ZEIT-Recherche: Verflechtung von Wirtschaft und Wissenschaft | Europa, Europa, Europa! | 3½ Fragen an Nicola Kuhrt | Gastkommentar Jana Holz und Lukas Daubner: Nachhaltigkeit

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
 
   
 
 
 
 
 
 
 
 
   
   
Liebe Leserinnen und Leser,
heute melden wir uns mit einem kleinen Europa-Spezial und veröffentlichen Ideen zur Umsetzung Europäischer Universitäten. Ein echtes Zukunftsthema beackern heute im Gastkommentar auch Jana Holz vom netzwerk n und der Doktorand Lukas Daubner – sie schreiben über Nachhaltigkeit und Ethik an den Hochschulen. Dreieinhalb Antworten gibt es von heute von der Medizinjournalistin Nicola Kuhrt, die sich politische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wünscht.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Mit freundlicher Unterstützung
Universitäten legen viel wert auf ihre Unabhängigkeit. Auch dann, wenn sie mit Unternehmen kooperieren – für Stiftungsprofessuren, Industriepromotionen, beim Hörsaalbau. Doch ist die Wissenschaft so frei und unbestechlich, wie sie meint? Das CHANCEN-Ressort hat zu diesen Fragen über Monate recherchiert: hat 78 Universitäten angeschrieben, um Daten über industriefinanzierte Forschungsprojekte, Stiftungsprofessuren, Kooperationsverträge gebeten und diese ausgewertet. Der Rücklauf lief teils problemlos, teils stockend; viele Hochschulen wollten oder konnten die Informationen nicht liefern. Die Auswertung zeigt dennoch: Die Grenzen zwischen Partnerschaft und Abhängigkeit sind eine Grauzone, in der sich die Industrie deutlich professioneller bewegt als die Universitäten. Die ganze Recherche von Anant Agarwala und Fritz Zimmermann – diese Woche in der ZEIT.
  
 
 
Eine Universität für Europa – Teil 1
Der Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, europäische Universitäten zu gründen, schien erst verhallt zu sein. Jetzt aber formieren sich immer mehr Stimmen und Begeisterte. Auf den Artikel von Manuel J. Hartung und Matthias Krupa in der ZEIT 6/2018 – „Eine Uni für Europa!“ – erreichten uns viele Zuschriften. Fünf Ideen, wie genau die Idee umzusetzen wäre, drucken wir heute in der ZEIT: Henrik Enderlein (Professor an der Hertie School of Governance) meint: Die Unis könnten für die EU „Botschafter in eigener Sache“ werden; Wolfgang Rohe (Geschäftsführung Stiftung Mercator) schreibt, die Unis müssten sich spezifisch „der Migrationskrise oder der Krise der Rechtsstaatlichkeit oder dem Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ annehmen; Dorothea Rüland (DAAD-Generalsekretärin) sagt, die europäischen Hochschulen sollten auf bestehende Netzwerke aufbauen und „eine möglichst umfassende Struktur bis hin zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit“ haben; Ferdinand Mertens (Ex-Generalinspekteur des Bildungswesens der Niederlande) plädiert für eine „Exzellenzinitiative für Europa“, und der CSU-Politiker Manfred Weber (Chef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament) findet: Europa brauche „mehr Ideen und Ehrgeiz, nicht so sehr neue Gebäude“ – die Europäische Universität solle daher digital lehren und forschen. S. 65!
  
 
 
Eine Universität für Europa – Teil 2
Zum Thema haben uns auch interessante Leserzuschriften erreicht: Die Autorin Angela Borgwardt hat uns auf ihren Beitrag „Doing European! – Wie Hochschulen das europäische Projekt befördern können“ hingewiesen, der in der Reihe Hochschulpolitik der Ebert-Stiftung erscheinen ist, und in dem sie schreibt: „Eine Europäische Hochschule betreibt auch „öffentliche Wissenschaft“. Neben der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte in die Öffentlichkeit werden auch Möglichkeiten für Bürger_innen geschaffen, an Lehr- und Forschungsprojekten zu partizipieren.“ Ähnlich argumentierte auch unsere Leserin Lena Walter, die uns schrieb: „Die Zugangsvoraussetzungen zu dieser (noch) fiktiven Uni klingen für mich nach Auslese par exellence. Zwei Fremdsprachen perfekt beherrschen und eine dritte dazulernen? Auswahltests und straffes Curriculum? Lehre nur durch herausragende Professoren? Da stelle ich mir die Frage: Was ist mit den akademischen Normalos unter uns, die für Europa brennen? Die „nur“ zwei Sprachen beherrschen, aber auch tolle Ideen und Visionen haben? Diejenigen, die einen „bildungsfernen“ Hintergrund haben und gar nie die Möglichkeit hatten, ihr Potenzial zu entfalten, aber eben aus diesem Grund die Voraussetzungen nicht erfüllen können? […] Wenn Europa auf der Bildungsebene neu und eben „europäisch“ gedacht werden soll, hilft es sicher nicht, all jene Nicht-Überflieger auszuschließen, die die vermeintlich nicht-elitäre Hürde der dargestellten Europa-Uni nicht erklimmen können. Oder wollen. [...] Eine Europa-Universität kann meiner Meinung nach nur durch die Einbeziehung aller Vertreter der Gesellschaft gelingen.“
  
