Herzklopfen – und ein bisschen Geld für viele
In den Universitäten des Landes pochten heute die Herzen aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Erst vor Aufregung, dann vor Freude – oder Enttäuschung. Fast wie bei einer Oscarverleihung, nur etwas weniger glamourös. Schließlich ging es um viel: die Zukunft der deutschen Spitzenforschung. Zwei Jahre haben die Universitäten auf diesen Tag hingefiebert – haben Forschungsanträge geschrieben, sich einem internationalen Expertengremium gestellt, ihre Muskeln gestählt. Heute also verkündete Bundesforschungsministerin Anja Karliczek gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Wissenschaftsrat (WR), welche Forschungsprojekte ab 2019 gefördert werden, mit insgesamt 533 Millionen Euro pro Jahr. Wichtig für die Universitäten war die Zwei-Cluster-Hürde: Nur wer die Zusage für mindestens zwei Exzellenzcluster erhalten hat, darf sich im Dezember auf das goldene Krönchen bewerben: den Titel „Exzellenzuniversität“. Er bedeutet eine dauerhafte Förderung der Universitäten durch den Bund.
Die strahlenden Gewinnerinnen sind allesamt jene, die sich mutig am eigenen Schopf gepackt und gefragt haben: Wo wollen wir hin? Die Universitäten in Berlin – HU, FU, TU, Charité, jede ein eitler Kosmos für sich selbst – haben sich zu einem großen Verbund zusammengeschlossen und sieben Cluster errungen, mehr als jeder andere Standort. Man wollte nicht nur Exzellenzuni sein, sondern ein echter Wissenschaftsstandort, in dem Ideen mehr gelten als Institutionen. Auch die Universitäten Hamburg und Bonn haben gezeigt, was möglich ist. Hamburg hat vier Cluster durchgekämpft, Bonn sogar sechs. Ein Zeichen des Trotzes, auch der Visionen. Hamburg hat lange mit seinem mittelmäßigen Ruf gehadert; Bonn, die Ex-Hauptstadt, stand im Schatten alter Zeiten, in denen das gelbe Uni-Schloss noch in der Nähe politischer Macht prunkte. Beide haben jetzt gezeigt, dass Exzellenzuniversitäten nicht vom Himmel fallen, sondern sich Spitzenleistungen hart und strategisch erarbeiten lassen.
Ein großes, sperriges Wort stand in all den Monaten über dem Auswahlverfahren: „Wissenschaftsgeleitet“ sollte es sein. Wir entscheiden inhaltlich und unabhängig, sollte das heißen – wir Wissenschaftler, wir Expertinnen. So kam es, fast jedenfalls. Ganz ohne Einfluss der Politik scheint es nicht zugegangen zu sein in der Entscheidungsfindung, welche Cluster gefördert werden. Es sind viel mehr, als erwartet, nämlich 57 Cluster an 34 Universitäten, und sie sind auffällig flächig verteilt. Das Ergebnis ist ein Paradox: Spitzenforschung in der Fläche, ein bisschen Geld für viele. Das beweist insgesamt die Stärke der deutschen Forschung, hier gibt es eben viele kleine Harvards. Wenn es aber Sinn und Zweck der Exzellenzstrategie ist, die Wissenschaftslandschaft in Deutschland schärfer zu profilieren und echte Eliteunis zu schaffen, die über föderale Ausgewogenheiten erhaben sind – dann hat sie ihre eigene Zwei-Cluster-Hürde nun überflüssig gemacht. International werden künftig all jene Unis glänzen, die mehr als das geschafft haben – wo sich Spitzenforschung nicht in ein, zwei Clustern ballt, sondern über die gesamte Institution erstreckt.
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