Am Ostersonntag begannen sie wieder,
die alljährlichen Großmanöver der südkoreanischen und amerikanischen Streitkräfte. Foal Eagle und Key Resolve heißen die beiden Übungen, an denen sich rund 300.000 Soldatinnen und Soldaten beteiligen. Aber während Nordkorea in den vergangenen Jahren wütete, die Regierungen in Seoul und Washington bereiteten eine Invasion des Nordens vor, schweigt Pjöngjangs Propaganda in diesem Jahr.
Milde schaut Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un dem martialischen Treiben zu. Schon vor drei Wochen hatte er südkoreanischen Emissären gegenüber Verständnis dafür bekundet, dass die Truppen der Verbündeten üben müssten. Das Schweigen fügt sich in die Charmeoffensive, mit der Kim den Konflikt um seine Nuklearwaffen entschärfen möchte. Der eben noch von Donald Trump verspottete
"little rocket man" ("kleiner Raketenmann") beweist beachtliches außenpolitisches Geschick und setzt sich mit einer regelrechten Gipfeltournee selbstbewusst in Szene.
Noch
bevor er am 27. April Südkoreas Präsidenten Moon Jae In treffen wird und voraussichtlich Ende Mai dann Donald Trump,
fuhr er vorige Woche erst einmal nach Peking. So geheimnisvoll die Umstände seines Besuchs zunächst waren, so glanzvoll die schließlich veröffentlichten Bilder. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte jahrelang keinen Hehl aus seiner Verachtung für Kim gemacht. Nun empfing er ihn mit all dem Pomp, den das chinesische Protokoll aufbieten kann.
Beide, Kim und Xi, profitieren aufs Schönste von ihrem Treffen. Nordkoreas Machthaber führt den Amerikanern vor Augen, dass die Brücken zu dem alten Waffenbruder China keineswegs zu Staub zerfallen sind. "Ich stehe nicht gänzlich allein da", lautete seine Botschaft aus Pekings Großer Halle des Volkes.
Xi Jinping wiederum überwand seine Abneigung dem arroganten Junggenossen gegenüber, um zu demonstrieren, dass sich China nicht an den Rand des Geschehens schieben lässt, wenn es um die Entscheidung über Krieg oder Frieden im benachbarten Korea geht. Xi unterstützt Trumps Strategie des "maximalen Drucks" gegenüber Nordkorea; er hat die von den UN beschlossenen Sanktionen gegen das Land zuletzt mit brutaler Härte umgesetzt. Aber zugleich beharrt er darauf: Ein Kompromiss ist möglich, wenn sich Kim Schritt für Schritt in die richtige Richtung bewegt.
Schritt für Schritt – das ist schon lange die chinesische Empfehlung zur Lösung des Atomstreits.
Trump wollte bisher genau das nicht, er verlangt bis heute die "vollständige, verifizierbare und irreversible" Entnuklearisierung Nordkoreas. Und zwar möglichst sofort. Alles andere, argumentiert er, hätten seine Vorgänger ausprobiert und seien bei der Suche nach diplomatischen Kompromissen doch nur belogen und betrogen worden. Nicht mit ihm!
Die USA werden eine komplette Aufgabe des Atomwaffenprogramms kaum durchsetzen Und nun sitzt Kim Jong Un bei den alten chinesischen Freunden und schlägt den USA "stufenweise und synchronisierte" Bemühungen beim Abbau der Atomwaffen vor, die dann zum Erfolg führen könnten, "wenn Südkorea und die USA auf unsere Bemühungen mit Wohlwollen reagieren, eine Atmosphäre des Friedens und der Stabilität zu schaffen".
Worte, die nicht nur Donald Trump den Zorn ins Gesicht treiben dürften, sondern auch den neuen Mitgliedern seines "Kriegskabinetts", John Bolton und Mike Pompeo. Der künftige Nationale Sicherheitsberater Bolton und der als Außenminister nominierte Pompeo wollen von langwierigen Verhandlungen nichts wissen. Der eine hat Kim mit einem Präventivkrieg gedroht, der andere mit einem Regimewechsel. Sie werden einen Teufel tun und Trump zum Kompromiss mit Nordkorea raten.
Warum ist Kim Jong Un trotzdem so unverschämt guter Laune? Nun, die Dinge entwickeln sich in seinem Sinne. Südkoreas Präsident Moon will – und muss – einen Krieg auf der Halbinsel um fast jeden Preis verhindern. Er wird deshalb versuchen, den Weg zu einer Verständigung zu ebnen. Xi Jinping signalisiert: Auch wir wollen keine nordkoreanischen Atomwaffen, aber noch weniger wollen wir ein militärisches Eingreifen der USA in unserem Nachbarland. Schon gar nicht lassen wir uns zum Erfüllungsgehilfen Amerikas machen.
Kim dürfte sich in den Gesprächen einen Stopp seiner Raketen- und Atomversuche abhandeln lassen, vielleicht auch den einen oder anderen maßvollen Abrüstungsschritt. Aber eine komplette Aufgabe seines Nuklearpotenzials, das doch seine Überlebensgarantie ist? Kaum vorstellbar.
Bleibt die Frage, ob Trump der Einsicht folgen wird, dass auch gegenüber Nordkorea nur hilft, was im Kalten Krieg gegenüber der Sowjetunion funktioniert hat, nämlich eine auf lange Frist angelegte Politik der Abschreckung und der Eindämmung?
Oder wird er, frustriert und falsch beraten, Nordkorea am Ende doch mit "Feuer und Zorn" heimsuchen? Deutet man das Strahlen Kim Jong Un dieser Tage richtig, dann scheint er damit nicht zu rechnen.