| Kienscherf macht den Dressel: SPD wieder voll besetzt
Alles neu macht der Scholz-Abgang. Nachdem Olaf Scholz den Bürgermeisterstuhl und den Landesvorsitz geräumt hat und bei der SPD wochenlang lustige Jobrotation angesagt war, ist seit gestern nun auch die letzte Führungsposition besetzt. Dirk Kienscherf übernimmt den Fraktionsvorsitz von Andreas Dressel, der bereits seit Ende März Finanzsenator ist. Dass die wohlgemerkt geheime Wahl der SPD-Genossen auf den 52-Jährigen fallen werde, stand eigentlich schon am Freitag fest. Nachdem der Konkurrent aus Eimsbüttel, Kreischef Milan Pein, plötzlich Nein gesagt und seine Kandidatur zurückgezogen hatte, trat der Diplomkaufmann aus Hamm und parlamentarische Geschäftsführer Kienscherf als Einzelkämpfer ohne Gegenkandidaten an. Mit seinem Rückzug hatte Pein das zuvor heftige Gerangel um den Posten und die damit einhergehende Unruhe in der Partei – schließlich duellierten sich mit Pein und Kienscherf auch linker und rechter Flügel der Partei – vorzeitig beendet. Anstelle einer Kampfabstimmung bräuchten die Fraktion und die Partei »nichts dringender als Geschlossenheit«, hatte Pein erklärt. So richtig geklappt hat das nicht. Kienscherf, der zum Mitte-rechts-Lager der Sozialdemokraten gezählt wird, bekam beim großen Showdown gestern Abend 84,5 Prozent der Stimmen. Dass die Sozialdemokraten nicht einstimmig über die Personalie jubeln würden, war absehbar gewesen – am Ende stimmten 49 Abgeordnete für, fünf gegen ihn und einige enthielten sich.
Mein lieber Schwan!
Hamburgs Stolz auf seine weiß gefiederten Prachtvögel ist dem gemeinen Bürger wohlbekannt, wie weit aber die Liebe zum Vogel geht, eher nicht. Ein blöder Spruch, eine harsche Handbewegung in Richtung der Alsterschwäne, die von heute an wieder ebendort schwimmen – und die Hamburger Justiz hebt den mahnenden Zeigefinger. Ganz richtig, blöd von der Seite anquatschen sollte Mensch die Langhälse (ups, zählt das etwa schon?) besser nicht: Beleidigungen stehen seit 1664 unter Strafe. Wir haben bei Schwanenvater Olaf Nieß nachgefragt, was einem blühen kann. Elbvertiefung: Wieso dürfen Alsterschwäne eigentlich nicht beleidigt werden? Olaf Nieß: Hamburg hat im 11. Jahrhundert das Schwanenwesen angenommen, um nach außen ein Zeichen der Gleichwertigkeit gegenüber Königs- und Fürstenhäusern zu setzen. Die Schwäne gelten als lebende Wahrzeichen der Stadt und sind ihr Freiheitssymbol, sie stehen für die Unabhängigkeit und auch den wirtschaftlichen Erfolg der Hanseaten. In diesem Zusammenhang wurden diese Regularien zur Wahrung der Rechte der Schwäne erlassen, zu denen zum Beispiel das Töten der Tiere, aber eben auch Beleidigungen gehören. EV: Für den Schutz der Schwäne ist das natürlich prima. Aber was heißt das für uns genau: Was müsste ich sagen – nicht dass ich es vorhätte, nur theoretisch! –, um einen Alsterschwan zu beleidigen? Nieß: Wer zur damaligen Zeit einen Schwan beleidigt hat, der hat damit auch die Stadt und die Hamburger Bürger beleidigt, deshalb wurde das dementsprechend unter Strafe gestellt. Dazu gehörte es, wenn die Schwäne in irgendeiner Form bedrängt wurden, aber auch unziemliche Zeichen oder eben verbale Beleidigungen in der Art von »Du blöder Schwan«. Wer es trotzdem gewagt hat, musste drei Taler Strafe zahlen oder ersatzweise drei Tage ins Gefängnis ... EV: Ich verstehe. Würde man zum Schwan, der sich etwa mit ausgebreiteten Flügeln und fauchend meinem Hund nähert, etwas barsch »Du Vogel!« sagen, würde das schon als Beleidigung zählen? Nieß: Oh, da muss ich vorsichtig sein. Mir würde zwar so manche Beleidigung einfallen, aber detailliert benennen will ich da keine. Allerdings könnte man schon alles dazuzählen, was man als Mensch als anzeigewürdig erachtet, also die allgemein üblichen Beleidigungsformen. EV: Ein Schwan kann ja nun schlecht Anzeige erstatten. Mal ehrlich: Gibt es überhaupt jemanden, der sich darum kümmert, dass diese Regel eingehalten wird? Nieß: Wenn jemand ganz unflätig ist, könnte der Schwan denjenigen verhauen. Danach müssten wir mit ihm allerdings ausdiskutieren, ob das nun angemessen war oder nicht. Aber Spaß beiseite. Anzeigen kann, wer eine solche Beleidigung beobachtet hat. EV: Und dann muss der Rüpel wegen Schwanenbeleidigung drei Tage einsitzen? Nieß: Wenn es zur massiven ehrverletzenden Beleidigung in welcher Form auch immer kommt, wäre eine Bestrafung machbar, angelehnt an die heutigen Rechtsstandards. EV: Sind denn diese Regularien in der heutigen Zeit überhaupt noch haltbar? Nieß: Obwohl sie so alt sind, sind sie noch immer – exklusive der Beleidigungen – topaktuell, beispielsweise was die Bejagung oder das Stören der Tiere beim Nisten angeht. Verstöße gegen das Tierschutz- oder Jagdgesetz ahnden wir ohnehin regelmäßig, und es werden Bußgelder verhängt. |
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