Praxisnähe, bis es quietscht | Brüssel füllt Drittmitteltopf | Publizieren für den Papierkorb | 3 ½ Fragen an Anna-Katharina Meßmer

 
Wenn dieser Newsletter nicht richtig angezeigt wird, klicken Sie bitte hier.
 
   
 
Liebe Leserinnen und Leser,
der Sozialismus lebt! Wenn die Hochschulrektorenkonferenz morgen in Mannheim Horst Hipplers Nachfolge klärt, steht mit Peter-André Alt exakt ein Kandidat für den Präsidentenposten zur Wahl. Spannend wird dabei nur, welches Wahlergebnis Alt einfährt. Diskussionseifer zeigt die HRK aktuell dafür nach Außen, genauer gesagt gegenüber der DIHK. Ansonsten geht die Lobbyarbeit zum nächsten EU-Forschungsprogramm in die heiße Phase, eine Studie zu Zitationen stellt Wissenschaftler vor die Sinnfrage, und Anna-Katharina Meßmer regt in unserem Fragebogen  an, die Vermittlungslücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schließen.
   
 
 
 
 
Das ist wichtig
 
 
   
 
  
Praxisnähe, bis es quietscht
Häufig diskutiert, trotzdem ungeklärt: Wieviel Praxisnähe verträgt ein wissenschaftliches Studium? Der DIHK hat eine neue Runde in der Auseinandersetzung eingeläutet (FAZ). In seinen jüngsten hochschulpolitischen Leitlinien (PDF) fordert der Wirtschaftsverband Universitäten und Fachhochschulen auf, a) ihre Studiengänge stärker als bisher an den Qualifikationsbedarfen der Wirtschaft auszurichten und b) neue „Mischformen aus akademischer und beruflicher Bildung“ anzubieten. Nichts da, ließ HRK-Präsident Horst Hippler prompt wissen, „wir brauchen keine neuen hybriden Formate jenseits des noch zu optimierenden Dualen Studiums“ (HRK). Wer genau unter „wir“ zu fassen ist, bleibt unklar. Die Hochschulallianz für den Mittelstand gehört schon mal nicht dazu. Die in dem Verband vereinten anwendungsorientierten Hochschulen begrüßen die DIHK-Leitlinien (PDF) und liegen damit auf Linie der Groko in Berlin. Im aktuellen Koalitionsvertrag (PDF, S. 30f.) kündigen CDU, CSU und SPD an, „hochschulisches und berufsbildendes Lernen in gemeinsamen Qualifizierungsangeboten“ zusammenzuführen.
  
 
 
Brüssel füllt Drittmitteltopf
EU-Forschungsanträge sind mühselig und in 86 Prozent der Fälle nicht erfolgreich. Genau das könnte sich beim nächsten Forschungsrahmenprogramm ändern, wenn Brüssel das Budget für die Jahre 2021 bis 2027 tatsächlich wie angekündigt auf rund 160 Milliarden Euro verdoppelt und die Antragszahlen gleichbleiben. Nächsten Monat macht die Kommission den Aufschlag zum mehrjährigen Finanzrahmen, im Sommer folgt der Entwurf zum neuen Forschungsprogramm (FP 9). Das heißt für Wissenschaftslobbyisten in Brüssel: Prime time! Die Positionen der Stakeholder für die Verhandlungen sind mittlerweile veröffentlicht und stehen gesammelt auf den Seiten der KoWi. Wer noch Argumente sucht, findet sie bei der EUA. Sie hat vor einiger Zeit (THE) in einer Studie errechnet, dass zwischen 10.000 und 50.000 Euro aufgewendet werden müssen, um einen EU-Forschungsantrag zu erstellen. Bei den ersten 100 Calls von Horizon 2020 wären so 1,4 Milliarden Euro für gescheiterte Anträge ausgegeben worden. Zum Vergleich: Die erfolgreichen Anträge brachten rund 5,5 Milliarden Euro.
  
 
 
Wissenschaft für den Papierkorb: die P-Publikationen
Ihre Forschung ist endlich publiziert und Sie fühlen sich im 7. Himmel? Achtung, selbst jetzt sind Sie nicht vor Tiefschlägen sicher. In den Literaturwissenschaften zum Beispiel wird nur jede Dritte Veröffentlichungen zitiert, berichtet InsideHigherEd unter Berufung auf eine Studie der Universität Ghent. Untersucht worden waren alle Disziplinen mit mindestens 10.000 Veröffentlichungen zwischen den Jahren 2012 und 2016. Größtenteils für den Papierkorb schreiben der Analyse zufolge auch Pharmazeuten, Architekten, Religionswissenschaftler, Musikwissenschaftler, Historiker und Philosophen. In speziellen Gebieten der Chemie blieben dagegen lediglich drei Prozent der Publikationen unzitiert.
  
