Kennen Sie das "Peter-Prinzip" und die "seitliche Arabeske"? Nein? Dann ist jetzt, aus Anlass des kreativen Karriereverlaufs von Hans-Georg Maaßen, eine gute Gelegenheit, das zu ändern. Das Peter-Prinzip besagt, dass in komplexen Organisationen, also Großunternehmen oder Regierungen, Menschen so lange nach oben befördert werden, bis sie ihre absolute Unfähigkeit erreicht haben, also endlich den Job haben, den sie am wenigsten können. Im Peter-Prinzip werden die Inkompetenten nicht degradiert oder entlassen, sondern nach oben oder zur Seite weggelobt.
Das Prinzip findet seine Anwendung unter anderem in der "seitlichen Arabeske": Es wird extra eine neue Position geschaffen, um einen unfähigen Mitarbeiter dort zu lagern, damit er auf seiner bisherigen Stelle keinen Schaden mehr anrichten kann.
Das scheint doch wie gemacht, um die Weglobung von Maaßen nach schräg oben zu erklären, vom Verfassungsschutzchef zum Staatssekretär. Für Maaßen werden die Zuständigkeiten im Ministerium extra neu verteilt, ein bisheriger Staatssekretär und Bauexperte, ein paar Monate jünger als Maaßen, wird dafür in den vorläufigen Ruhestand versetzt. Das ist die seitliche Arabeske des Hans-Georg Maaßen.
Sigmar Gabriel twitterte: "Wenn Illoyalität und Unfähigkeit im Amt jetzt mit Karrieresprüngen belohnt werden, dann hat Horst Seehofer die Chance, noch UN-Generalsekretär zu werden. Das ist doch irre." Der Vorwurf ist: So fördert man Politikverdrossenheit. Wenn hochrangige Staatsvertreter und Politiker nur noch oben fallen und für Fehler keine negativen Konsequenzen befürchten müssen, wenn sie letztlich unantastbar sind – wenn das Peter-Prinzip zum Regierungsprinzip wird.
Leider ist es doch komplizierter. Zum einen, weil selbst die Erfinder des Prinzips, die US-Autoren Laurence J. Peter und Raymond Hull, es nicht so ganz ernst meinten. Ihre Idee ist so simpel, dass sie zwar für einen ironisch-spöttischen Bestseller über die Absurditäten der Unternehmenswelt taugte, aber nicht als valides wissenschaftliches Konzept. Sie beschreiben kein immer gültiges Prinzip, sondern eher ein Fehlermuster bei Personalentscheidungen.
Der zweite, in diesem Fall wichtigere Einwand: Es geht bei Maaßen gar nicht so sehr um Inkompetenz im Peter’schen Sinne. Das Problem war nicht, dass der Verfassungsschutzpräsident etwas nicht konnte. Sondern, dass er absichtlich anders handelte, als es nach Ansicht vieler seinem Amt angemessen gewesen wäre. So gesehen hat er nicht versagt, er hat absichtlich Schaden angerichtet. Das ist ein großer Unterschied.
Man sollte den Fall Maaßen nicht dem System insgesamt anlasten
Deshalb geht es nicht um Kompetenz, sondern um Macht. Es stehen jene, die der Meinung sind, dass der Schaden zu groß ist, gegen jene, die der Meinung sind, dass es gar nicht so schlimm war. In diese Lager teilt sich auch die Koalition, weswegen die Personalie letztlich Verhandlungssache war. Die SPD hat erreicht, dass Maaßen nicht mehr den Verfassungsschutz leitet, er hat nicht mehr jenes Amt inne, das er aus ihrer Sicht beschädigt hat. Das ist ein Erfolg. Ja, er wurde nun formal befördert, aber ist sein neuer Job als Staatssekretär tatsächlich sensibler als sein bisheriger als Geheimdienstchef?
Man könnte gar so weit gehen und auf die sinnvolle Trennung von Amt und Person hinweisen. Sie ermöglicht es, dass nach einem Fehlverhalten Menschen nicht per se versagt haben, sondern nur ihres Amtes enthoben werden. Dass sie in einer anderen Position wieder anfangen und auch erfolgreich sein können, wenn sie sich neu bewähren.
Ein Teil der Regierung (und auch der Öffentlichkeit) ist der Meinung, dass Maaßen diesen Vertrauensvorschuss nicht mehr verdient hat, der größere (oder zumindest mächtigere) Teil aber sieht das anders.
Wenn man also Verdruss empfinden will angesichts dieses Falls, dann weniger wegen des Peter-Prinzips. Es gibt in der Politik keine Regel, dass Mächtige nur nach oben fallen. Sie sind nicht unantastbar. Aber es gibt in diesem konkreten Fall das politische Interesse, den hohen Beamten Hans-Georg Maaßen zu halten. Weil man sich etwas davon verspricht. Sei es nur, selbst nicht wie der Verlierer auszusehen. Oder sei es, weil man Maaßen politisch nutzen will. Horst Seehofer hat einen Staatssekretär für öffentliche Sicherheit gewonnen, einen Beamten eigentlich, der aber der politischste der acht Staatssekretäre sein wird. Der Name Maaßen mobilisiert jetzt Lager, eine Stimme für Seehofer und die CSU ist jetzt auch eine Stimme für Maaßen.
Der Bundesinnenminister und Instinktpolitiker Seehofer glaubt offenbar, dass Maaßen für ihn eher ein politischer Gewinn als eine Belastung ist. Darüber kann man, nach Maaßens Verhalten in den vergangenen Wochen, zu Recht Verdruss empfinden. Aber man sollte es nicht dem politischen System als Ganzes anlasten.