Keine Schlagbäume, keine Kontrollen, keine Warteschlangen an den Grenzen: Reisefreiheit ist ein großer Erfolg der EU. Doch sie hat ihre Schattenseiten. Wer immer von einem EU-Mitgliedsland eine Aufenthaltsgenehmigung erhält, hat damit auch freien Zugang zu 26 europäischen Staaten, so viele gehören zu dem sogenannten Schengenraum. Das ist für viele Nicht-Europäer sehr attraktiv – und für Europa ein ernstes Problem. Den Zugang zur EU kann man sich kaufen. Und das können naturgemäß Reiche. Die Preise und Modalitäten für den Erwerb der Zugangsberechtigung unterscheiden sich je nach Land. In Griechenland bekommt eine Nicht-Europäerin eine Aufenthaltsgenehmigung, sofern sie 250.000 Euro in Immobilien investiert. In Zypern kann sie Pässe kaufen: Investiert sie auf der Insel mindestens zwei Millionen Euro, bekommt sie einen EU-Pass. Wer in Portugal 500.000 Euro in Immobilien investiert, erhält eine Aufenthaltsgenehmigung; eine Million Euro auf andere Weise in Portugal investiertes Kapital tut es auch. Malta hat ähnliche Programme, Ungarn ebenfalls. Und bevor jemand denken könnte, das alles sei ein typisches Problem der angeblich notorisch laxen Südeuropäer oder der renitenten Osteuropäer: In Österreich kann man sich auch einkaufen, in Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien ebenso. Zwar sind die Hürden in diesen Ländern höher, doch auch hier gilt: Den Eintritt in die EU gibt es gegen Geld. In der offiziellen Sprache nennt man das meist foreign investors program, oder treffender: golden visa. Im Netz bieten hochspezialisierte Agenturen entsprechende Dienste an.
Für Länder wie Griechenland, Zypern, Portugal und Malta haben die golden visa erhebliches wirtschaftliches Gewicht. Zypern hat 2016 aus dem Verkauf von Pässen rund vier Milliarden Euro eingenommen, im Tourismus erwirtschaftet die Insel 2,5 Milliarden. Nach Griechenland sind im vergangenen Jahr mehr als 500 Millionen Euro Auslandskapital geflossen, der Großteil dieser Summe dürfte auf das Visaprogramm zurückzuführen sein. In der EU ist das Geschäft milliardenschwer – und eine enorme Gefahr. Der Grund: Die golden-visa-Programme sind intransparent. Wer genau da kommt, was die Nutznießer dieser Programme in Europa machen und was sie vorhaben, und ob das Geld, das in die EU fließt, legal ist – auf all diese Fragen sind nur schwer Antworten zu finden. Die portugiesische Europaabgeordnete Ana Gomes etwa hat über Jahre hin versucht, von der eigenen Regierung zu erfahren, wer das portugiesische golden-visa-Programm in Anspruch nimmt. Sie bekam Zahlen (ungefähr 10.000 seit Beginn des Programms 2011), aber weder Namen noch sonstige Informationen, die etwas aussagen könnten über Menschen, die sich in der EU niederlassen wollen. Dabei müsste die Öffentlichkeit mehr darüber erfahren, denn es gibt in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe beunruhigender Nachrichten. Fast zwei Drittel der Aufenthaltsgenehmigungen, die von den portugiesischen Behörden seit 2011 vergeben wurden, gingen an Chinesen. Und das, obwohl chinesische Bürger nach chinesischem Gesetz nicht mehr als 50.000 Dollar in einem Jahr außerhalb Chinas transferieren dürfen. 2014 flog in Portugal ein Bestechungsskandal im Zusammenhang mit den golden visa auf, der Innenminister musste zurücktreten. Die EU-Kommission kann nur warnen Diese Visaprogramme nutzen vor allem Chinesen, Russen, Türken und auch Afrikaner. Dabei drücken die Behörden in den Ländern oft beide Augen zu. Anders ist es nicht zu erklären, dass etwa Rami Makhlouf, ein Cousin des syrischen Diktators, eine ungarische Aufenthaltsgenehmigung bekam – obwohl ihm eine lange Liste von Verbrechen vorgeworfen wird. In Malta gerieten hohe Beamte ebenfalls unter Korruptionsverdacht. Die im Herbst 2017 ermordete maltesische Journalistin Daphne Galizia Caruana recherchierte auch zum Thema golden visa. Für sie waren die Programme nichts anderes als Einfallstore für Schwarzgeld in die EU. Welche Folgewirkungen das viele Geld hat, das über diese Programme in die EU kommt, ist nicht im Detail bekannt. Klar ist aber: Viel fließt in den ohnehin extrem angespannten Immobilienmarkt. Was das für die europäischen Bürger bedeutet, kann man sich ausmalen. All das ist bekannt, seit Jahren schon. Bereits 2014 haben das Europäische Parlament und die EU-Kommission auf die Risiken der golden-visa-Programme hingewiesen. Doch viel geändert hat sich nicht. Es fehlt die Handhabe. Die Kommission kann nur warnen, Empfehlungen abgeben, Statistiken vorlegen, doch über die Vergabe von Visa entscheiden die Mitgliedstaaten. Das ist ihr souveränes Recht. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Doch es ist Zeit, Druck aufzubauen. Die Bürger der Europäischen Union haben ein Recht darauf zu erfahren, wer zu ihnen kommt und aus welchen Quellen die vielen Milliarden stammen, die über die dubiosen Visaprogramme fließen. Und es ist die Pflicht der Regierungen, darüber Auskunft zu geben – am besten am Brüsseler Tisch, wo sie sich ja regelmäßig treffen. |
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