 
 
Eine Universität für Europa – Teil 3
Und jetzt: Butter bei die Fische! Die Landesregierung Baden-Württemberg hat angekündigt, den Universitätsverbund „Eucor – The European Campus“ zu einer europäischen Universität weiterzuentwickeln.  „Die seit nahezu 30 Jahren bestehende Wissenschaftskooperation am Oberrhein bietet optimale Ausgangsbedingungen für ein so ambitioniertes Projekt. Der European Campus ist gewissermaßen der Nukleus für eine Europäische Universität. Diesen Vorsprung wollen wir nutzen und uns als Land klar positionieren“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer.  Wir sind gespannt, wer nachzieht!
  
 
 
Glück braucht der Mensch!
Ohne Fleiß kein Preis, klar. Wissen Sie alle. Aber: Auch ohne Glück kein Erfolg. So steht es, wissenschaftlich untermauert, im Scientific American: „The importance of the hidden dimension of luck raises an intriguing question: Are the most successful people mostly just the luckiest people in our society?“ Interessant!
  
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Personen
 
 
   
   
Rüdiger wechselt nach Aachen
Die aufsehenerregendste Personalie der Woche ist sicher diese hier: Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz, wird zum 1. August neuer Rektor der RWTH Aachen. Rüdiger leitet die Uni Konstanz seit 2009; der Physiker ist außerdem Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Hochschulrektorenkonferenz. Er folgt in Aachen auf Ernst Schmachtenberg, der altersbedingt ausscheidet.

Sander führt die Geschäfte der EBS
Die EBS Universität für Wirtschaft und Recht hat eine neue Kanzlerin: Die Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Sander wird neue Geschäftsführerin und Kanzlerin. Ihr Vorgänger Peter Schmidt verantwortet zukünftig den Aufbau der neu gegründeten SRH Corporate Academy.

Schinker tritt zurück
Judith Schinker, Rektorin der Hochschule für Musik in Dresden, ist zurückgetreten. 2015 erst hatte sie das Amt übernommen, damals gegen den Willen des Hochschulrats. Gründe teilte Schinker nicht mit; bis zum Abschluss einer Neuberufung übernimmt ihre Stellvertreterin Rebekka Frömling. (Dresdner Neueste Nachrichten; MDR)

Steinbach übernimmt Stiftungsvorsitz
Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach ist neue Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Sie übernimmt das Amt von Peter Boehringer (AfD), dem neuen Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. (ZEIT ONLINE) Der Streit um die Gründung einer offiziellen Parteistiftung ist noch immer nicht geklärt. (ZEIT 04/2018)

Job: Präsidentin des KIT (m/w)
Diese Woche hat eine Ausschreibung für echte Schwergewichte unser Augenmerk gewonnen. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird seit 2013 von Präsident Holger Hanselka geleitet – der sich, so steht es im ZEIT Stellenmarkt, auch „wieder bewerben“ wird. Das soll Sie aber nicht abschrecken. Wer etwas zu bieten hat, bewerbe sich bis zum 31. März 2018!
   
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
Nicola Kuhrt

Medizinjournalistin
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Wissenschaftler dürfen nicht nur, ja sie müssen politisch sein, sich für ihre Sache stark machen! Darüber gab es in diesem Jahr immer mal wieder Debatten, besonders als sich viele Forscher im April 2017 bundesweit am March for Science beteiligt haben. Die Kritik habe ich schon damals nicht verstanden. Besonders in einer Zeit, in denen populistische und autokratische Tendenzen verheißen, „den Zumutungen der modernen Welt schadlos entkommen zu können“, wie dies DFG-Präsident Peter Strohschneider in seiner vielbeachteten Rede beschrieb, „muss sich die Wissenschaft zu ihrer Freiheit bekennen“. Populistische Tendenzen machten einen sachlichen Diskurs sonst ebenso verächtlich wie die methodische Wahrheitssuche und die Begründungsbedürftigkeit von Geltungsansprüchen. Wie diese Tendenz aussehen kann, zeigt sich am jüngsten Vorhaben der US-Regierung. Sie will der staatlichen Gesundheitsbehörde CDC vorschreiben, bestimmte Worte in bestimmten Dokumenten nicht mehr zu verwenden. Diese lauten etwa „Transgender“, „Fötus“, „Diversität“, „auf wissenschaftlicher Grundlage“ oder „auf der Grundlage von Beweisen/Belegen“, also evidenzbasiert. Alternativformulierungen werden mitgegeben: Es soll es nun heißen, dass die „CDC ihre Empfehlungen auf die Wissenschaft unter Abwägung gesellschaftlicher Maßstäbe und Wünsche stützt“. Klingt erstmal harmlos, doch in der Konsequenz ist es fatal: Werden wissenschaftliche Fakten gegen Wünsche aufgewogen, ist der Weg für alternative Fakten frei.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Keines. Wobei: Die jüngst verabschiedete Neuauflage des Professorinnenprogramms wäre auch ohne die erfolgte finanzielle Erhöhung in der dritten Förderphase ein gutes Beispiel für ein Programm, das zu mehr Gleichberechtigung auch in den Hochschulen führen kann.

