergebnis wird dann wahrscheinlich ein Kompromiss sein, mit dem beide Seiten irgendwie leben können.
Von der Gegenseite die Kapitulation zu fordern, ist jedenfalls nicht die höchste "Kunst des Deals": Das dürfte sogar der im Fach Diplomatie ahnungslose Donald Trump verstehen. Wenn nicht, wird er es schmerzhaft lernen. Der Preis dafür wäre hoch, nicht zuletzt für Amerika.