Das gab es noch nie: Erstmals ist beim
»Tor des Monats« der ARD-Sportschau ein
blinder Spieler nominiert. Der Hamburger
Serdal Celebi verlor als Jugendlicher durch eine Netzhautablösung sein Augenlicht, seit 2009 spielt er
Blindenfußball beim FC St. Pauli. Wir fragten ihn, wie man zielt, ohne zu sehen.
Elbvertiefung: Herr Celebi, Sie sind als erster blinder Spieler für das »Tor des Monats« nominiert. Was haben Sie gedacht, als Sie davon erfahren haben?Serdal Celebi: Ich habe mich wahnsinnig gefreut, in der Auswahl zu sein. Das Tor fiel im Bundesliga-Finale, das wir verloren haben. Aber so ist das Spiel jetzt zumindest für mich doch noch irgendwie gut ausgegangen. Es ist natürlich ein Highlight, dass mein Tor gegen die Tore von Profis antritt. Den Treffer von Marvin Plattenhardt habe ich mir genau beschreiben lassen, weil der in meinem Bekanntenkreis als Mitfavorit auf die Medaille gilt.
EV: Ihnen ist da ein feiner Schuss ins obere Eck gelungen. Wie zielt man als blinder Fußballer?Celebi: Wir haben einen Guide, der hinter dem gegnerischen Tor steht und uns Anweisungen reinruft. Unser Spielfeld ist nur 20 mal 40 Meter groß, da geht das. In diesem Fall kam ich mit Tempo aus dem Mittelfeld, da hat das dann etwa so geklungen: »Serdal, noch zehn Meter, komm rein, komm rein, Schuss!«
EV: Sie tragen beim Spiel Augenbinden. Warum das?Celebi: Damit alle die gleichen Bedingungen haben. Es gibt einige Spieler, die ein oder zwei Prozent Sehkraft haben oder auf Licht reagieren. Die Augenbinde ist in einen Kopfschutz mit Polstern integriert, der ist vorgeschrieben, falls wir mal zusammenstoßen. Nur der Torwart braucht das nicht, weil er der Einzige ist, der etwas sieht.
EV: Ist er dann nicht voll im Vorteil?Celebi: Er muss in seinem Zwei-Meter-Strafraum bleiben. Das ist schon ein ziemliches Handicap. Außerdem hat der Torwart bei uns noch eine andere Aufgabe: Er gibt die Anweisungen für die Defensive. Das ist wichtig, weil wir uns ansonsten ja nur am Ball orientieren können, der rasselt, wenn er sich bewegt.
EV: Welche Unterschiede zu einem regulären Fußballspiel gibt es beim Blindenfußball sonst noch?Celebi: Wir müssen unsere Gegenspieler warnen, bevor wir sie angreifen. Wir rufen dann das Signalwort »Voy!«, was so viel bedeutet wie »Vorsicht, ich komme!«.
Für das »Tor des Monats« kann noch bis Sonnabend, 19 Uhr, hier abgestimmt werden. Wer Blindenfußball live erleben möchte, hat dazu am Wochenende bei den internationalen Masters des FC St. Pauli die Gelegenheit. Mehr Infos hier.
Der Letzte seiner Art
1200 Fischerfamilien gab es vor gut 100 Jahren an der Elbe, heute sind es nur noch vier. Eine davon sind die Buckows, oder besser gesagt:
Einer der letzten Elbfischer ist Lothar Buckow. Der 60-Jährige hat Muskelatrophie und kann nicht einmal eine Münze in einen Schlitz stecken.
Aber fischen, das kann er. Ursprünglich wollte er Softwaretechniker werden, doch dann setzte der Muskelschwund ein. Der Arzt riet zu einem Berufswechsel, Buckow entschied sich, die 350-jährige Familientradition weiterzuführen. Heute ist er überzeugt, dass ihn die Fischerei vor dem Rollstuhl bewahrt hat. Doch
die Elbfischer gehören zu einer aussterbenden Art, die im Rahmen des Rechtsstreits um die Elbvertiefung sogar gerichtlich beschieden bekam, dass ihre Belange nicht schutzwürdig seien. Welche Erfahrungen Lothar Buckow mit dem Amtsschimmel gemacht hat, wie der Tag eines Elbfischers aussieht und wie oft ihm schon der Motor geklaut wurde, lesen Sie
in der aktuellen ZEIT:Hamburg, am Kiosk oder hier digital.