Lektüre muss sein. Welche?
Im Winter nordisch-düster, bitte: Alles von Arne Dahl, zuletzt Sechs plus zwei.

Und sonst so?
Gehören Geisteswissenschaften nur ins Feuilleton? Oder haben Sprachwissenschaftler einfach nicht gelernt, sich allgemeinverständlich auszudrücken? Als Germanistin interessierten mich diese Fragen – unlängst thematisiert in der Debatte „O Geisteswissenschaften, Where Art Thou?“ während der Konferenz „Wissenswerte“ in Darmstadt. Offenbar können sich viele Menschen nicht vorstellen, dass auch die Geisteswissenschaften wichtige Positionen einnehmen können. In Redaktionen zählen tatsächlich eher die Themen, die sich mit Statistiken und Tabellen belegen lassen. Wie sich das im Alltag anfüllt, berichtete Sprachwissenschaftlerin Nina Janich von der Technischen Universität Darmstadt. Sie werde nur zu allgemeinen Themen wie dem „Unwort des Jahres“ befragt, weil sie Sprecherin der Jury sei. Sie müsse dann das Wort an eine Tafel schreiben und werde vor ihrem Bücherregal fotografiert. Für ihre Forschung interessiere sich niemand. 
   
   
 
 
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Gastkommentar
 
 
   
   
von Lukas Daubner und Jana Holz
   
   
Mehr Nachhaltigkeit und Ethik an Hochschulen!
Die Studierenden und Promovierenden der Initiative Nachhaltigkeit und Ethik engagieren sich angesichts globaler und lokaler Herausforderungen wie dem fortschreitenden Klimawandel, Ressourcenverknappung, zunehmendem Biodiversitätsverlust sowie sozialer Ungleichheiten und Ernährungsunsicherheiten dafür, dass Hochschullehre, -forschung und -betrieb sowie -governance nachhaltiger werden. Um den nachfolgenden Generationen eine „enkelgerechte Gesellschaft“ zu hinterlassen, sind – wie die auch in Deutschland bekannte, aber oftmals ignorierte Empirie zeigt – neue Ideen, Technologien und fundamentale Veränderungen unserer Konsum- und Lebensweisen nötig.
Unser Ende 2017 veröffentlichtes Positionspapier Nachhaltigkeit und Ethik an Hochschulen greift Ideen auf, mit denen wir Diskussionen über einen nachhaltigen Wandel der Hochschullandschaft auf allen Ebenen und Fluren anregen wollen. Ob durch Modernisierung der Gebäudetechnik oder einem nachhaltigen Grünflächenmanagement, Hochschulen können beim Umwelt- und Ressourcenschutz mit gutem Beispiel vorangehen. Dass und wie dies im Einzelnen gelingt, zeigen Daten des HIS-HE. Noch wichtiger aber ist, dass Nachhaltigkeit und Ethik in der Lehre und Forschung mehr Aufmerksamkeit bekommen. Das Yoweedoo-Projekt mit mehreren Hochschulpartnern oder die Projektwerkstätten der Blue Engineers an der TU Berlin zeigen, dass Studierende – bei ausreichendem Freiraum – positive Lösungen für soziale und ökologische Herausforderungen finden und umsetzen können. Best-Practice-Sammlungen bieten Anregungen für alle, die Nachhaltigkeit in der Hochschullehre fördern und umsetzen wollen. In Lehre, Forschung und Management kann jeder schon heute im Alltag dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit nicht zu einer Worthülse im Leitbild der Hochschulen verkommt.

Jana Holz ist Vorstandsvorsitzende des Vereins netzwerk n e.V. https://netzwerk-n.org, der studentische Nachhaltigkeitsinitiativen unterstützt. Lukas Daubner promoviert zu Veränderungsprozessen in Hochschulverwaltungen.
   
   
 
 
   
 
   
   
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
Mit freundlicher Unterstützung Universitäten geben sich gern als völlig unabhängige Institutionen. Selbst wenn sie mit Unternehmen kooperieren. Eine ZEIT-Recherche weckt Zweifel an diesem Bild

»Alles klar, Sheriff« Eine Grundschule in Berlin engagiert einen Wachschutz. Ist das ein Beleg dafür, dass die Gewalt an Schulen ständig steigt? Eine Europäische Uni – was ist das? Der französische Präsident Emmanuel Macron wünscht sich die Einrichtung europäischer Universitäten – fünf Ideen zu ihrer Umsetzung

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
   
   
 
c.t.
 
 
   
 

Guten Tag, ich promoviere, bitte stellen Sie keine weiteren Fragen.
Quelle: Twitter / @AcademiaObscura
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Wann ist endlich Frühling???

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an –  unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: