Doktoranden debütieren in der Selbstverwaltung | Drama-Queen der Woche | 3 ½ Fragen an Christine Sälzer | Dr. acad. Sommer berät Gremien-Frischlinge

 
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Liebe Leserinnen und Leser,
alle reden über die Grippe, wir testen dazu lieber erst unser Wissen (c.t.). Europas Drama-Queen der Woche ist Großbritannien. In Baden-Württemberg geben Promovierende ihr Debüt in der akademischen Selbstverwaltung. Was Frischlinge in der Gremien-Arbeit bei Querelen keinesfalls tun sollten, erklärt Dr. acad. Sommer. Und Christine Sälzer empfiehlt im Fragebogen, in kniffligen Situationen erst einmal abzuwarten.
   
 
 
   
 
   
   
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Doktoranden-Debüt in der Selbstverwaltung
Voilà! An Baden-Württembergs Hochschulen bekommen Promovierende nun tatsächlich einen eigenen Status und damit Stimmrecht in den Gremien. Das bundesweite Novum beschloss der Stuttgarter Landtag kurz vor dem Wochenende (Welt, Bildungsklick). Die Hochschulnovelle stärkt – wie vom baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof Ende 2016 gefordert (PDF) – auch die Professoren. Sie können Rektoren jetzt in einem mehrstufigen Verfahren abwählen. Die Klausel, erklärte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in einer Stellungnahme, werde „mutige Rektorate“ nicht „verschrecken oder bremsen“. Unabhängig davon ist die Suche nach Führungskräften an Hochschulen nicht immer einfach. Eine Hängepartie erlebt gerade die PH Weingarten. Nach einem Rückzieher der bereits gewählten Kandidatin Manuela Pietraß muss die nächste Findungskommission ran (Südkurier).
  
 
 
Drama-Queen der Woche
Es ist ja nun wirklich nicht so, dass die Academia in UK gerade unter Ereignisarmut litte. Das Brexit-Drama läuft, Hochschullehrer streiken im Kampf um ihre Pensionen, und Wissenschaftsminister Sam Gyimah duckt sich in brenzligen Situationen weg. So blieb er der abschließenden Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur wissenschaftlichen Integrität lieber fern. Zur ministeriellen „No Show“-Politik (THE) gesellt sich der nächste Aufreger: Die Compliance-Abteilung der Universität York wies Professoren im sogenannten „visitors project“ an, internationale Gäste auf dem Campus auf ihre Visa hin zu kontrollieren und zu befragen. Dauer, Grund und Finanzierung des Aufenthalts sind Punkte auf der universitären Checkliste (THE). Hochschullehrer als Handlanger der Grenzbehörden? Großbritannien, du machst Sachen.
  
 
 
Unter Verdacht  
Haben sich Beschäftigte der Hochschule Anhalt an ausländischen Studierenden bereichert? Die Staatsanwaltschaft Magdeburg und das LKA ermitteln gegen mehrere Professoren der Hochschule mit Standorten in Dessau, Köthen und Bernburg (Mitteldeutsche Zeitung, mdr). Medienberichten zufolge geht es um Gebühren, die Chinesen zahlen, um an der anhaltinischen FH studieren zu können. Beträge in vier- bis fünfstelliger Höhe sollen auf deutsche Konten geflossen sein, darunter offenbar nicht nur auf die der staatlichen Hochschule. FH-Präsident Jörg Bagdahn setzt auf rasche Aufklärung. Bis dahin gelte „die Unschuldsvermutung gegenüber den Beschuldigten“ (Spiegel online). In Deutschland studieren insgesamt mehr als 28.000 Chinesen (Wissenschaft weltoffen). Sie bilden die mit Abstand größte Gruppe ausländischer Studierender.
  
