Freitext: Jackie Thomae: Wirf es weg!

 
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03.05.2018
 
 
 
 
Freitext


Wirf es weg!
 
 
Es passiert ja nicht oft, aber endlich sind sich mal alle einig: Wegschmeißen ist das neue Shoppen. Hurra.
VON JACKIE THOMAE

 
© Jon Tyson/unsplash
 
Wirf es weg, sagen die einen. Endlich mal ausmisten, sagen die anderen. Hach, danach fühlt man sich so befreit, sagen alle. Man ist sich einig: Der Krempel ist der Feind. Er steht auf einer Stufe mit zu viel Körperfett und ist somit ein Garant für ein erfolgloses, suboptimales Leben. Wer an dieser Stelle widerspricht, ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Messie. Auf jeden Fall aber ein Individualist. Wer seinem Kram lieber behält als wegwirft, begibt sich meinungsmäßig in die totale Isolation.
 
Alle anderen begeben sich auf den direkten Weg ins Glück. Ein Weg, der erst frei ist, wenn nichts mehr herumliegt. Ein Glück, das nicht besonders originell beschrieben wird: Übersicht, Ordnung, Platz. Okay. Und dann?
 
Glaubt man der japanischen Aufräumgöttin Marie Kondo oder dem Langzeitbestseller von Werner „Tiki“ Küstenmacher, greift das Ausmistglück automatisch auf alle anderen Lebensbereiche über. Nach dem Wegwerfen wird’s garantiert gut. Der Lauf der Dinge – endlich können wir ihn steuern. Und zwar direkt in den Mülleimer.
 
Auch hier hilft Geld. Zum einen wird man überflüssigen Highend-Kram besser los. Für den Rest gilt die Faustregel: wenig und teuer = Minimalismus. Wenig und billig = Armut. Doch zur totalen Leere, egal ob erlesen oder schäbig, kommt es in der Regel gar nicht beim Ausmisten. Denn parallel zum Wellnesshype um das Wegwerfen hält sich ein älterer Trend hartnäckig: das Kaufen.
 
Panta rhei, alles ist im Fluss, auch in der Konsumwelt. Wo nichts gekauft wird, geht bald das Wegwerfmaterial aus. Deshalb sind begeisterte Wegschmeißer häufig auch engagierte Käufer, auch wenn sie darüber weniger gern reden. Und obwohl die Konsumbulimie einen besseren Ruf hat als die Fress-Brech-Sucht, ist es mit dem Ausmisten wie mit dem Kotzen: Beides hat einen stinkigen Namen, einen befreienden Effekt und schafft Raum für die nächste Ladung. Von was auch immer.
 
Ich mache beides so selten wie möglich. Ich hocke im Limbus zwischen Ordnungsparadies und Messiehölle. Bis auf gelegentliche Meldungen aus dem Paradies: Alles, was ich länger als drei Monate nicht anhatte, fliegt raus! Wenn meine Kinder bei den Großeltern sind, werfe ich heimlich ihr Spielzeug weg!  Was hältst du von einem gemeinsamen Flohmarktstand? – ist es relativ ruhig hier.


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