10 nach 8: Leonie March über die Wasserkrise in Kapstadt

 
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12.03.2018
 
 
 
 
10 nach 8


Trockenübung am Kap
 
Die dramatische Dürre in Südafrika führt auch den Reichen vor, wie kostbar Wasser ist. Nur haben sie genug Geld, um ihre Pools zu füllen und Bußgelder zu bezahlen.
VON LEONIE MARCH, KAPSTADT

Warten auf "Day Zero": am Theewaterskloof-Staudamm bei Kapstadt Cape Town
 
Warten auf "Day Zero": am Theewaterskloof-Staudamm bei Kapstadt Cape Town
 

Es regnet in Strömen, als ich in Durban ins Flugzeug steige, um ins wasserarme Kapstadt aufzubrechen. Ich hatte morgens noch ausgiebig geduscht und einen kleinen Trinkwasservorrat eingepackt. Man weiß ja nie. "Vielleicht haben wir kein Wasser mehr, wenn du ankommst", hatte mich meine Gastgeberin gewarnt. Recherchen über die wohl schlagzeilenträchtigste Wasserkrise Südafrikas führen mich zu ihr nach Kapstadt. Ich betone "schlagzeilenträchtig", denn die Tatsache, dass für viele Menschen auf dem Land oder in den Armenvierteln auch fast ein Vierteljahrhundert nach Ende der Apartheid fließend Wasser noch immer ein Luxus ist, macht kaum Schlagzeilen. Es sei denn, die Proteste wütender Bürger schlagen in Gewalt um. Nun aber geht es um Kapstadt, Südafrikas "Mother City", die erste Millionenmetropole der Welt, in der die Wasserversorgung abgestellt werden könnte.

Die Ursachen dieser Krise sind vielfältig: Dürre und Klimawandel, rapides Bevölkerungswachstum, überlastete Infrastruktur, schlechte Planung, Missmanagement. Und dräut also ein Day Zero. Der Tag, an dem die Wasserhähne der Haushalte trocken bleiben könnten und die Bürgerinnen und Bürger ihre Ration nur noch an Sammelstellen bekommen, bewacht von Polizei und Armee. Wahrscheinlich war es dieses unvorstellbare, ja endzeitlich anmutende Szenario, das Kapstädter und Stadtverwaltung endlich wachgerüttelt hat.

Als ich in Kapstadt lande, baut die Stadtverwaltung eilig, weil eigentlich viel zu spät, Meeresentsalzungsanlagen. Landwirte, die offenbar besser auf die Krise vorbereitet waren, teilen Wasser aus ihren Reservoirs mit den Städtern. Und viele Bürger sparen Wasser, wo sie nur können. Der Day Zero wird dadurch nun schon seit Wochen verschoben. Von April auf Mai, Juni, Juli … Mit jedem Aufschub wird er unwahrscheinlicher. Panikstimmung nehme ich hier am Kap daher nicht mehr war. Ich erlebe weder Hamster-Wasser-Käufe in den Supermärkten noch Rangeleien zwischen Bürgern, die am Fuß des Tafelbergs Quellwasser in Plastikkanister füllen.

Subtilere Zeichen der Krise gibt es dagegen überall: In öffentlichen Toiletten prangt der Hinweis "If it's yellow, let it mellow. If it's brown, flush it down." Spülen soll man also nur, wenn es auch wirklich notwendig ist. Selbst Nobelhotels haben die Stöpsel aus den edlen Badewannen entfernt, um ihre Gäste von einem Vollbad abzuhalten. Stoffservietten sind von den Tischen verschwunden, und das Grauwasser aus den Klimaanlagen wird für die Bewässerung der Grünanlagen wieder verwertet. Ungewaschene Autos sind keine Nachlässigkeit mehr, sondern ein Statement. Frauen bringen ihren eigenen Wasserbehälter mit zum Friseur und tragen das Grauwasser wieder nach Hause. Und in Fitnessstudios erklingt nach zweiminütiger Duschzeit ein Warnsignal.

Die Menschen in Kapstadt scheinen sich im Allgemeinen mit der Situation arrangiert zu haben. Südafrikaner sind ohnehin krisenerprobt und Meister darin, einen Plan B zu entwerfen. Es scheint so etwas wie Alltag eingekehrt zu sein. Und doch sieht der deutlich anders aus als bisher – und die Veränderung trifft manche mehr als andere.

Nach der Begrüßung folgt bei meiner Bekannten direkt die Einweisung, wie diverse Eimer, Kanister und Tonnen zu benutzen sind, die bei ihr herumstehen. In der Dusche fange ich das kalte, saubere Wasser in der einen Wanne auf, um damit später Geschirr zu spülen, in einer anderen das Grauwasser, das in den Toiletten landet. Den Spülkasten hat sie kurzerhand abmontiert, um kein wertvolles Trinkwasser zu verschwenden. "The new normal", nennt sie das schulterzuckend. Früher hat meine Gastgeberin ausgiebige Duschen und Vollbäder geliebt. Wo ihr Wasserzähler war, wusste sie nicht einmal. "Wasser war preiswert und augenscheinlich im Überfluss vorhanden", sagt sie. "Erst jetzt verstehen wir, wie verschwenderisch wir mit dieser wertvollen Ressource umgegangen sind."

