Kristin Rose-Möhring, Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, hat in einem hausinternen Rundbrief anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März eine Diskussion angeboten. Darüber, ob man die deutsche Nationalhymne nicht geschlechtsneutral ändern könnte. Statt Vaterland Heimatland singen und das Adjektiv brüderlich durch couragiert ersetzen. Da die Nationalhymne in Deutschland zu den beliebtesten und meist gesungenen Liedern gehört – jedes Kind kann den Text auswendig, ungefähr jeder Erwachsene kennt Dichter, Komponist und Entstehungsgeschichte – melden sich die Nationalhymnenbeauftragten der Republik zu Wort. Also alle. Julia Klöckner, Marco Schreyl, Die Welt, n-tv, wirklich alle. Das Schöne an Deutschland ist, dass man weiß, dass jeder Vorschlag, egal von wem und egal über was, mit der geballten Expertise der öffentlichen Intelligenz durchdiskutiert wird. Dichter- und Denkernation halt. Während man die Diskussion darüber so beobachtet, bemerkt man eine Tendenz. Frau Rose-Möhring wird von niemandem ernst genommen. Aber alle haben eine Meinung. Natürlich immer mit der gebotenen Fachkompetenz für Gleichstellung und deutsches Liedgut. Wie immer, wenn der öffentliche Bulldozer angefahren ist, leiden die Fakten. Man liest, dass die "Frauenbeauftragte" eine Änderung der Nationalhymne "fordere". Weder ist sie Frauenbeauftragte, noch fordert sie etwas. Kommt bald was von Jens Spahn? Und weil alle wieder total durchzudrehen drohen, ist vor lauter Geifer gar keine Gelegenheit, einmal lobend zu erwähnen, dass es sich um den Vorschlag einer Sprachwissenschaftlerin handelt, die auch als Übersetzerin, unter anderem für das Europäische Parlament, arbeitete. Und so freut man sich, dass ihre Vorschläge einem immerhin ermöglichen würden, den Text im gleichen Rhythmus singen zu können, also ohne Haydns Musikfluss zu stören. Heimatland und Vaterland haben drei Silben. Couragiert und brüderlich ebenso. Das Versmaß stimmt! Allerdings hat Hoffmann von Fallersleben brüderlich gemeint und nicht couragiert, was etwas völlig anderes ist. Mit Brüderlichkeit wollte er Solidarität zum Ausdruck bringen. Im Sinne von Geschwisterlichkeit, Freundschaft, Verbundenheit. Aber dann stimmt das Versmaß wieder nicht. Und sowieso ist es ein wenig egal. Auf den 8. März folgt der 9. März, der 13., 14., 15. und dann ist wieder Tag der Rückengesundheit. Dann kommt sicher schon bald der nächste Rundbrief. Womöglich sogar aus dem Gesundheitsministerium, wo künftig Jens Spahn sitzen wird und einen Vorschlag zur Gleichstellung anbieten könnte. Vielleicht, dass sich Muslime in Deutschland zum Beten genau wie Christen gleich stellen sollen. Also nicht mehr beugen, bücken, knien, weil das ja doch arg auf die Rückengesundheit geht und die Kosten in die Höhe treibt. Die Grenze des Sagbaren Was einen viel mehr aufwühlt als die Frage, ob man die Nationalhymne künftig anders singt oder gleich abschafft, ist das Erstaunen darüber, wie abgöttisch eine Frau ihren Partner lieben muss, dass sie ohne jeden Skrupel ihren phonetisch und poetisch perfekten Namen um einen Bindestrich erweitert. Wer Rose heißt, braucht doch nun wirklich kein Bindestrich-Möhring mehr dahinter! Das Namensrecht ist ein weiteres bitteres Kapitel in der Geschichte des Patriarchats. Das kann man gar nicht anders sehen. Und n-tv bringt dazu mal wieder gar nichts! Ebenfalls verstörend ist der Name der hausinternen Post, die Frau Rose-Möhring seit einigen Jahren verschickt. "Gleichstellung aktiv". Man erwartet von einer sprachsensiblen Beauftragten, dass es ihr körperlich kaum möglich ist, ein PDF mit diesem Namen herumzuschicken. Es stimmt einfach. Die Grenze des Sagbaren wird in Deutschland immer weiter verschoben. Mehr Gröhe wagen! Grafisch betrachtet ist "Gleichstellung aktiv" allerdings eine Wucht! Wenn von einem Tomatenwurf die Rede ist, liegt neben den Worten eine zerquetschte Tomate, was charmant wirkt, weil eine gewisse visuelle Nähe zu einem Menstruationsfleck besteht. Alle paar Zeilen geht das so. Die Begriffe werden durch Bilder unterstützt. Barrierefreies Lesen nennt man das. Ist von Musik die Rede, dann – was sonst? – Notenschlüssel auf Notenlinien. Alle Bilder immer etwas schräg skaliert. Deutschland hat leider keinen Grafikbeauftragten.
PS: Wer sich für diese Art von Literatur interessiert: Als Perle in der Gattung Rundbrief wurde bislang Hermann Gröhe gehandelt. Ein absoluter Insidertipp! Wie immer in Gröhes kleiner Post werden alle Artikel mit einem Foto bebildert, auf dem er selbst zu sehen ist. Zuletzt wurden die Themen Krebskongress und Fischessen in Neuss behandelt. Auch "5 Jahre Palliativstation" zeigt Hermann Gröhe. Fünf Jahre Palliativstation ist übrigens keine Anspielung auf seine Amtszeit im Gesundheitsministerium. Bitte selbst lesen und vor allem abonnieren. Seit dem 23. Februar haben die Abonnenten nichts mehr von ihm gehört. Gröhes Rundbrief darf nicht sterben.
PPS: Sollten sich die Ehepaare Rose-Möhring und Gröhe trennen und sollte sich durch einen glücklichen Zufall ergeben, dass sich eine neue Konstellation findet, dann wäre die Kombination Gröhe-Möhring akustisch sehr geschmackvoll, Deutschland hat leider auch keinen Beauftragten für Doppelnamen.
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