| »Einmal im Jahr machen wir eine Kneipentour und singen in Bars«
Bier trinken und singen – zwei Dinge, die sich hervorragend kombinieren lassen, dachte sich Hilke Cordes und gründete vor fünf Jahren den Hamburger Kneipenchor. Am Donnerstag feiert die Sängertruppe ihr Jubiläum im ausverkauften Knust. Wir sprachen mit der Chorgründerin. Elbvertiefung: Frau Cordes, was unterscheidet den Kneipenchor von anderen Chören? Hilke Cordes: Uns geht es nicht in erster Linie um den perfekten Klang, sondern darum, Spaß am Singen zu haben. Wir singen auch nicht die typischen Chorstücke, sondern Indierocksongs und Klassiker wie »Don’t stop me now« von Queen. Unser Chorleiter schreibt dafür vierstimmige Arrangements. EV: Ganz ohne Proben geht das aber trotzdem nicht, oder? Cordes: Nein, natürlich nicht. In der Hinsicht sind wir auch ein ganz normaler Chor. Wir treffen uns einmal die Woche mit Einsingen, Noten und allem Drum und Dran. Nur unser Probenlokal ist etwas ungewöhnlich: Wir sind im Clubheim an der Sternschanze, das gehört zu dem Fußballplatz da. Vor der Probe holen sich die meisten ein Bier an der Theke, und zwischendurch gibt es eine Pause für neue Getränke und zum Anstoßen. Am Ende kommt es schon mal vor, dass wir zu den letzten Liedern tanzen – und dann gut gelaunt nach Hause gehen. EV: Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, einen Kneipenchor zu gründen? Cordes: So etwas in der Art gab es damals schon in Berlin. Davon habe ich gelesen und war total begeistert, weil ich in Hamburg zu der Zeit auf der Suche nach einem Chor war und keinen passenden fand. Ich habe allen in meinem Umfeld vorgejammert, und die sagten: »Mach das doch selbst!« Ich habe dann in meinem Freundeskreis rumgefragt und einen Facebook-Aufruf gestartet. Zur ersten Probe kamen schon weit über 20 Leute. Heute sind wir 42, mehr als die Hälfte davon ist von Anfang an dabei. Das Durchschnittsalter liegt bei 33 Jahren. EV: Wie reagiert das Publikum auf diese Form des Chorgesangs? Cordes: Mit Freude und Begeisterung. Wir gucken in viele lachende Gesichter, während wir singen. Ich glaube, unsere Ungezwungenheit und das Unverkopfte stecken einfach an. So etwas findet man nicht mehr so oft in der Kulturwelt. EV: Ihr Konzert zum fünfjährigen Bestehen im Knust am Donnerstag ist ausverkauft. Wo kann man Sie sonst hören? Cordes: Wir treten in Musikclubs und bei Festivals auf. Einmal im Jahr machen wir außerdem eine Kneipentour, dann ziehen wir einen Abend lang durch Bars. Das ist auch für diesen Sommer geplant!
»Staring Girl« machen obdachlose Kunstmalerin zum Star im Musikvideo
Eine elegante Frau mit Pelzkragen und Rollkoffer spaziert entlang der Binnenalster, füttert Vögel, sitzt im Café. Abends legt sie sich zum Schlafen in einen Hänger, denn Nicole Förster, 59, ist obdachlos. Zwei Ansichten, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Ihre Geschichte hatte Nicole Förster in der Januar-Ausgabe von »Hinz und Kunzt« aufgeschrieben. »Ich schäme mich nicht, ich bin eher stolz auf mich, denn ich kann auch ohne Wohnung und Geld glänzen«, schreibt sie darin von ihrem neuen Leben, das sie als »Abenteuer mit Herausforderung der besonderen Art« begreift. »Sie ist eine spannende Persönlichkeit, ihre Geschichte hat etwas sehr Würdevolles und transportiert eine Schönheit – trotz der prekären Situation«, sagt Steffen Nibbes, Sänger der Hamburger Band Staring Girl. Für das Musikvideo zu ihrem Lied »Diebe, Halunken und Leute« hat die Band Nicole Förster jetzt vor die Kamera geholt und einen Tag in ihrem Leben dokumentiert. Eine politische Botschaft wollen die Musiker damit nach eigenem Bekunden nicht in die Welt schicken. »Wir wollten jetzt nicht die großen Kekse backen, es sollte zurückhaltend und subtil sein«, sagt Nibbes über die Arbeit von Liv Thamsen, die das Video umgesetzt hat. Das Video sei kein Hilfsprojekt, sondern mehr eine künstlerische Kooperation gewesen – Förster hat früher ihr Geld als Kunstmalerin verdient –, und, so Nibbes: »Der Liedtext passt zu ihrer Lebensgeschichte.« Und wieso braucht niemand mehr eine Kunstmalerin? Bei der letzten Zählung von wohnungslosen Menschen in der Stadt im Jahr 2009 wurden 1029 Obdachlose erfasst. Seitdem, so schätzen Sozialbehörde wie Sozialverbände, ist die Zahl dramatisch gestiegen. Mittlerweile wird von mindestens 2000, vielleicht sogar 2500 Menschen ohne Heim ausgegangen. Darunter sollen auch immer mehr junge Menschen, Frauen und Ausländer sein. Eine Zählung der Hamburger Sozialbehörde, die gestern abgeschlossen wurde, soll Klarheit bringen. Aktuelle Zahlen sollen – im Sommer bekannt gegeben werden. | |
|
|