Fünf vor 8:00: Chinas große Gelassenheit - Die Morgenkolumne heute von Matthias Nass

 
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FÜNF VOR 8:00
28.03.2018
 
 
 
   
 
Chinas große Gelassenheit
 
Bei allem Streit um den Handel: Pekings Führung weiß, wie wichtig gute Beziehungen zwischen den beiden Weltmächten sind. Trump wird das auch noch begreifen. Hoffentlich.
VON MATTHIAS NASS
 
   
 
 
   
 
   
Findet der große Handelskrieg vielleicht gar nicht statt? Die Antwort Chinas auf die wüsten Drohungen aus Washington jedenfalls fiel sehr moderat aus, man könnte auch sagen: souverän. Während die Vereinigten Staaten Strafzölle auf chinesische Importwaren in Höhe von 60 Milliarden Dollar erheben wollen, begnügen sich die Chinesen im Gegenzug zunächst mit Aufschlägen auf amerikanische Exporte von drei Milliarden Dollar.
 
Ist das Schwäche – oder Klugheit? Setzt sich auch in Peking, wie in den meisten Hauptstädten Europas, die Einsicht durch, dass unter einer Eskalation alle Länder gleichermaßen leiden würden? Vollkommen aus der Luft gegriffen sind die amerikanischen Vorwürfe im übrigen nicht. 375 Milliarden Dollar betrug Chinas Überschuss im Jahr 2017, ein neuer Rekord. Jedermann weiß, dass dies auf Dauer so nicht bleiben kann.
 
Donald Trump hat auch in anderen Punkten Recht mit seiner Kritik. China nutzt die Freiheiten des amerikanischen – und des europäischen – Marktes , schottet den heimischen Markt aber gegen unliebsame Konkurrenz ab. Peking subventioniert über seine Staatsbanken die eigenen Konzerne, geht auf Einkaufstour bei strategisch relevanten Unternehmen im Ausland, duldet umgekehrt aber keine ausländischen Investoren in kritischen Wirtschaftssektoren. Es zwingt Firmen, die sich in China engagieren, zum Technologietransfer und betreibt geistigen Diebstahl in großem Stil.
 
Eine neue Generation an der Macht
 
Dies alles kritisieren Europäer und Amerikaner gemeinsam und vollkommen zu Recht. Dennoch wäre es töricht, den chinesischen Merkantilismus mit westlichem Protektionismus zu bekämpfen. Der Westen würde sich damit am meisten schaden. Hoffentlich begreift das am Ende auch die Regierung Trump.
 
Die USA fügen sich mit ihrer Politik noch aus einem anderen Grund Schaden zu. Während in Washington derzeit China-Kritiker den Ton angeben wie der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer oder der Trump-Berater Peter Navarro (Autor des Buches "Death by China"), ist in Peking nun eine Generation an der Macht, in der viele ihre akademische Ausbildung in den USA bekommen haben und die von ihren Jahren in Amerika intellektuell geprägt wurden.

Zu ihnen gehört der neue Finanz- und Wirtschaftszar Liu He (66), in Chinas operativer Politik heute der wohl wichtigste Mann hinter Staats- und Parteichef Xi Jinping. Zwar nur Vize-Premier, gilt Liu als deutlich einflussreicher als Premier Li Keqiang. Liu hat Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Seton Hall in New Jersey studiert und seinen Master an der John F. Kennedy School der Universität Harvard gemacht.
 
Natürlich ist Liu ein treuer Parteisoldat, sonst hätte er es unter Xi Jinping nicht ganz nach oben geschafft. Er sagt: "China kann nicht den Weg der westlichen Demokratie gehen." Aber er gilt in ökonomischen Fragen als Liberaler, als Vertreter einer Marktwirtschaft, wenn auch "mit chinesischen Eigenschaften". In diesem Jahr führte er die Delegation aus China beim Weltwirtschaftsforum in Davos an. "Ich glaube nicht, dass die USA und China Feinde sind", hat Liu He einmal gesagt. "Unsere wirklichen Feinde sind Terrorismus, Klimawandel und die Gefahren, die der technologische Fortschritt mit sich bringt."
 
Auch der neue Zentralbankchef Yi Gang (60) hat seine akademisch prägenden Jahre in den Vereinigten Staaten verbracht. Er promovierte in Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Illinois und lehrte danach einige Jahre an der Universität von Indiana. Insgesamt 14 Jahre hat er in den USA gelebt. 
 
Amerika und China sind einander in Hassliebe verbunden
 
Yi Gang gilt in China wie im Ausland als anerkannter Experte der Geldpolitik. Zehn Jahre lang war er Stellvertreter des legendären Zentralbankchefs Zhou Xiaochuan. Auch er ist, nach chinesischen Maßstäben, ein Wirtschaftsliberaler. Seine Hauptaufgabe wird es sein, die gigantische Verschuldung Chinas Schritt für Schritt abzubauen.
 
Und dann ist da Wang Qishan, der sich von höchster Warte aus um die chinesisch-amerikanischen Beziehungen kümmern soll. Wang ist ein enger Vertrauter Xi Jinpings, in den vergangenen Jahren hat er einen brutalen Kampf gegen die Korruption in der Partei geführt. Wang (69), soeben vom Nationalen Volkskongress zum neuen Vize-Präsidenten Chinas gewählt, unterhält beste Beziehungen zu den Größen der Wall Street, seit er in der Finanzkrise 2008/2009 auf chinesischer Seite  den "Strategischen und Ökonomischen Dialog" mit den USA leitete. Aus dieser Zeit rührt sein gutes Verhältnis zum früheren US-Finanzminister und Goldman-Sachs-Chef Hank Paulson.
 
Auch wenn es derzeit zwischen Washington und Peking gewaltig kracht, man täusche sich nicht: Die Beziehungen zwischen China und den USA sind viel enger, als wir dies in Europa oft wahrhaben. Die Führungen der beiden Länder sind aufeinander fixiert, man kann auch sagen: Amerika und China sind einander in Hassliebe verbunden – als die beiden Mächte, die dieses Jahrhundert prägen werden.
 
Trotz aller Rivalität ist Chinas Führung voller Bewunderung für die kreative Kraft und das innovative Potential der USA. Es ist kein Zufall, dass die Elite ihre Kinder auf die amerikanischen Eliteuniversitäten schickt. Auch Xi Jinpings Tochter hat in Harvard studiert.
 
Die gemeinsame Agenda der beiden Weltmächte geht wahrlich über den gegenwärtigen Handelsstreit hinaus. Die Führung in Peking weiß dies. Die Regierung in Washington wird es noch begreifen. 
 
   
 
   
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