 
 
Forschungszeit für Oberärzte
Hübsches Timing: Wenige Wochen vor dem Frühjahrsforum der Deutschen Hochschulmedizin legt die DFG Empfehlungen vor, die es in sich haben. Die 33 Unikliniken sollen verbindliche Forschungszeiten für Fach- und Oberärzte schaffen. Das sogenannte „Advanced Clinician Scientist“-Programm (PDF) ist ein weiterer Baustein in der wissenschaftlichen Aus- und Weiterbildung an Unikliniken. Zerrieben zwischen Krankenversorgung und Lehre kommen Ärzte in der Regel kaum zum Forschen. Das möchte die DFG ändern. Ob und wie viele Oberärzte tatsächlich für maximal sechs Jahre die Hälfte ihrer Arbeitszeit forschen können, hängt von der Finanzierung ab. „Daher richten sich die Empfehlungen nicht nur an die Medizinischen Fakultäten, sondern auch an die Ministerien für Forschung und Gesundheit in Bund und Ländern“, teilt die DFG mit.
  
 
 
Polyglott war gestern
Und jetzt noch eine Durchsage für die Freunde der Mehrsprachigkeit. Studierende in den USA haben es nicht mehr so mit dem Lernen von Vokabeln, zeigt ein Bericht der Modern Language Association (PDF). Seit 2013 sind die Einschreibzahlen für Fremdsprachen an US-Hochschulen um durchschnittlich 9,2 Prozent gesunken. Der Niedergang betrifft auch das Fach Deutsch, weshalb die ersten Unis Konsequenzen ziehen. Erst kürzlich schloss die Universität Wisconsin die Fächer Deutsch, Französisch und Spanisch (InsideHigherEd).
  
 
 
 
   
   
   
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Die Zahl
 
 
   
7,6

Prozent der Universitäten in Europa wollen keine Open-Access-Strategie. Wie aus der EUA-Studie weiter hervorgeht, hat sich der prozentuale Anteil der Verweigerer damit erhöht. In der Befragungsrunde 2015/2016 waren es noch 3,6 Prozent.
 
Quelle: EUA
   
 
 
   
 
   
   
 
3½  Fragen an…
 
 
   
PD Dr. Christine Sälzer

Bildungsforscherin an der TU München
Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Abwarten kann eine gute Strategie sein, um zu einer kniffligen Entscheidung zu kommen. Wenn sich bestimmte Gegebenheiten noch ändern, trifft man die anstehende Entscheidung möglicherweise anders, als man sie tags zuvor getroffen hätte. Die Kunst ist, nicht so lange abzuwarten, bis sich die Entscheidung erübrigt hat (außer, man kann mit allen Ausgängen gleichermaßen leben).
 
Die aktuell größte Fehlinvestition der Wissenschaftslandschaft?
Nicht beschränkt auf die Wissenschaftslandschaft, aber doch eine „Fehl-Investition“: Die flächendeckende Einrichtung gebundener Ganztagsschulen.
 
Lektüre muss sein. Welche?
Eine gute Mischung aus anspruchsvoller und anderer Literatur. Und Tageszeitung. Ich habe wenige Bücher mehrmals gelesen, aber die Outlander-Romane von Diana Gabaldon haben sich definitiv gelohnt.
 
Und sonst so?
Läuft. Muss.
   
   
 
 
   
   
   
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Dr. acad. Sommer
 
 
   
   
Ich bin neu an ein kleines Institut berufen worden, in dem wir sehr auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen sind. Es scheint aber zwei Fraktionen zu geben, die neulich in einer Sitzung mit viel Getöse aneinandergeraten sind, wohl nicht zum ersten Mal. Der Vorsitzende mehrerer Kommissionen ist danach von allen Ämtern zurückgetreten. Ich durchschaue dieses Spiel noch nicht, würde aber gerne konstruktiv vermitteln. Wie gelingt mir das? Soll ich als Newcomerin einspringen und vakante Ämter über nehmen?“ fragt eine Neuberufene.
 
