Freitext: Laura Freudenthaler: ARSCH BOMBE im städtischen Amtshaus

 
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09.03.2018
 
 
 
 
Freitext


ARSCH BOMBE im städtischen Amtshaus
 
 
Die neue österreichische Regierung ist im Amt und niemand muss sich fürchten – heißt es. Auf den Straßen Wiens kann man Beobachtungen machen, die anderes verheißen.
VON LAURA FREUDENTHALER

 
© Dominik Vanyi
 

Bei einem Spaziergang durch Wien kam mir ein Plakat unter, das ich zunächst für Wahlwerbung hielt (die neue Regierung war jedoch bereits im Amt, die Wahlkampfspuren beseitigt). Der Eindruck verdankte sich der rot-weiß-roten Fahne, die durch die linke obere Plakathälfte wallte, der Text dazu lautete: SÜD-TIROL DANKT ÖSTERREICH und darunter in kleinerer Schrift: „für die Möglichkeit, bald schon wieder den Pass unseres Vaterlandes zu bekommen!“ Hatte sich tatsächlich die dortige deutschsprachige Bevölkerung zusammengetan, um für die angekündigte Doppelstaatsbürgerschaft zu danken? Die klein am unteren Plakatrand zu lesende Internetadresse – südtiroler freiheitskampf – verstärkte den gespenstischen Charakter dieses Grußes, der aus welcher Zeit stammte, aus welchem Krieg? Lebende Menschen jedoch, keine Gespenster, müssen das Plakat erstellt und die Werbefläche gemietet haben, ein Vertrag muss unterzeichnet, das Sujet geschickt, das Plakat gedruckt und von jemandem angebracht worden sein.
 
Werbung im öffentlichen Raum darf nicht gegen behördliche Vorschriften verstoßen. Worum handelt es sich bei dem voreiligen Dank der Südtiroler Freiheitskämpfer? Hier wird nicht um Stimmen geworben, vielmehr um Aufnahme. Asylwerbung sozusagen, die vielleicht nur deshalb nicht weiter verbreitet ist, weil die meisten in der Asylwerbung Tätigen nicht über genug Geld verfügen, um Grußbotschaften an Land, Bevölkerung, Regierung oder Magistrat anbringen zu lassen. Diese ließen sich jedoch problemlos in den öffentlichen Werberaum integrieren.
 
Werbeflächen dienen laut einem großen österreichischen Werbeflächenunternehmen dazu, „mit den Menschen auf den Straßen in Verbindung“ zu treten. Handelt es sich beim voreiligen Dank der Südtiroler Freiheitskämpfer um eine Kontaktaufnahme? Asylwerbende suchen ja oft den Anschluss an die Hiesigen. Völkerverständigung? Damit wären die Plakatgestalter wohl nicht einverstanden, geht es ihnen doch um die Zugehörigkeit zu ein und demselben Volk. Volksverständigung also. Das Werbeflächenunternehmen setzt sich laut Eigenaussage „für die Freiheit der Meinungsäußerung ein“, und zwar „in Verbindung mit Stärkung der Kommunikationsvielfalt“. Es wäre doch ganz im Sinne dieses Mission Statement, gewisse Werbeflächen kostenlos an Asylwerbende zu vergeben, die sich die üblichen Out-of-Home-Tarife nicht leisten können – eine Win-win-Situation: Das Unternehmen kann diese Spende steuerlich absetzen und für die Imagepflege verwerten. „Ein hohes soziales Engagement“ sei Teil der Unternehmenskultur, heißt es, und Nachhaltigkeit „ein wesentliches Anliegen“.
 
Einige Wochen später mache ich mich erneut auf den Weg zu dem Plakat, das mir nach wie vor im Kopf herumspukt, aber wie es sich für einen Spuk gehört, ist es verschwunden. Der Dank der Südtiroler Freiheitskämpfer wurde ersetzt, das neue Plakat verständigt das Volk über ein spektakuläres Event, bei dem Fahrzeuge live zu Schrott gefahren werden – über Flächen kann man mit Menschen in Verbindung treten. Das weiß auch das österreichische Parlament, das derzeit umgebaut wird. Der Betrieb ist deshalb in Container ausgelagert, die von der Öffentlichkeitsarbeit konsequent als Pavillons bezeichnet werden und auf deren Verkleidung man Zitate aus der Bundesverfassung, der UN-Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der EU angebracht hat.
 
An der Bundesverfassung, der UN-Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der EU orientiert sich offenbar auch das Werbeflächenunternehmen. Stichwort Vielfalt. Nachhaltigkeit. Förderung und Gleichstellung von Frauen (raten Sie: Werbeflächenfirma oder österreichisches Parlament?). Jedermann hat das Recht, seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Form und Inhalt der Ankündigung dürfen nicht gegen die behördlichen Vorschriften verstoßen. Freiheit. Liberdade. Vrijheid. Markante Begriffe aus den Gesetzen in den EU-Amtssprachen sind eingestreut in die Zitate, „die sich wie Perlenschnüre rund um die Gebäude legen“. Die Parlamentscontainerpavillons sind sozusagen materialisierte Worthülsen, vor denen Besucher stehen und elektronische Geräte in die Luft halten (man weiß nicht, ob sie sich selbst oder das Containerpavillonparlament fotografieren). Der Intention der Gestalter zufolge werden sie „für Grund- und Freiheitsrechte sowie für den Wert von Demokratie und Parlamentarismus sensibilisiert“. Wohin wenden sie sich als Nächstes? Dem berühmten Balkon zu? Der Nationalbibliothek? In Richtung Sisi-Museum? Oder to the home of the schnitzel?


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