Freitext: Katja Oskamp: Lieba zehn Dackel als een Mann

 
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01.10.2018
 
 
 
 
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„Lieba zehn Dackel als een Mann“
 
Frau Ponesky und Frau Frenzel in Berlin-Marzahn brauchen nur einander und ihre zwei Hunde zum Glück. Und alle sechs Wochen eine Fußpflegesitzung bei unserer Autorin.
VON KATJA OSKAMP

 
© Lena Mucha für ZEIT ONLINE
 

Im Berliner Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf sind etwa 11.000 Hunde registriert. Damit liegt Marzahn-Hellersdorf hundemäßig an Berlins Spitze, gefolgt von Reinickendorf und Spandau.

Einer der 11.000 in Marzahn-Hellersdorf registrierten Hunde ist Amy. Amy ist sieben Jahre alt und gehört Frau Frenzel. Frau Frenzel ist meine Kundin. Alle sechs Wochen pflege ich ihre Füße.
 
Frau Frenzel ist 70 Jahre alt, schaut mit einer heiteren Verachtung auf die Welt und lässt sich von nichts und niemandem die Laune verderben. Sie erinnert mich an einen Igel, die Nase kess nach oben gebogen, muntere Knopfaugen, dazu dieser graue Vokuhila-Bürstenschnitt aus den Achtzigern: Akkurat auf eine Länge gestutzt, stehen die Haare wie Stacheln in die Höhe, sind aber um die Ohren, am Hinterkopf und im Nacken etwas länger gehalten. Immer wenn ich Frau Frenzel wiedersehe, muss ich den Gedanken verscheuchen, dass sie sich den Schnitt im Hundesalon machen lässt, der gleich um die Ecke liegt und ebenso gut frequentiert wird wie unser Kosmetikstudio. Natürlich geht Frau Frenzel nie zum Hundefriseur, nicht einmal Amys wegen, denn Amy, mit der Frau Frenzel das Leben teilt, ist eine Kurzhaardackeldame.
 
Das Fußbad ist absolviert; Frau Frenzel setzt sich auf den Fußpflegestuhl und lässt sich verwöhnen. Aus den Sohlen ihrer weichen, etwas speckigen Füße zupfe ich eingetretene Hundehaare in hellem Braun. Frau Frenzel erzählt, dass Amy stark haart, trotz des kurzen Fells. Wenn Frau Frenzel Amy in der Badewanne einschäumt und duscht, muss sie hinterher zwei Auffangsiebe voller hellbrauner Hundehaare entsorgen. Wenn wiederum Frau Frenzel duscht, weicht ihr Amy nachher nicht mehr von den Fersen, leckt Frau Frenzels Füße, Fesseln und Waden ab, mit einer Hingabe, die Frau Frenzel zwar unerklärlich ist, sie deshalb aber nicht weniger entzückt. Jeden Morgen weckt Amy Frau Frenzel, indem sie ins Bett hüpft und ihr Frauchen ableckt, bevorzugt die Armbeugen. Dann geht es zur ersten Gassirunde, der über den Tag verteilt weitere Spaziergänge folgen. Abends kuscheln Amy und Frau Frenzel auf dem Sofa. Die beiden schauen im Fernsehen eine Sendung über den neuesten Promiklatsch.
 
Frau Frenzel fragt mich, als ich ihre Nägel kürze, ob ich Costa Cordalis kenne.
 
„Den Schlagersänger“, sage ich und singe: „Ich fand sie irgendwo, allein in Mexiko – Anita, Anita!“
 


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