Sehr geehrte Frau Prof. X,
auf gar keinen Fall! Lassen Sie die Finger von den unvermittelt verwaisten Ämtern, selbst wenn Sie gerne helfen würden und vielleicht auch könnten. Es ist jetzt (noch) nicht der richtige Moment dafür. Aber der Reihe nach. Ein wichtiges Stichwort haben Sie bereits genannt: Es geht um ein „Spiel“, in das Sie da hineingeraten sind. Nicht alle Spiele machen Freude, und nicht bei allen gibt es etwas Schönes zu gewinnen. Mit Ihrem frischen Blick sehen Sie klar: Es wäre besser, wenn alle konstruktiv miteinander agieren würden, statt gegeneinander, von Streit und Sticheleien bis hin zur gegenseitigen Blockade oder gar Sabotage. Aber statt solch einer konstruktiven Zusammenarbeit gibt es hier zwei gegeneinander antretende „Teams“. Und: Es gibt Spielregeln, die Ihnen noch nicht bekannt sind. Möglicherweise gehört ein wenig Dramatik bei Sitzungen, nebst Rücktritten, sogar dazu – möglicherweise auch nicht. Das wissen Sie noch nicht. Vielleicht ist es eine Spielregel, dass neu Hinzugekommene schnell in Ämter gebracht werden, etwa mit der Idee, dass der oder die Neue etwas verändern wird. Auch das wissen Sie noch nicht. Würden Sie in ein Spiel einsteigen, dessen Regeln Sie noch nicht kennen? Deswegen:
Machen Sie sich ein Bild. Wer gehört zu welcher Fraktion? Gibt es „freischwebende Teilchen“, die auch zwischen den Fronten wechseln? An welchen Themen und Strukturen machen sich die Reibungen fest, woran werden sie sichtbar? Was sind die expliziten und die impliziten Spielregeln (z. B. „Wenn x, dann y!“, „Es sollte immer / nie ... geschehen!“, „Meide z!“)? Beobachten Sie.
Vermutlich haben die „Fraktionsbildung“ und der aktuelle Rücktritt eine längere Vorgeschichte. Wie sah es in der Vergangenheit aus? Gab es schon einmal gemeinschaftliche Zeiten? Was wurde bislang versucht, um das Problem zu lösen oder zu vermitteln? Mit welchen Ergebnissen? Zeigen Sie sich interessiert, sammeln Sie Informationen und Eindrücke, mit einer gewissen heiter-naiven Neugier, die Ihnen aktuell noch zusteht.
Was scheint von Ihnen als Neuangekommene verlangt, erwartet oder erhofft zu werden? Von wem genau eigentlich? Angenommen, Sie würden sich einer der Fraktionen anschließen – was wären die Vor- und Nachteile für Sie selbst und für die anderen? Ermitteln Sie den Einsatz, die Risiken und die Gewinnmöglichkeiten.

Konflikte in Organisationen haben bisweilen eine erstaunliche Lebensdauer. Auch mit der Lösung muss es daher nicht allzu schnell gehen, selbst wenn es sich so anfühlen mag. Eile lohnt nicht. Lassen Sie sich Zeit. Ihre Glaubwürdigkeit als potenzielle Schlichterin wird steigen, gerade wenn Sie nicht sofort Partei ergreifen – auch nicht für das von Ihnen zu Recht bevorzugte gemeinsame Spiel. Bereiten Sie Ihren Einsatz in Ruhe vor.
 
Dr. Boris Schmidt, Berlin, arbeitet seit 2001 als Coach, Berater und Mediator mit den Schwerpunkten Hochschule und öffentlicher Dienst. Er schreibt für das Coachingnetz
Wissenschaft als „Dr. acad. Sommer“. Kontakt: www.thema31.de und www.coachingnetz-wissenschaft.de
   
   
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c.t.
 
 
   
 
Quelle: ZEIT Online
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   
Mit einem weißen Taschentuch winkt

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