Mit wenig Wasser zurechtkommen

In den vergangenen Monaten hat sie ihren Wasserverbrauch um fast zwei Drittel gesenkt und mehr will sie auch in Zukunft nicht mehr verbrauchen. Wie andere Kapstädter aus der Mittelschicht kann sie es sich leisten, ihre Wasserversorgung autarker zu gestalten. Mit dem selbst gebastelten Grauwasser-Recycling und einer Regentonne inklusive teurer Pumpe. In dieser glücklichen Lage sind längst nicht alle ihrer Nachbarn, geschweige denn die Menschen in den Townships. Viele wissen jetzt schon kaum, wie sie ihre Wasserrechnungen bezahlen sollen, denn die Stadt hat die Abgaben im Zuge der Krise deutlich erhöht. Das soll natürlich zum Wassersparen anspornen, ebenso wie happige Bußgelder. Aber in einem Land wie Südafrika, mit einer frappierenden sozialen Ungleichheit, treffen solche Maßnahmen oft die Falschen.

An einer der natürlichen Quellen am Fuß des Tafelbergs begegnen mir überwiegend Menschen aus den unteren Einkommensschichten, die hier ihre Container befüllen. Viele müssen dafür lange Wege zurücklegen. Das kostet Zeit und Fahrtgeld, das sie irgendwie zusammenkratzen. In wohlhabenden Vierteln lassen sich Bewohner dagegen mit Wasser beliefern, um beispielsweise ihre Pools aufzufüllen. Im Vorbeifahren sehe ich sogar laufende Rasensprenger, und das mitten am Tag. Die gestiegenen Wasserpreise oder Bußgelder sind für diese Capetonians ein Klacks. Brunnenbohrunternehmen können sich vor Aufträgen kaum retten. Wenn der Regen nicht reicht, muss das Grundwasser herhalten, lautet die wenig nachhaltige und wenig soziale Devise. 

Doch natürlich wäre es zu einfach, nur die Wohlhabenden an den Pranger zu stellen. Unabhängig vom Einkommen scheint sich die Mehrheit noch immer zu denken: nach mir die Wüste. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich noch Anfang Februar mehr als die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner nicht an die vorgeschriebenen Höchstmengen gehalten hat. Momentan werden die Zahlen neu berechnet und den verschärften Grenzwerten angepasst. Ob das "new normal" inzwischen in den Köpfen der Mehrheit angekommen ist? Zweifel sind angebracht. Auch weil der Day Zero mittlerweile auf Juli und damit in verdrängungskompatible Ferne gerückt ist.

Ich frage mich, was bleiben wird, von diesem wenigstens aufkeimenden Bewusstseinswandel, den ich bei meiner Gastgeberin erkenne. Sie erlebt nun, was für viele ihrer Mitbürgerinnen schon lange Alltag ist: Wie es sich anfühlt, mit wenig Wasser zurechtzukommen oder wie schwer Zehn-Liter-Eimer sind, die sie mehrmals täglich von der Dusche zur Toilette oder in die Küche schleppt. Das könnte ein Anfang sein, der sich im günstigsten Fall sowohl gesellschaftlich als auch ökologisch auf den Erhalt der knappen Wasserressourcen auswirken könnte. Ich hoffe jedenfalls, dass diese Krise am Kap tatsächlich zum Umdenken führt, dass Wassersparen nicht nur ein Krisentrend ist, sondern anhält, auch wenn Day Zero nicht eintreten sollte.

Die kurze Trockenübung am Kap hat mich nachdenklich gemacht. Schwindende Trinkwasserressourcen sind schließlich kein Problem, das auf die Kapregion begrenzt ist. Anderen Städten weltweit gehen sie ebenfalls aus. Wir sollten alle sorgsamer damit umgehen, egal wo wir leben. Schon um die zu entlasten, die keine weiteren Belastungen schultern können. Bei Neubauten oder Renovierungen könnten Grauwasser-Recycling und Regentonnen beispielsweise die Norm und nicht die Ausnahme sein. Dann würde Wassersparen auch nicht unbedingt Verzicht und ein Leben zwischen Plastikbehältern bedeuten. Zurück im subtropischen Durban prasselt der Regen aufs Dach, während ich zwei Minuten lang dusche. Jede Minute länger käme mir unangemessen vor.

Leonie March lebt seit 2009 in Südafrika. Die Journalistin berichtet für Hörfunk und Printmedien aus den Ländern der Region. Sie ist Mitglied des Netzwerks freier Auslandskorrespondenten weltreporter.net. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".


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