Mit Zwang zur Schule?Was tun, wenn das eigene Kind sich standhaft weigert, zur Schule zu gehen? Diese Frage stellen sich nicht nur Eltern (manche von ihnen jeden Morgen), sondern am Wochenende auch Experten bei der Fachtagung
»Schulpflicht? Schulzwang? Recht auf Bildung!« im Rathaus. Anlass genug für die bildungspolitische Sprecherin der Linken,
Sabine Boeddinghaus, bei der Schulbehörde die aktuellen Schulschwänzerzahlen abzufragen.
Rund 200 Schüler tun das pro Jahr so nachhaltig – sprich: über mehr als sechs Wochen – dass sie damit bereits ihre Schulpflicht verletzen. Auch wenn die meisten Fälle in der 9. und 10. Schulstufe, also während der klassischen Pubertätsjahre, auftreten, sieht Boeddinghaus oft tiefer liegende Gründe als das einfache »null Bock«. Das gehe
»von Mobbing bis hin zur Schulangst.« Weshalb sie vor allem die Praxis der Bußgelder infrage stellt. Immerhin wurden im vergangenen Jahr mehr als 161.000 Euro an Strafen verhängt, von denen jedoch nur etwas mehr als die Hälfte überhaupt bezahlt wurde. Und das sei auch gut so, sagt
Peter Albrecht von der Schulbehörde. »Das Bußgeld ist das Ende der Eskalationskette. Oft genügt die Androhung, sodass wir gar nicht kassieren müssen.«
Am Beginn der Kette stünden Gespräche, vom Klassenlehrer aufwärts. »Uns geht es darum, dass die Jugendlichen wieder in die Schule gehen oder an einer der zahlreichen Maßnahmen teilnehmen«, sagt Albrecht. Wenn gar nichts anderes mehr hilft, dürfen sie eine Art Auszeit nehmen, während der sie in einem berufsähnlichen Projekt arbeiten, was eine »Haltungsänderung im Kopf« bewirken soll. Und schließlich seien die genannten 200 nur »die wirklich harten Fälle«, sagt Albrecht, »von immerhin 180.000 Schülern«.
»Für viele ist das Auto eine heilige Kuh«Mojib Latif gilt als beliebter Experte für die
globale Klimaerwärmung. Kein Wunder: Der Ozeanologe und Meteorologe redet nicht um den heißen Brei herum, fordert unter
anderem eine autofreie Hamburger Innenstadt. Zum Auftakt der
Klimawoche, die Schirmherr
Fürst Albert II. von Monaco gestern in Hamburg eröffnete, betonte auch Klimaforscher Latif, wie wichtig es sei, dass sich ganz gewöhnliche Bürger für den Umweltschutz starkmachen: Man dürfe sich nicht allein auf die Politik verlassen. Damit das
Pariser Klimaabkommen von 2015 eingehalten werde, sei
»Druck von unten« nötig. Dabei, stellte Latif fest, gingen wir falsch herum an die Sache mit dem Klimaschutz heran:
»Wir können eigentlich nur gewinnen – aber irgendwie führen wir immer die Verzichtsdebatte!« Elbvertiefung: Herr Latif, Klimaschutz empfinden natürlich auch wir als wichtig; aber wie soll er funktionieren, wenn wir Menschen nicht auf vieles verzichten?Mojib Latif: Sie stellen die falsche Frage. Es geht nicht darum, dass wir verlieren. Bei Klimaschutz geht es darum, dass wir gewinnen. Gute Luft. Lebensqualität. Eine Zukunft für die Erde. Soll ich die Liste fortführen?
EV: Sie meinen, der Mensch muss sich nur eine andere Einstellung zulegen?Latif: Genau. Wenn ich in Hamburg zum Beispiel auf das Auto verzichte und stattdessen Rad oder Bahn fahre, bin ich fast immer pünktlich, muss keinen Parkplatz suchen, habe keinen Stress, bewege mich körperlich. Und dann schütze ich auch noch die Umwelt. Da macht Klimaschutz doch Spaß! So herum müssen wir die Geschichte erzählen!
EV: Der Mensch ist aber leider ein Gewohnheitstier. Wie wollen Sie es schaffen, dass er sich am Spiel grüner Blätter statt am SUV erfreut?Latif: Für viele Deutsche ist das Auto eine heilige Kuh. Solche Leute muss man zu ihrem Glück zwingen. Wenn Orte wie London oder Oslo ihre Innenstädte autofrei machen – warum sollte Hamburg das nicht schaffen? Den Lieferverkehr nehme ich natürlich aus. Aber abgesehen davon sind Fahrzeuge wie Geländewagen in der Stadt einfach schwachsinnig. Natürlich gibt es noch viel mehr Themen, die man hier angehen muss: Kohlefreiheit, regenerative Energien, Grünflächen …
EV: Zur Klimawoche sendet Astronaut Alexander Gerst auch eine Grußbotschaft. Was hat er da oben mit Klimaschutz am Hut?Latif: Alexander Gerst sieht die Einmaligkeit des Planeten viel deutlicher als wir Menschen hier unten. Aus der Ferne begreift man erst, warum es die Erde zu schützen lohnt.
Mehr als 200 Veranstaltungen finden bis zum 30. September über die gesamte Stadt verteilt statt. Dazu zählen schwimmende Klassenzimmer auf der Alster und ein »Research Ride«; in der U-Bahn-Linie U3 »battlen« sich Wissenschaftler beim »Klima-Science Slam«.