| »Welcome to Hell« in der Neuköllner Oper
Der G20-Gipfel … wie, Sie rollen nun mit den Augen, wollen nichts mehr hören von den Chaostagen im Juli, von lärmenden Hubschraubern und brennenden Barrikaden in der Stadt? Okay, wie wär’s damit: G20 ist jetzt Kunst. Ganz recht – am Donnerstag feiert das Stück »Welcome to Hell« in der Neuköllner Oper in Berlin Premiere. Wir haben mit Peter Lund, Regisseur und Autor des Stücks, gesprochen. Elbvertiefung: Herr Lund, wir Hamburger haben den G20-Gipfel gerade erst verdaut … warum bringen Sie ihn nun in Berlin auf die Bühne? Lund: Jedes Jahr entwickeln wir gemeinsam mit Absolventen des Musical-Studiengangs an der Universität der Künste in Berlin ein Stück. Weil wir nach dem Brexit und Trumps Wahlsieg das Gefühl hatten, dass die Welt in Teile zerfällt, wollten wir uns mit dem Thema »Grenzen« beschäftigen. So entwickelten die Studierenden zunächst zwölf Charaktere, die über Grenzen gehen oder Grenzen bewahren. Weil G20 im letzten Sommer medial so präsent war, entstand die Idee, diese Psychogramme ins Gipfelgeschehen einzubetten. EV: Der Titel deutet es schon an, Schauplatz ist die »Welcome to Hell«-Demo, die am Vorabend des Gipfels eskalierte. Wie stark orientiert sich die Handlung an der Realität? Lund: Für die Rahmenhandlung haben wir gründlich recherchiert und viele Medienberichte gelesen; fiktiv sind nur die Interaktionen der Figuren. Im Zentrum steht das Aufeinanderprallen eines jungen Anarchisten, der sich im Laufe der Handlung immer stärker radikalisiert, und eines Polizisten, der sich von der Politik im Stich gelassen fühlt. An ihrem Beispiel zeigen wir, wie sich die Fronten verhärten, die Emotionen hochkochen, wie sich eine Gewaltspirale entwickelt. Wir spielen mit der Frage, was passiert wäre, wenn am Ende ein Schuss gefallen wäre. Schließlich hieß es nach dem Gipfel oft: »Zum Glück ist keiner gestorben ...« EV: Welche Figuren tauchen noch auf? Lund: Da wäre die junge Krawalltouristin aus Husum, die Supermarktkassiererin, die in prekären Verhältnissen lebt, der französische Staatsbeamte, die zwiegespaltene Boulevardreporterin. Da wären Zuhälter und friedliche Demonstranten. Im ersten Akt zeigen wir die Vorgeschichte, die Figuren bereiten sich auf den Gipfel vor – später treffen sie dann bei der Demo aufeinander. EV: … von der Bilder voller Gewalt im Gedächtnis blieben. Die politische und juristische Aufarbeitung des Gipfels ist noch im Gange. Welchen Beitrag kann das Theater leisten? Lund: In der Debatte um den Gipfel wurde viel polarisiert, auch die Berichterstattung habe ich teils als sehr einseitig empfunden: Journalisten schlugen sich entweder auf die Seite der Gipfelgegner oder auf die der Staatsgewalt. Unser Stück schreibt dem Zuschauer keine Haltung vor, es gibt kein klares »richtig« oder »falsch«. Klar, die Kritik an Hamburg als Austragungsort, an der Sicherheitsstrategie der Polizei, an den Demonstrationsverboten findet sich in den Dialogen der Figuren wieder. Doch es ist uns wichtig, die Motive und Ängste aller Beteiligten greifbar und verständlich zu machen. Ich denke, gerade bei stark aufgeladenen gesellschaftlichen Konflikten ist es wichtig, Empathie für die jeweils andere Seite zu entwickeln. Und diesen Effekt erzielt das Theater eher als politische Analysen. EV: Mit welchem Gefühl soll das Publikum das Theater verlassen? Lund: Das lassen wir offen. Wir wollen zum Nachdenken anregen und auch solche Zuschauer erreichen, die sich sonst weniger für große gesellschaftspolitische Fragen interessieren. Denn das ist die große Qualität des Theaters: Es emotionalisiert, macht Missstände spürbar – doch die Katharsis findet beim Zuschauer statt.
Fast 40 neue Stellen für Hamburgs Justiz – ist das genug?
»Wer soll es richten?« Seit Jahren ist der Personalmangel in den städtischen Gerichten und Gefängnissen ein Thema, Gewerkschaftsvertreter schlagen immer mal wieder Alarm, und das obwohl »die Herausforderungen für die Justiz wachsen«, wie nun auch Justizsenator Till Steffen einräumte. »Wir müssen sicherstellen, dass der Rechtsstaat in alle Winkel der Gesellschaft reicht«, so Steffen weiter. Nun schafft die Hamburger Justizbehörde Fakten: 39,5 neue Stellen für Hamburgs Justiz. Entstehen sollen so eine neue Abteilung bei der Generalstaatsanwaltschaft, vier weitere Große Strafkammern am Landgericht und ein Großer Strafsenat am Oberlandesgericht. Auch im Justizvollzug werden zehn neue Leute eingestellt. Hintergrund sind mehr Staatsschutzverfahren – im Jahr 2017 lagen allein 57 bei der Generalstaatsanwaltschaft auf dem Tisch. Dazu kommt: Dauern die Verfahren länger als sechs Monate, können Beschuldigte, die wegen einer Verhandlung am Landgericht in U-Haft sitzen, freigelassen werden. Knapp 40 Stellen – reicht das? »Das wird sich dann zeigen, wenn sie nachbesetzt wurden«, glaubt Marc Tully vom Hamburger Richterverein. »Ob das so leicht wird, ist fraglich: Der Markt für potenzielle Kandidaten ist nicht sehr groß, das Anforderungsprofil hoch. Und das Justizsystem muss mit attraktiven anderen Arbeitgebern konkurrieren. Insofern ist es nur richtig, das Defizit anzugehen. Gerade jetzt, wo auf die Verwaltungsgerichte eine unglaubliche Flut an Asylverfahren zurollt.« |
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