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Die Zahl
 
 
   
 
   
250
Wissenschaftler und Hochschulchefs umfasste die Delegation, mit der Norwegens Wissenschaftsminister Iselin Nybø zu seiner jüngsten Auslandreise nach China aufbrach. Ihre Mission: Forschungskooperationen mit China unbedingt stärken!
   
 
   
   
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
3½  Fragen an…
 
 
   
 
   
Dr. Anna-Katharina Meßmer

Leiterin der Geschäftsstelle des FGW Forschungsinstituts für gesellschaftliche Weiterentwicklung e.V.
Was haben Sie zuletzt von jemand anderem gelernt?
Von meinem neuen beruflichen Umfeld: Dass derzeit große Einigkeit zu herrschen scheint, wie wichtig Wissenschaftstransfer ist – zuletzt auch angesprochen von der neuen Bundesforschungsministerin, Anja Karliczek, in der ZEIT. Doch dieser Lernprozess wirft für mich zugleich viele Fragen auf: Was bedeutet das konkret? Sollte gerade die Wissenschaft nicht auch ein Ort und Raum sein, um frei von unmittelbarer Verwertbarkeit denken zu dürfen? Reicht es, wenn 'wir' als Wissenschaftler_innen unsere Erkenntnisse in die Gesellschaft zurückspielen? Oder geht es vielmehr darum, in einen Dialog zu treten, auch um neue Fragen zu finden? Wie kann und soll ein solcher Dialog aussehen? Was bedeutet es in diesem Kontext, dass wir aktuell insbesondere anhand digitaler Öffentlichkeiten beobachten und lernen müssen, dass mehr frei verfügbares Wissen gar nicht – wie normativ gedacht – zu einer deliberativen Öffentlichkeit führt, sondern zu Polarisierung? Wie also schließen wir die Vermittlungslücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft? Darüber lohnt es sich, mehr nachzudenken und zu diskutieren.
 
Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Vielleicht ohne Geld, aber sicherlich nicht ohne Kapital: Netzwerken.
 
Lektüre muss sein. Welche?
Für den Verstand: Die Schulz-Story von Markus Feldenkirchen. Ein eindrucksvolles und intimes Porträt über einen Politiker ebenso wie über die Berliner Politik. Vor allem aber ist es ein Stück darüber, wie Politiker_innen zu Getriebenen von Beratung und Meinungsforschung werden, die weder sich selbst noch den Bürger_innen streitbare Politik zutrauen.
Für das Herz: Der Briefwechsel zwischen Kracauer und Adorno. Eine irre Liebe.
 
Und sonst so?
Zeit für den Zwischenverwendungsnachweis!
   
 
   
 
 
   
 
 
   
   
   
Anzeige
 
   
   
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
Diese Woche in der ZEIT
 
 
   
»Hitler war ein guter Mann«, sagt die Mitschülerin An Deutschlands Schulen werden Juden beleidigt und bedroht. Die jüngsten Vorfälle haben auch Politiker aufgerüttelt – aber was kann man gegen den Antisemitismus unter Jugendlichen tun, ganz praktisch? 
 
Weise für das Land Die große Koalition will einen »Nationalen Bildungsrat« einrichten. Noch weiß niemand, was er genau tun soll. Wir hätten da ein paar Vorschläge »Ich sorge mich um meine Lieder« Von Mädchen ist in seinen Texten nicht so viel die Rede. Werden seine bekanntesten Hits deshalb bald aus Kitas und Schulen verbannt? Fragen an den Liedermacher Rolf Zuckowski

Zur aktuellen Ausgabe
   
 
 
   
 
 
   
 
 
 
 
c.t.
 
 
   
 
Nicht einfach nur niedlich: Hunde wirken wahre Wunder auf dem Campus, an Lehrstühlen und in jeder Prüfungssituation. Um bis zu 45 Prozent sinkt das Stresslevel bei Examenskandidaten, die vor dem Test einen Hund knuddeln (THE).
 
Quelle: THE / Foto: www.pexels.com

 
 
 
 
 
 
   
Wir staunen in dieser Woche über die Kirschblüte, Sie auch?

Ihr CHANCEN-Team


PS: Gefällt Ihnen der CHANCEN Brief, dann leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an – unter www.zeit.de/chancen-brief. Dann schicken wir Ihnen den Newsletter, solange Sie wollen, immer montags und donnerstags zu.
 
 
 
 
   
Anzeige
Jobs im ZEIT Stellenmarkt
Jetzt Branche auswählen und Suche starten: