gestern hat es in Chemnitz dann geklappt mit
#wirsindmehr: Rund 65.000 Menschen kamen zu dem großen
Open-Air-Konzert gegen Rassismus, Fremdenhass und Gewalt. (Mehr dazu
hier.) »Alles, was Anstand hat«, sagte Sänger
Campino von den Toten Hosen, müsse gegen den rechten Mob aufstehen. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot vor Ort und vermeldete während des Konzerts
keine größeren Vorkommnisse. Unter den vielen Konzertbesuchern aus ganz Deutschland waren auch etliche Hamburger. Einige kamen mit Unterstützung ihrer Arbeitgeber. Die Crew des
Salt&Silver-Restaurants etwa brach gesammelt gen Osten auf,
Lemonaid gab den Mitarbeitern gestern
»nazifrei« und auch Fritz-Cola rief dazu auf, ein Zeichen für Menschenwürde und Nächstenliebe zu setzen: »Steht ein für Vernunft und Würde. Positioniert euch –
dies ist längst keine rein politische Diskussion mehr, sondern eine menschliche.«
»Was in Chemnitz passiert ist, darf in Hamburg nicht passieren« Morgen gehen in der Innenstadt wieder Menschen auf die Straße. Die einen skandieren
»Merkel muss weg« und wollen das künftig wieder monatlich machen. Die anderen wollen sich dieser Gruppe entgegenstellen und damit bei
»Mittwochs gemeinsam gegen rechte Hetze« und
»Hamburger Stimmen für Vielfalt« ein Gegenzeichen setzen – bunt, kreativ und friedlich. Wir haben Mit-Initiator
Jannes Vahl gefragt, was geplant ist.
Elbvertiefung: Sie haben für Mittwoch die Gegendemo »Hamburger Stimmen für Vielfalt« angemeldet, warum? Jannes Vahl: Die Anti-Merkel-Demos, die vorher montags waren, sollen ab Mittwoch wieder monatlich stattfinden. Allerdings mit neuen Anmeldern, die, wie berichtet wurde, vom Verfassungsschutz beobachtet und als rechtsextrem eingestuft werden. Das sind also nicht irgendwelche Gestrigen mit Dackelkrawatte. Die Vorzeichen haben sich geändert. Das war unsere Motivation für die Veranstaltung. Wir wollen richtig Rabatz machen – aber eben friedlich und bunt.
EV: Wer soll bei Ihnen mitlaufen?Vahl: Es soll ein bunter Protest der Zivilbevölkerung werden mit musikalischem Schwerpunkt. Wir sind nicht politisch motiviert und wollen keinerlei einschüchternde Bilder verbreiten. Die Leute sollen ihre Instrumente mitbringen und Lieder singen, sich bunt anziehen, ob mit rotem Shirt oder regenfestem Friesennerz. Das ist unser Gegenentwurf zum braunen Gedankengut. Wir wollen dem düsteren Bild der Merkel-muss-weg-Leute einen positiven Lebensentwurf und ein Zeichen der Vielfalt entgegensetzen. Mehr als 3000 Menschen haben bereits bekundet, mitlaufen zu wollen. Darunter ein Familienvater, der mit dem Kinderwagen kommen möchte. Ein tolles Zeichen!
EV: Bunt und laut soll es werden. Bekommt man so die schweigende Mehrheit vom Sofa?Vahl: Keiner muss demonstrieren gehen. Wer nicht zur Demo geht, der liest vielleicht, kommentiert, sucht in seinem Umfeld den Dialog oder schreitet couragiert ein, wenn jemand angegriffen wird. Jeder soll machen, was er für richtig hält – aber nicht hinnehmen und den Mist totschweigen. Wir machen mit unserer Veranstaltung allen ein Angebot. Wir sind kein Interessenverband oder eine plötzliche spontane Erscheinung, sondern setzen uns seit Jahren mit unseren gemeinnützigen Vereinen und unserer Agentur für den guten Zweck und eine bessere Welt ein. Wir definieren eine andere Art des Protests. Es geht um einen positiven Vibe bei einem scheißernsten Hintergrund. Durch unsere Lockerheit sprechen wir viele an.
EV: Um was geht es Ihnen?Vahl: Unser Ziel ist es, dass Nazis in Hamburg für immer eine verschwindende Minderheit bleiben. Ich liebe Ali Can für sein Projekt, Wutbürgern zuzuhören und zu reden, und ich finde Counter Speech großartig. Als Fürsprecher der »Refugees Welcome«-Bewegung merke ich mit Blick auf Chemnitz nur, dass das nicht reicht. Wir sind mit Herz und Verstand gegen Nazis und werden uns am Mittwoch da auch klar positionieren. Es ist wichtig, dass Feinden der Demokratie nicht die Stadt überlassen wird. Je mehr gute Leute vor Ort sind, desto klarer machen wir diesen Punkt. Das, was in Chemnitz passiert ist, darf und wird in Hamburg nicht passieren.
EV: Auf Facebook haben Sie bereits anklingen lassen, dass Sie das nun monatlich machen wollen. Ist das notwendig?Vahl: Ja. Solange die Anti-Merkel-Demos weitergehen, werden wir auch weitermachen.
»Hamburger Stimmen für Vielfalt« beginnt morgen um 17 Uhr am Stephansplatz. Gegen 17.30 Uhr geht es über die Dammtorstraße, die Große Theaterstraße und den Neuen Jungfernstieg zur Abschlusskundgebung am Jungfernstieg. »Mittwochs gemeinsam gegen rechte Hetze« beginnt um 17.30 Uhr am Hachmannplatz. Nach Zwischenkundgebungen bei Saturn und am Rathaus endet die Demonstration ebenfalls am Jungfernstieg, wo sich die beiden Gruppen gegen 18.30 Uhr zusammenschließen.